Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 58† Dom, Oktogon 1416 oder wenig später

Beschreibung

Wandmalereien am Arkadenbogen zur Ungarischen Kapelle hin. Über dem Scheitel stehen in einem durch Wand und rautierten Fußboden angedeuteten Raum die Heiligen Stephan, Ladislaus und Emerich. Alle drei tragen Zepter und Reichsapfel, Stephan und Ladislaus eine Krone. Die Köpfe sind von Nimben umgeben. Sie werden von Wappen begleitet (Stephan: Neuungarn; Ladislaus: zwei rote Balken im silbernen Feld; Emerich: Altungarn). Beischriften (A) bis (C) neben ihren Köpfen. Zu beiden Seiten davon jeweils vier Vollwappen mit teilweise nur fragmentarisch erhaltenen Beischriften (D bis H). Vom rechten oberen Wappen an der linken Seite (Gara) winden sich die Enden eines verschlungenen weißen Bandes herab, auf das sechs Kreismedaillons mit Darstellungen aufgesetzt sind. Von diesen sind nur noch ein Wildschwein und zwei Ringe erkennbar. Die übrigen sieben Wappen sind identisch, die Lesung ihrer Beischriften mit Ausnahme der Inschrift (F) ist sehr unsicher. Die Wandmalereien wurden 1902 für das Denkmälerarchiv kopiert1), bevor sie durch die Marmorverkleidung verdeckt wurden.

Lesung nach Foto.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland [1/3]

  1. A

    s(anctus) · stephan(us) rex / hungarie ·

  2. B

    s(anctus) · ladislaus / rex hungarie

  3. C

    s(anctus) · emericus / dux sclav[oni]e

  4. D

    [..........] n[..] / b[....]e [..] · [....]

  5. E

    Nicolaus · de · [gar]a regnia) · u(n)garie · comes / palatin(us)

  6. F

    [...u]es · p[.]r· /[...ni]e · regie · /hungarie ·

  7. G

    [..........]nant de · per[..........]

  8. H

    fi[.a] / per[..........] ie ·

Wappen:
Neuungarn (Patriarchenkreuz)
Altungarn (drei rote Balken im silbernen Feld)2)
unbekannt (zwei rote Balken im silbernen Feld)
Gara (in dreifacher S-Form gewundene, gekrönte Schlange mit Reichsapfel im Maul; als Helmzier Krone im fächerartig ausgebreiteten Reiherbusch, besteckt mit einer rechteckigen Tafel mit dem Wappenbild)
Perényi (zwischen zwei Adlerkrallen mit aufwärts strebenden Federn wachsender Männerkopf mit langem, spitzem Kinnbart und geflochtenem Haarzopf; als Helmzier das Wappenbild)

Kommentar

Auftraggeber der Malerei waren wohl Mitglieder der Familien Gara und Perényi. Der Familie Perényi wurde das abgebildete Wappen Anfang des 15. Jh. von König Sigismund verliehen.3) Péter Perényi war Landesrichter (iudex curie), iudex ordinarius und Leiter eines der Reserveheere (1415–1423).4) Ein Emerich de Perényi ist zu Beginn des 15. Jh., aber nicht mehr nach 1418 als „secretarius cancellarius“ belegt.5) Nikolaus von Gara († 1433) bekleidete verschiedene wichtige Ämter im Königreich Ungarn. Wie sein gleichnamiger Vater und sein Sohn László hatte er (seit 1402) die Palatinswürde inne.6) Daneben übte er die Funktion eines Reichsvikars aus und war ebenfalls Richter (iudex ordinarius) und Leiter eines der Reserveheere.7) Als Gatte der Anna von Cilly war er zudem der Schwager König Sigismunds.8) Sowohl Nikolaus von Gara als auch Emerich von Perényi befanden sich unter den Mitgliedern der ungarischen Gesandtschaft bei der Königskrönung Sigismunds in Aachen im Jahre 1414.9) Für Nikolaus von Gara ist ein weiterer Aachenaufenthalt im November 1416 bezeugt.10) Da das Wappen des Nikolaus von Gara in der dargestellten Form auf eine Wappenbesserung durch Sigismund im März des Jahres 1416 zurückgeht11), ist dieser Besuch als der wahrscheinliche Zeitpunkt der Auftragsvergabe anzusehen. Vermutlich besuchten auch ein oder mehrere Mitglieder der Familie Perényi bei dieser Gelegenheit die Stadt.

Textkritischer Apparat

  1. Die Kopie zeigt über dem i einen Kürzungsstrich.

Anmerkungen

  1. Landschaftsverband Rheinland, Denkmälerarchiv Nr. 28936, 28937, 28938.
  2. Das Wappen findet erstmals zur Zeit König Emerichs (1196–1204) Verwendung (vgl. F. Gall. Österreichische Wappenkunde. Handbuch der Wappenwissenschaft, Wien/Köln 1977, S. 180). Seine Zuordnung zu Herzog Emerich († 1031) beruht vielleicht auf der Namensgleichheit.
  3. J. Siebmacher’s grosses und allgemeines Wappenbuch, Bd. IV, Abt. 15: Der Adel von Ungarn sammt den Nebenländern der St. Stephanskrone, bearb. v. Géza Cserghëo de N.-Tacskánd, T. 3 Nürnberg 1889–1890, S. 492.
  4. Decreta regni Hungariae. Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457, hrsg. v. F. Döry (Publ. des ungar. Staatsarchivs 2, Quellenpubl. 11), Budapest 1976, S. 399f.
  5. Ebd. S. 397.
  6. Ebd. S. 213, Anm. 3.
  7. Ebd. S. 399f. und 411.
  8. I. Nagy, Magyarország családai czimerekkel ès nemzedéki táblákkal (Ungarische Familien mit ihren Wappen und mit internationalen genealogischen Tafeln), Bd. 4, Pest 1858, S. 330. Vgl. ebd. S. 327–331 zur Genealogie der Familie.
  9. Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigismund. 1. Abt. 1410–1420, hrsg. v. D. Kerler (Deutsche Reichstagsakten [ältere Reihe] VII, hrsg. durch die histor. Commission bei der königl. Academie der Wissenschaften), München 1878, Nr. 170, S. 249.
  10. Ebd. Nr. 200, S. 311f.
  11. D. Radocsay, Gotische Wappenbilder auf ungarischen Adelsbriefen, Acta historiae artium. Academiae scientiarum hungaricae 5 (1959), S. 317–358 (352); Siebmacher, a. a. O., T. 2, S. 190.

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 58† (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0005806.