Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 31: Aachen (Dom) (1992)

Nr. 11 Dom, Schatzkammer 3. Viertel 9. / Ende 10. Jh.

Die vorliegende Katalognummer weicht in ihrer Darstellung vom gedruckten Band ab.

Beschreibung

Vortragekreuz (sog. Lotharkreuz) in lateinischer Form mit kapitellartig verdickten Kreuzenden. Der erneuerte Holzkern ist auf der Vorderseite mit Goldplatten belegt, die mit zahlreichen Edelsteinen und Perlen besetzt sind. Im Kreuzmittelpunkt ein antiker Sardonyxkameo mit einer Darstellung des Kaisers Augustus; im unteren Teil des Kreuzstammes ein in Bergkristall geschnittener Siegelstempel des 9. Jh. mit einer Herrscherdarstellung im Profil und der umlaufenden, spiegelbildlichen Inschrift (A). Zwischen beiden eine in Amethyst geschnittene antike Gemme mit den drei Grazien und griechischer Umschrift.1) Auf der mit vergoldetem Silberblech belegten Rückseite eine Gravur Christi am Kreuz (Titulus B), über dessen Kopf Gottes Hand den Siegeskranz mit der Taube hält. An den seitlichen Kreuzenden Sol und Luna in Medaillons, am unteren Ende die Schlange. Das Kreuz ist auf einen Fuß des 14. Jh. montiert (vgl. Nr. 47). Die mehrfachen Restaurierungen haben die Inschriften nicht berührt.

Maße: H. 49,8, (ohne Fuß), B. 38,3, T. 2,3, Bu. 0,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

AWK NRW, Arbeitsstelle Inschriften [1/3]

  1. A

    + (CHRISTE)a) ADIVVA HLOTHARIVMb) REG(EM)

  2. B

    HIC EST (IESVS)c) NAZARENVS REX IVDEORVM2)

Übersetzung:

Christus, hilf dem König Lothar!

Kommentar

Eine Verwendung des Siegelstempels läßt sich anhand der überlieferten Quellen nicht nachweisen. Ein im Typus der Darstellung entsprechendes Siegel mit gleichlautender Umschrift ist jedoch für die Urkunden König Lothars II. von Lothringen (855–869) mehrfach belegt.3) Die Beziehung des Siegelstempels auf diesen Herrscher hat in der Forschung die Zuweisung an Lothar I. verdrängt.4) Die Funktion des Steines am Lotharkreuz wurde in letzter Zeit von Elbern5) und Jülich6) in der Darstellung eines zur Entstehungszeit des Kreuzes regierenden Herrschers Lothar als Stifter gesehen.7) Beide verweisen auf König Lothar III. von Frankreich (954–986) als möglichen Stifter, der im Kampf um Niederlothringen 978 Aachen einnahm.8) Zahlreiche Beispiele für Stifterdarstellungen am Kreuzstamm9) stützen nicht nur diese These, sondern widersprechen auch der Interpretation des Augustuskameos als – auf Otto III. bezogenes – Stifterbild im Kreuzzentrum.10) Stilistische und ikonographische Vergleiche, insbesondere mit dem Essener Ottokreuz (zwischen 973 und 982) und dem Kölner Gerokreuz (um 970), weisen zudem auf eine Entstehung des Kreuzes vor der Regierungszeit Ottos III. hin.11)

Textkritischer Apparat

  1. XPE.
  2. HLOTARIVM Grimme. So auch bei Jülich, Gemmenkreuze S. 204, der aber auf S. 160 die zutreffende Schreibweise überliefert.
  3. HIC statt IHC.

Anmerkungen

  1. ϵΥΧΑΡΙωΤΑC XΑΡΙΤΑC ΠΟΡΦΥΡΙC.
  2. Io. 19,19.
  3. O. Posse, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751 bis 1806, Bd. 1, Dresden 1909, S. 9 und Tf. 2,4; Schramm, Bilder, S. 164.
  4. Vgl. dazu Schramm/Mütherich, S. 125; Kornbluth, S. 55ff.
  5. Jahrtausend, Tf.-Bd., Nr. 303.
  6. Gemmenkreuze, S. 204.
  7. In einem solchen Zusammenhang wäre die Inschrift (A) nicht nur als Siegelumschrift und somit als Objekt der Sphragistik, sondern zugleich als Stifterinschrift zu verstehen.
  8. E. Boshof in: Rheinische Geschichte, hrsg. v. F. Petri u. G. Droege, Bd. I/3, Düsseldorf 1983, S. 21f.
  9. Vgl. Jülich, Gemmenkreuze, S. 204. U. Bergmann, Prior omnibus autor in: OE I, S. 117–148 (117).
  10. So verstanden von J. Déer (Das Kaiserbild im Kreuz, Schweizer Beiträge zur allg. Geschichte 13, 1955, S. 40–110), Schramm/Mütherich u. a. Zur Forschungsdiskussion vgl. Jülich, a. a. O., S. 202f.
  11. Elbern, a. a. O.; Jülich, a. a. O., S. 203. Eine Datierung um 1000 schlagen u. a. Kraus, KDM, Déer, Schramm/Mütherich und Grimme vor.

Nachweise

  1. Bock, Pfalzkapelle I, S. 35, 37 u. Fig. XV u. XVI.
  2. Kraus II Nr. 479.
  3. KDM 10,1, S. 197.
  4. Schramm, Bilder, S. 164 u. Abb. 28.
  5. Schramm/Mütherich, Denkmale, S. 155 Nr. 106.
  6. Grimme, Domschatz, Nr. 22 u. Tf. 15, Abb. S. 27.
  7. T. Jülich, Gemmenkreuze, AKB 54/55, 1986/87, S. 99–258 (160 u. 204).
  8. G. Kornbluth, The Seal of Lothar II.: Model and Copy, Francia 17/1, 1990, S. 55–68 (55 u. Fig. 1–2).

Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 11 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0001103.