Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 25 Paris, Musée du Louvre1) 1160–1170

Beschreibung

Armreliquiar Karls d. Gr. Eichenholzkern, mit Silberblech, Bronzeguß und Grubenemail verkleidet. Die Seiten des kastenförmigen Reliquiars sind rundum durch flachbogige Arkaden unterteilt, deren Zwickel mit Grubenemail ausgefüllt sind. Unter den vorgesetzten Bögen sind in Flachrelief getriebene, beischriftlich bezeichnete Halbfiguren dargestellt. In der Mitte der vorderen Langseite die Hodegetria (D, E), zu ihren Seiten die Erzengel Michael und Gabriel. Unter den äußeren Arkaden die Stifter des Reliquiars, Friedrich Barbarossa und seine Gemahlin Beatrix. Auf der gegenüberliegenden Seite der segnende Christus, beidseitig flankiert von Petrus und Paulus. Den Abschluß der Seite bilden Herzog Friedrich von Schwaben und Konrad III. Letzterer wird – wie in seinen Diplomen und auf seinem Siegel – als „Conradus II. Romanorum rex“ bezeichnet, da Konrad I. noch nicht zu den römischen Königen gezählt wurde. Es liegt also kein Irrtum des Künstlers vor. Die beiden Kopfseiten zeigen mit Ludwig d. Fr. und Otto III. nichtstaufische Herrscher, die aber in engem Bezug zu Karl d. Gr. bzw. dessen Verehrung stehen. Die Figuren der Langseiten sind der jeweiligen zentralen Figur, also Jesus bzw. Maria, zugewandt. Über die Innenseite des flachen Klappdeckels erstreckt sich die Inschrift (A). Am Rand läuft eine Rahmenleiste mit Doppelschneckenornamenten um. Der Email- und Metallbeschlag der Außenseite ist ergänzt. Alle Inschriften sind in Treibarbeit ausgeführt. Der Armknochen, für dessen Aufbewahrung das Reliquiar angefertigt wurde, wurde 1165 bei der Erhebung Karls d. Gr. von den übrigen Gebeinen getrennt.

Maße: L. 54,8, B. 13,5, H. 14,0, Bu. 0,9 (A), 0,4 (B–O) cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

  1. A

    · BRACHIVM · S(AN)C(T)I (ET)a) · GLORIOSISSIMIb) · INPERATORISc) · KAROLI ·

  2. B

    FREDERIC(VS)d) · ROMANOR(VM) I(M)P(ER)ATOR · AVG(VSTVS)

  3. C

    S(AN)C(TV)S MICHAEL

  4. D

    S(AN)C(T)A · MARIA ·

  5. E

    (IESVS)e)

  6. F

    S(AN)C(TV)S GABRIEL ·

  7. G

    BEATRIX · ROMANOR(VM) I(M)P(ER)ATRIX · AVG(VS)TA

  8. H

    CONRAD(VS) ·I·If) · ROMANOR(VM) · REX

  9. I

    S(AN)C(TV)S PETRVS

  10. K

    (IESVS CHRISTVS)g)

  11. L

    S(AN)C(TV)S PAVL(VS)

  12. M

    FREDERIC(VS)d) DVX · SVAVORV(M)

  13. N

    LVDOVVIC(VS) I(M)PERATOR · PIV(S)

  14. O

    OTTO · MIRABILIA · MV(N)DI

Übersetzung:

Der Arm des heiligen und sehr ruhmreichen Kaisers Karl.

Kommentar

Die Schrift ist eine schlichte romanische Majuskel, die mit Ausnahme des unzialen M auf kapitale Formen zurückgreift. In Ludowicus ersetzen zwei aneinandergeschriebene V das verschränkte W, das zur Entstehungszeit des Reliquiars durchaus bereits in Inschriften Verwendung fand.2) Die ausgeprägte Sporenbildung läßt C und das kapitale E teilweise bereits geschlossen erscheinen, doch ist der Abschluß der Buchstaben wohl noch nicht beabsichtigt, sondern auf die Unschärfe der Konturen zurückzuführen, die sich bei getriebenen Inschriften mit sehr geringer Buchstabenhöhe besonders bemerkbar macht. Schriftgeschichtlich, stilistisch und ikonographisch steht das Armreliquiar den Siegeln und Bullen Friedrichs I. nahe. Die ausgeprägten Übereinstimmungen haben Déer dazu veranlaßt, den Künstler des Armreliquiars mit dem Siegelschneider Barbarossas, dem „aurifex G“, zu identifizieren, in dem er wiederum Godefroid de Huy erkennt.3) Auch Falke/Frauberger halten aus stilistischen Gründen Godefroid de Huy für den Meister des Armreliquiars. Sein Aufenthalt in Maastricht in den sechziger Jahren des 12. Jh. käme dann am ehesten für die Anfertigung des Reliquiars in Betracht.4)

Textkritischer Apparat

  1. Tachygraphisch.
  2. Erstes S des Doppelkonsonanten klein über der Zeile.
  3. Sic!
  4. FRIEDERICVS Grimme.
  5. IHC.
  6. Vgl. oben den Kommentar.
  7. IHC XPC.

Anmerkungen

  1. Inv.-Nr. D 712.
  2. Vgl. z. B. das Taufbecken des Reinerus von Huy (1107–1118).
  3. J. Déer, Die Siegel Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und Heinrichs VI. in der Kunst und Politik ihrer Zeit, FS Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag 1959, hrsg. v. E. Beer, P. Hofer, L. Monjan, Stuttgart 1961, S. 47–102.
  4. Falke/Frauberger, Schmelzarbeiten, S. 81.

Nachweise

  1. Grimme, Domschatz, Nr. 43 u. Tf. 50a-b.
  2. Ders., Das Armreliquiar Karls d. Gr., AKB 29, 1964, S. 68, 72, 76 u. Abb. S. 68–77.
  3. Zeit der Staufer I, S. 398f., II, Abb. 328.
  4. Schramm, Bilder, Abb. 205, 211.

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 25 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0002507.