Der epigraphische Tipp

Folge 6: Was ist ein „Titulus“?

In der allgemeinen mittellateinischen Literatur steht Titulus für eine Aufschrift oder Inschrift auf Dingen aller Art, die ihren Träger nennt, erläutert oder sonst zu ihm Stellung nimmt. Tituli sind aus dem Mittelalter in großer Zahl erhalten und finden sich auf Bildwerken, Bildern und Miniaturen, Gebäuden und ihren Teilen, verschiedenem Hausrat, Gewändern, lit. Werken und Grabmälern. Im Bereich der Kunstgeschichte der frühchristlichen Ikonographie sind von den vielfältigen Bedeutungen des lat. Begriffs vor allem die (Namens-)Aufschriften wichtig.
Ein Beispiel ist der sogenannte titulus crucis, den Pontius Pilatus dem Evangelisten Johannes zufolge (Joh 19,19-22) am Kreuzes Christi anbringen ließ. Die Initialen INRI stehen für Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum, zu deutsch: Jesus von Nazareth, König der Juden.

Quelle: Bernt, G.; Engemann, J.: s.v. Titulus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, Sp. 815f

Nachfolgend eine Beispiel aus dem Inschriftenbestand der Stadt Braunschweig. Im Städtischen Museum sind drei Glasfenster aus St. Katharinen mit einer Kreuzigungsdarstellung in der Mitte aufbewahrt. Das Kreuz ist mit dem titulus crucis versehen:

DI 56: Stadt Braunschweig II (2001)

Nr. 469 Städtisches Museum

Beschreibung

Drei Glasfenster aus St. Katharinen.1) Im mittleren Fenster eine Darstellung der Kreuzigung unter einem Rundbogen, unter dem Kreuz Maria und Johannes, am Fuß des Kreuzes die Schädelstätte Golgatha. Am Kreuz der Titulus A, unterhalb der Kreuzigungsdarstellung auf dem Sockel die Jahreszahl B. Im linken Fenster die Darstellung der ehernen Schlange, im rechten Fenster Abrahams Opfer.

Maße: Bu.: 8 cm (A), 15 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    · I(ESUS) · N(AZARENUS) · R(EX) · I(UDAEORUM) · 2)

  2. B

    1553

Kommentar

In den Rechnungen der Katharinenkirche aus dem Jahr 1553 sind auch Ausgaben für die Anfertigung neuer Fenster verzeichnet.3)

Anmerkungen

  1. Inv. Nr. 11/1/78–80 (Cac 54–56).
  2. Io. 19,19.
  3. Sta Braunschweig, F I 4, Nr. 51, fol. 10v/11r. Vgl. dazu a. Schwarz, Fensterstiftungen, S. 118, Anm. 94.

Nachweise

  1. Abb.: Spieß, Geschichte, Bd. 1, S. 232/233.

Zitierhinweis:
DI 56, Stadt Braunschweig II, Nr. 469 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di056g009k0046901.