Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 9† Dom 814

Beschreibung

Grabschrift Karls d. Gr. Einhard berichtet, daß über dem Grab des Kaisers ein goldener Bogen mit dessen Bild und dem Titulus angebracht war.

Text nach Einhard.1)

  1. Sub hoc conditorio situm est corpus Karolia) magni atque orthodoxi imperatoris, qui regnum Francorum nobiliter ampliavit et per annos XLVII feliciter rexit. Decessit septuagenarius anno Domini DCCCXIIIIb), indictione VII, V. kal(endas)c) febr(uarii)

Übersetzung:

Unter diesem Grabmal liegt der Körper Karls, des großen und rechtgläubigen Kaisers, der das Reich der Franken ansehnlich erweitert und 47 Jahre lang glücklich regiert hat. Er starb siebzigjährig2) im Jahre des Herrn 814 in der 7. Indiktion, am 5. Tag vor den Kalenden des Februar.

Datum: 28. Januar

Kommentar

Der Begriff conditorium in der Bedeutung ‚Grabmal‘ ist bei antiken Autoren belegt3) und wird auch als Bezeichnung für die Grabstätte Pippins d. J. verwendet.4) Auffällige Übereinstimmungen mit dem Karlstitulus weist die Grabinschrift eines Abtes von St. Martin in Ligugé auf, die mit den Worten „sub hoc conditorio situm est corpus bone memorie abbatis“ beginnt.5) Die Abhängigkeit dieses vermutlich im 9. Jh. entstandenen Textes von der Grabschrift Karls d. Gr. ist sicher anzunehmen.6)

Die Lage des Karlsgrabes und damit auch der Anbringungsort des Titulus ist nicht überliefert. Zahlreiche Grabungen im Innern der Kirche7) haben vor dem karolingischen Chor im östlichen Gewölbejoch ein Erdgrab freigelegt. In ihm will Teichmann das ursprüngliche Grab Karls d. Gr. erkennen, in dem auch Otto III. beigesetzt worden sei.8) Buchkremer vermutet die Ruhestätte des Kaisers in Form eines Arkosolgrabes in der nordöstlichen Wand des Sechzehnecks neben dem Ostchor.9) Wismann hat beide Versionen verworfen und das Karlsgrab stattdessen im unteren Geschoß des Westbaus gesucht.10) Er verweist auf mehrere Beispiele für Bestattungen in Vorhallen von Kirchen aus dem engsten Umkreis Karls und besonders auf die Parallelen zum Grab Pippins in St. Denis.11) Hugot folgt der These Wismanns und weist darauf hin, daß 1910 im Westbau mehrere Gräber entdeckt worden sind, von denen eines aufgrund seiner Größe und Lage als Grab Karls d. Gr. in Frage kommt.12) Gestützt auf Grabungsergebnisse der fünfziger Jahre vertritt auch Beumann die These, Karl sei im Westen der Kirche bestattet worden, und zwar in einer Art Vorbau (dem conditorium) in Form einer Dreikonchenanlage vor dem Westbau.13) Die Inschrift könnte sich dann auf einer großen Arkade über dem Spannfundament befunden haben.

Die Quellen zur Öffnung des Grabes durch Otto III. deuten darauf hin, daß die Grabstätte bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr allgemein bekannt und die Inschrift bereits verschwunden war.14) Vielleicht wurde sie vor dem Normanneneinfall in Aachen 882 entfernt, um das Grab unkenntlich zu machen und es so vor Plünderungen zu schützen.15)

Textkritischer Apparat

  1. CAROLI Bergeron.

  2. DCCCXIII Ramackers.

  3. CAL(ENDAS) Bergeron.

Anmerkungen

  1. 1.Vita Karoli Magni, p. 35f.; vgl. Thegan, Vita Hludouuici (MGH SS II), c. 7.
  2. 1a.Zum Alter Karls d. Gr. vgl. K. F. Werner, Das Geburtsdatum Karls d. Gr., Francia 1, 1973, S. 115–157.
  3. 2.Vgl. ThIL IV, Sp. 147. Sueton bezeichnet das Grabmal des Augustus als conditorium (Suet. Aug. 18,1).
  4. 3.MGH Epp. V, S. 326: „Quique [scil. Pippinus] cum quanta se humilitate ante limina basilicae sanctorum martyrum ...sepeliri preceperit, titulus etiam ipsius conditorii innotescit.“
  5. 4.J. Coquet, L'inscription tumulaire de Ligugé (Fin du VIIe siècle), Rev. Mabillon 44, 1954, S. 97–104.
  6. 5.Vgl. dazu und zur Neudatierung der ursprünglich als merowingisch beurteilten Inschrift Hemgesberg, a. a. O., S. 75–80.
  7. 6.Vgl. die Grabungsprotokolle von 1843 bis 1914 im StA Aachen, Hs. 1048/a und im DiözA, Gvo Aachen, Dom 7 a I, sowie den Bericht über die Grabungen von 1910–1914 bei Teichmann, Lage und Geschichte, S. 142ff.
  8. 7.Lage und Geschichte 1915, S. 152ff.
  9. 8.Grab 1907, S. 68–210.
  10. 9.H. Wismann, Grab und Grabmal Karls d. Gr. (Phil. Diss. Heidelberg), Ludwigshafen 1933.
  11. 10.Ebd. S. 25f. Karl hatte für das Grabmal seines Vaters ein als Vorbau zu verstehendes augmentum errichten lassen (Suger von St. Denis, Migne, PL 186, Sp. 1228), das vermutlich mit dem in MGH Epp. V 326 erwähnten conditorium über Pippins Grab identisch ist. Vgl. dazu die Untersuchungen von J. Formigé, L'abbaye royale de Saint-Denis. Recherches nouvelles, Paris 1960, S. 63f. und Fig. 40 auf S. 51.
  12. 11.L. Hugot, Baugeschichtliches zum Grab Karls d. Gr., AKB 52, 1984, S. 13–28 (23).
  13. 12.H. Beumann, Grab und Thron Karls d. Gr. zu Aachen, in: Karl d. Gr. Lebenswerk und Nachleben IV, S. 9–38 (30 und 35f.). Vgl. F. Kreusch, Kirche, S. 505–511.
  14. 13.Ademar von Chabannes berichtet über das Karlsgrab: „vetustate obliterante, ignorabatur locus certus“ (Ademari historiarum libri III, MGH SS IV, S. 130). Vgl. auch Thietmar von Merseburg, Chron. IV, c. 47 (MGH SS rer. Germ. N. S. IX, c. 47, S. 186); Lampert von Hersfeld, Annalen (MGH SS rer. Germ. in usum schol., S. 48).
  15. 14.Vgl. Beumann, a. a. O., S. 9.

Nachweise

  1. Einhard, Vita Karoli Magni, S. 35f.
  2. München, Bayer. Staatsbibl., Cod. Clm 14641, fol. 31v.
  3. Wien, ÖNB, Cod. lat. 969, fol. 55v (bis feliciter rexit).
  4. Voyage de Pierre Bergeron, p. 199.
  5. Kraus II, Nr. 474 (bis feliciter rexit).
  6. J. Ramackers, Das Grab Karls d. Gr. und die Frage nach dem Ursprung des Aachener Oktogons, HJb 75, 1955, S. 123–153 (133 Anm. 57).
  7. Kaemmerer, Quellentexte, S. 66f.
  8. H. Hemgesberg, Gab es zu Karls des Grossen Grabtitulus eine Vorlage?, Arbor amoena comis. 25 Jahre mittellateinisches Seminar in Bonn 1965–1990, hrsg. von E. Könsgen, Stuttgart 1990, S. 75–81 (75).

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 9† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0000900.