Inschrift im Fokus

Griechische/Byzantinische Inschriften und Objekte in der Onlinedatenbank der deutschen Inschriften

von Dominik Kertmann (M.A.)

Die Wenigsten würden wohl in einer digitalen Datenbank für deutsche Inschriften byzantinische oder allgemeiner griechische Inschriften oder Gegenstände erwarten. Doch befinden sich mehrere Objekte, die einen byzantinischen bzw. griechischen Bezug aufweisen, in der Sammlung der Deutschen Inschriften. Das Ziel dieser kleinen Abhandlung ist es einige dieser Objekte und die Gruppen, in welche sich die Gegenstände bzw. Inschriften einteilen lassen, vorzustellen.

1. Gruppe: Die byzantinischen Objekte

Die erste Gruppe umfasst jene Objekte, die ursprünglich aus dem Byzantinischen Reich stammen. Oftmals lässt sich die Art und Weise, wie ein einzelnes Objekt in den Westen Europas kam, nicht mehr genau rekonstruieren. Sowohl durch Händler als auch durch Pilger, die auf ihrem Weg ins Heilige Land nach Byzanz kamen, können einige byzantinische Objekte ihren Weg hierher gefunden haben.

Die Mehrzahl aber dürfte durch die Folgen des vierten Kreuzzuges ins damalige Heilige Römische Reich Deutscher Nation gekommen sein. Dieser Kreuzzug hatte ursprünglich das Ziel Ägypten zu erobern, doch durch verschiedene Umstände, auf die an dieser Stelle nicht genauer eingegangen werden kann, eroberten und plünderten Venezianer und Kreuzritter im Jahre 1204 das damals christliche Konstantinopel (heute Istanbul), welches die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches war. Durch diese Plünderung kam eine Vielzahl an orthodoxen Kirchenschätzen in den Westen.

Da besonders die Geistlichen, die am Kreuzzug teilnahmen, darauf aus waren die zahlreichen Reliquien Konstantinopels in ihren Besitz zu bringen, befinden sich die meisten Stücke dieser Kriegsbeute heute in Kirchen- und Domschätzen. So sind in der digitalen Datenbank alleine zehn Objekte zu finden, welche ursprünglich aus Byzanz stammen und sich heute im Halberstadter Dom befinden. Die Objekte sind alle einem kirchlichen Kontext zuzuordnen und die Inschriften darauf enthalten die Namen von Heiligen sowie Gebete oder Bibelzitate. So zeigt ein Kapselreliquiar aus dem 11. Jh. einen Frontal stehenden Heiligen, der mit der Inschrift „ὁ ἅ(γιος) δημήτριος (der Heilige Demetrios)“ versehen ist. Neben den Namen weiterer Heilige befindet sich auch eine kleine Inschrift auf dem Gefäß, in der dieses selbst spricht und seine Funktion erläutert: „οὐχ αἷμα μόνον ἀλλὰ κὲ μῦρον φέρω τάφος ὡ παρὼν μάρτυρος δημητρίου ῥῶσιν παρέχων τῦς πόθῳ εἰλεφόσιν (Nicht Blut alleine, sondern auch Myron trage ich, gegenwärtiges Grab des Märtyrers Demetrios, denen Kraft gebend, die es aus wahrem Verlangen hingenommen haben).“

Neben Reliquien gibt es auch Ikonen, welche zu anderen Zwecken verwendet und für diese verändert wurden, da die orthodoxe Bilderverehrung den lateinischen Christen fremd war. Zu diesen Objekten zählt ein Elfenbeinrelief aus dem Dom-Museum in Hildesheim, welches den byzantinischen Bildtypus der Deësis zeigt. In der Mitte ist Christus zu sehen, welcher von Maria und Johannes dem Täufer flankiert wird, die eine Fürbitte (gr. δέησις – Deësis) an ihn richten. Das Relief wurde mit einer lateinischen Inschrift versehen und in den Buchdeckel eines Evangeliars eingefügt. Neben der Gottesmutter sind auf der linken Seite die griechischen Buchstaben Theta und Ypsilon und auf der rechten die Buchstaben My und Rho zu erkennen. Diese Inschrift steht vermutlich für μήτηρ θεοῦ, was übersetzt „Gottesmutter“ bedeutet.

2. Gruppe: Griechisch in Inschriften aus der Renaissance und dem Humanismus

Im ausgehenden Mittelalter erwachte in Westeuropa mit der zunehmenden Begeisterung für die Antike auch das Interesse an der griechischen Sprache und Kultur. Zwar war die Kenntnis der griechischen Sprache im lateinischen Westen seit der Antike beinahe vollständig verloren gegangen,doch förderten die Anwesenheit der Kreuzfahrer im griechischsprachigen Raum seit dem vierten Kreuzzug und die zunehmende Macht der Osmanen, einen Austausch zwischen dem lateinischen Westen und dem griechisch/byzantinischen Osten. Zahlreiche byzantinische Gelehrte, wie der spätere Kardinal Bessarion, brachten Wissen und Texte nach Italien, von wo aus sich die Renaissance in ganz Westeuropa verbreitete.

Die Inschriften in der Digitalen Datenbank zeigen uns, dass es in Gelehrtenkreisen als etwas besonders galt Griechisch zu können. Zwar gibt es kein Objekt in dieser Gruppe, dessen Inschrift vollständig auf Griechisch verfasst ist, doch wurden immer wieder griechische Phrasen oder Zeilen in überwiegend lateinischen Inschriften eingefügt. Ein Beispiel hierfür ist eine Tafelmalerei im ehemaligen Franziskanerinnen-Kloster in Boppard, welche von Johannes Flaming in Auftrag gegeben wurde. Die Anrede dieser ansonsten lateinischen Inschrift ist auf Griechisch verfasst. „χαῖρε πατέρ, summi Regis doctissime [...] (Sei gegrüßt Vater, [...])“. Ein weiteres Beispiel ist das Epitaph des Pfarrers Georg Geier in der evangelischen Kirche in Rothenberg von 1589. Das sog. Memento Mori der Inschrift ist ins Griechische übertragen und lautet: „θανεῖν μέμνησο θνητός ὤν ὧ βροτέ(ιος) (Erinnere dich des Sterbens, oh Sterblicher, da du sterblich bist).” In der digitalen Datenbank der deutschen Inschriften befinden sich zur Zeit mindestens acht Inschriften aus der Zeit der Renaissance, die einen griechischen Text enthalten. Ihre Funktion war es allen Betrachtern die hohe Bildung des Auftraggebers zu veranschaulichen.

Obwohl die Kenntnisse des Griechischen im Mittelalter in Westeuropa sehr bescheiden waren, lassen sich doch schon aus dieser Zeit die ersten Exemplare dieser Gruppe finden. So zum Beispiel ein Grabgedicht aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, welches uns nur durch eine Handschrift überliefert ist. Von dem einstigen Grab ist nichts mehr vorhanden. Hier lassen sich, wie auch bei den Renaissanceinschriften einzelne griechische Wörter entdecken, die in den lateinischen Text integriert sind. Diese sind „τάφος (Grab, Bestattungsritual)” und „ἀρετῆς σπουδαία satelles (der Tugend eifrige Begleiterin)”. Das Wort „τάφος” ist auch in der Grabinschrift des Abtes Gregor in Aachen zu finden, welche um das Jahr 1000 entstand. Doch anders als bei dem Grabgedicht steht das Wort hier in lateinischen Lettern: „Continet iste taphos peregrini membra sepulti [...].“

Im Kontext der zweiten Gruppe sollte nicht verschwiegen werden, dass bei einer Inschrift aus dieser Gruppe in der gedruckten Version der Deutschen Inschriften im fünfundachtzigsten Band ein Fehler zu finden ist. Das Objekt mit der Nummer 260 besitzt eine griechische Inschrift, welche wie folgt angegeben wird:

„Οὐ θανόν, ἀλλὰ βίον, προλιπὼν κακόν, ε͂υ͑ ρην ἀμείνω
  Ζῇ τε ἁμαρτοσυνῶν ἀντα Θεοῦ καθαρός.

(Nicht den Tod, sondern ein besseres Leben fand ich, nachdem ich das Übel verlassen hatte, und ich lebe rein von Sünden vor Gott.)”

Dabei weist der Autor darauf hin, dass ε͂υ͑ ρην aus ε͂υ͑ ρον und Ζῇ aus Ζῶ emendiert wurde. Doch steht in den Werken des Olearius, welche die Inschrift überliefern, eindeutig ε͂υ͑ ρον und Ζῶ. Darüber hinaus stimmt die emendierte Form nicht mit der Übersetzung überein, da es sich bei εὗρην um einen Infinitiv handelt und bei Ζῇ um die zweite oder dritte Person Singular und nicht mehr um die erste Person, was bedeuten würde, dass die Bestimmung der Person für den gesamten Satz alleine von Ζῇ abhängt und dann nicht mehr mit der ersten Person übersetzt werden kann. Daher muss die Emendierung bei diesen zwei Worten gestrichen werden und die Betonung bei ε͂υ͑ ρον von Epsilon auf Ypsilon gesetzt wird, wo sie klassischerweise gesetzt wird, so dass der ganze Satz nach der Korrektur weiterer kleiner Akzentfehler wie folgt lautet:

„Οὐ θανόν, ἀλλά βίον, προλιπὼν κακόν, εὗρον ἀμείνω
  Ζῶ τε ἁμαρτοσυνῶν ἄντα Θεοῦ καθαρός.”

3. Gruppe: Byzantinisierende Objekte

Die dritte und letzte Gruppe umfasst Kunstobjekte, die zwar im Westen angefertigt wurden, aber byzantinische Kunstmotive enthalten. Ein Beispiel für diese Gruppe ist ein Schrank im Dom zu Halberstadt aus dem Mittelalter, dessen Türen auf der Innenseite eine Darstellung der Heiligen Katharina und der Heiligen Kunigunde besitzen. Beide Frauen sind in byzantinische Kaisertracht gekleidet, was vermutlich alleine den Wünschen des Auftraggebers zu verdanken ist und nicht im Hinblick auf die geographische Herkunft der beiden Heiligen entstanden ist. Sollte es sich bei der Heiligen Katharina um Katharina von Alexandria handeln wäre ein Bezug zwar denkbar, allerdings stammte die Heilige Kunigunde aus dem heutigen Luxemburg, was diese Möglichkeit ausschließt. Das Objekt besitzt, wie alle byzantinisierenden Objekte, keine griechische Inschrift.

4. Fazit

Obwohl die Objekte mit einem griechischen/byzantinischen Bezug im Hinblick auf die große Zahl der deutschen Inschriften nur eine kleine Gruppe bilden, konnte doch gezeigt werden, dass es unterschiedliche Objekte dieser Art gibt. Man findet Objekte, die direkt aus dem Byzantinischen Reich stammen, Inschriften aus der Zeit der Renaissance, die die Bildung ihres Verfassers verdeutlichen sollen, und Objekte, die byzantinische Kunstelemente versuchen nachzuahmen. Daher veranschaulichen die griechischen Inschriften in der Datenbank der Deutschen Inschriften Online das Verhältnis der Menschen im heutigen Deutschland mit dem Byzantinischen Reich bzw. der griechischen/byzantinischen Kultur und Sprache über einen längeren Zeitraum hinweg.

Literaturtipps

  • Crowley, Roger: Venedig erobert die Welt. Die Dogen-Republik zwischen Macht und Intrige. Stuttgart 2011.
  • Lilie, Ralph-Johannes: Byzanz und die Kreuzzüge. Stuttgart 2004.
  • Monfasani, John: Byzantine Scholars in Renaissance Italy. Cardinal Bessarion and other emigrés. Aldershot 1995.