Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 114 Dom, Obergeschoß des Westbaus 1584

Beschreibung

Rahmen eines karolingischen Fensters oberhalb der Wolfstür. Die Fensterfassung aus Blaustein wurde 1584 überarbeitet und mit Darstellungen und Inschriften versehen. In der Mitte der oberen Rahmenleiste ein Totenkopf mit Sanduhr; jeweils zu beiden Seiten davon die Inschrift (A), darunter (B) zwischen Linien. In der linken oberen Ecke das Wappen des Marienstifts, rechts ein Meisterzeichen (vgl. Anhang Nr. 4). Jahresangabe auf beide Ecken verteilt (C). Auf dem linken Streifen fünf Felder mit Darstellungen bzw. Schrift. Im oberen Feld Kerze, Eule, Brille und Krebs unter der Inschrift (D). Darunter Adam und Eva im Paradies, die Leidenswerkzeuge, die Geißelung Christi und ein Feld mit der Inschrift (E). Auf dem rechten Rahmenstreifen Pflanzenornamente, der untere Rand ist unverziert. Am rechten und linken Rand mehrere ausgebesserte Schadstellen und Bruchlinien, bei (E) Oberfläche links abgeplatzt. Bei (B) wurde eine große Fehlstelle am linken Rand des Gesteins mit Mörtel ausgefüllt. Der Schaden hat jedoch zu keinem Buchstabenverlust geführt, so daß anzunehmen ist, daß die Inschrift nach bzw. im Zuge der Ausbesserung angebracht wurde. Dasselbe gilt für die Inschriften (A) und (B), die beide einen klaffenden Riß im Gestein umgehen. Alle Darstellungen und Inschriften sind schwach erhaben gearbeitet. Worttrennung in (B) durch lateinische Kreuzchen.

Maße: H. 97, B. 84, Rahmen ca. 10, Bu. 2,7 (A, B), 1,8 (C), 1,2 (D, E) cm.

Schriftart(en): Kapitalis mit Elementen der frühhumanistischen Kapitalis (A-C, E), Kapitalis mit Minuskelbuchstaben vermischt (D).

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    O HOMO MEMEN/TO MORI IH(ESV)Sa)

  2. B

    SALVE · REGINA · MI/SERICORDIAE1) MA(RIA)

  3. C

    ANNO 1584

  4. D

    VAS hIL[FT] / Kertz · o[D]eR / BrILALS / ICK nit SIh/VN · WI[L]

  5. E

    [.......] / [...] REXIT / [.]PRE MIAb)

Übersetzung:

O Mensch, gedenke des Sterbens! Jesus. Sei gegrüßt, Königin der Barmherzigkeit! Maria.

Versmaß: Deutscher Reimvers (D).

Wappen:
Marienstift

Kommentar

Die Kapitalis der Inschriften (A) und (B) enthält Elemente der frühhumanistischen Kapitalis: Der Querbalken des H ist ausgebuchtet, N wird retrograd, A mit gebrochenem Querstrich verwendet. M hat schräge Hasten und einen kurzen Mittelteil, der Querbalken des L ist schräggestellt. Insgesamt erweckt die Schrift einen unruhigen, ungelenken Eindruck. Bei der Inschrift (D) handelt es sich um ein Sprichwort, das den Spruch Was hilft Kerze, was hilft Brill', wenn man doch nicht sehen will2) leicht abwandelt. Eine Deutung der Inschrift (E) kann nicht gegeben werden. Buchkremers Erklärung beider Inschriften als Aufzählung von Namen trifft sicher nicht zu.3)

Textkritischer Apparat

  1. Der Schrägstrich markiert die Unterbrechung durch die Darstellung des Totenschädels mit Sanduhr.
  2. Vielleicht Abkürzung für MISERICORDIA.

Anmerkungen

  1. Anfang der Marianischen Antiphon Salve Regina (Anal. Hymn. 50, 318 Nr. 245).
  2. Wander, II, Sp. 1254 Nr. 16.
  3. Buchkremer, Königsstuhl, S. 148 Anm.

Nachweise

  1. J. Buchkremer, Der Königsstuhl der Aachener Pfalzkapelle und seine Umgebung, ZAGV 21, 1899, S. 135–194 (148 Anm.) (nur A bis C).

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 114 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0011409.