Inschriftenkatalog: Aachen (Dom)
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 31: Aachen (Dom) (1992)
Nr. 2 Dom, Schatzkammer 7. Jh.?1)
Beschreibung
Reliquienhülle. Leinenstoff mit Aufschrift in schwarzer Tinte. Im Depot. Der rechteckige, helle Stoff ist heute auf Seide aufgenäht und auf Pappe gespannt.
Maße: H. ca. 70, B. ca. 57, Bu. 0,7–1,6 cm.
Schriftart(en): Unziale.
HIC EST ALIGOLA S(AN)C(T)[I] GAERMANI ETa) PALLIUSb) ET [.....]PIc) DE PARIUSd) CIUI[TATE]
Übersetzung:
Hier ist der Zipfelmantel des Hl. Germanus und das Pallium und ... des Bischofs der Stadt Paris.
Textkritischer Apparat
- es Kessel, Minkenberg. Kessel korrigiert seine Lesung zu ex.
- pallicis Kessel, Minkenberg.
- re[.. ep]ci Kessel, Minkenberg.
- Als Namensform belegt bei Graesse, Orbis latinus II, S. 432 „Lutetia Parisiorum“.
Anmerkungen
- Die Datierung beruht auf einer freundlichen Mitteilung von Herrn Prof. Bernhard Bischoff.
- ThlL I, Sp. 1558.
- Meuthen, Aachener Urkunden, Nr. 124, S. 351; Schiffers, Reliquienschatz, S. 82.
- Die Authentik ist auf ein Stück Stoff aufgenäht, das zusammen mit dem Handschuh aufbewahrt wird. Ihr vollständiger Text lautet: „caliga beati Germani Conf(essoris) parisien(sis) et alter pannus cuiusdam pretiosi martiris“.
Nachweise
- Kessel, Geschichtliche Mittheilungen, S. 143.
- Minkenberg, Textilien, S. 251 (nach Kessel).
Zitierhinweis:
DI 31, Aachen (Dom), Nr. 2 (Helga Giersiepen), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di031d001k0000204.
Kommentar
Der Text weist die typischen Verfallsmerkmale des vorkarolingischen Lateins auf. Die Schrift ist unregelmäßig und unsorgfältig ausgeführt, z. T. auch verlaufen. Sie stammt vielleicht von derselben Hand wie die ältere Martialinschrift (vgl. Nr. 3). Der Bauch des a ist in Form einer Schleife vor den Bogen gesetzt. Die Aufzählung mehrerer Stoffreliquien des Hl. Germanus läßt darauf schließen, daß es sich bei dem Stoff nicht um die Reliquie selbst, sondern um eine Reliquienhülle handelt.
Die alicula ist als ‚kurzer, leichter Überwurf, ... Zipfelmantel‘ bei verschiedenen antiken Autoren, nicht mehr jedoch für das frühe Mittelalter belegt.2) Auch Bock nennt sie nicht unter den liturgischen Gewändern. Die Aachener Reliquie des Hl. Germanus, bereits im sog. karolingischen Reliquienverzeichnis genannt, wird in einem Verzeichnis von 1239 als caligula sancti Germani spezifiziert.3) Heute befindet sich im Domschatz eine Handschuhreliquie des Heiligen, die auf einer Pergamentbeischrift des 13. Jh. als „caliga beati Germani Conf(essoris) parisiens(is)“ bezeichnet wird.4) Da die Verwendung des Wortes caliga für Handschuhe aber völlig unüblich ist, erklärt sie sich möglicherweise aus einer Verwechslung mit der Stoffreliquie, deren im 13. Jh. ungebräuchliche Bezeichnung als alicula in caligula abgeändert worden sein mag.