Der epigraphische Tipp

Folge 12: Was ist ein „Totenschild“?

Totenschilde sind geschnitzte und/oder bemalte, meist runde, an der Wand aufgehängte Holzschilde mit Vollwappen und Grabinschrift. Der Totenschild kann auch auf eine Wand gemalt sein. Für einige Totenschilde kann die Anbringung über einem Grabdenkmal nachgewiesen werden, was jedoch nicht allgemein angenommen wird. 

Nachfolgend ein Beispiel aus der kath. Kirche St. Cyriakus in Duderstadt im Landkreis Göttingen:

DI 66: Lkr. Göttingen (2006)

Nr. 66 Duderstadt, kath. Kirche St. Cyriakus

Beschreibung

Totenschild des Hermann von Rode mit Schriftband. Holz, farbig gefaßt. Der bemalte Wappenschild und das zugehörige Schriftband mit zweizeilig in schwarzer Farbe mit roter Initiale auf weißem Grund aufgemalter Inschrift waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch an einem Pfeiler gegenüber dem Taufstein im südlichen Seitenschiff angebracht.1) Zum Zeitpunkt der Bearbeitung wurden der Schild und das Schriftband auf dem Dachboden der Propstei aufbewahrt. Er gehört zu einer Gruppe von vier offenbar gleichzeitig angefertigten Totenschilden (Nr. 67, 68, 69), die alle dieselbe Gestaltung und Ausführung der Inschriften aufweisen.

Maße: H.: 69 cm; B.: 63 cm (Wappenschild). H.: 15,5 cm; B.: 88 cm (Schriftband). Bu.: 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

  1. Anno · d(omi)ni · m · cccc · lxxxiiii · obÿt · her/man(us) · de · rode · i(n) u(i)g(il)iaa) · natus · Ch(risti)b) 2)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1484 starb Hermann von Rode am Vorabend der Geburt Christi.

Wappen:
Rode3)

Kommentar

Die Worttrenner in Form von zwei übereinandergesetzten Quadrangeln mit je vier Zierhäkchen.

Der aus einer Duderstädter Ratsfamilie stammende Hermann von Rode, Sohn des 1449 gestorbenen Ratsherrn Herwich von Rode (vgl. Nr. 68), fungierte in der Zeit von 1467/8 bis 1480/1 als Bürgermeister der Stadt4) und wohnte in dem von seinen Eltern ererbten Haus an der Marktstraße.5) Der für ihn gesetzte Totenschild trägt das jüngste Todesdatum in der Reihe der vier oben genannten Totenschilde für Mitglieder der Familien von dem Hagen und von Rode. Da Hermann von Rode mit einer Adelheid von dem Hagen verheiratet war, ist anzunehmen, daß die Ehefrau oder die Kinder nach seinem Tod die Schilde zum Andenken an die Mitglieder der beiden durch Heirat verbundenen Familien setzten.6) Dies ergibt jedoch nur dann einen Sinn, wenn es sich bei den beiden Totenschilden für die schon länger Verstorbenen aus der Familie von dem Hagen um Vater und Großvater der Adelheid von dem Hagen handelt (vgl. Nr. 69).7) Hermann von Rode und Adelheid von dem Hagen besaßen ein Haus im zum Kleinen Viertel gehörenden Teil der Marktstraße.8)

Textkritischer Apparat

  1. Das g wohl falsch restauriert, ohne Unterlänge, a klein über dem Worttrenner. Nori a. Wolf, noi (?) Mithoff. Das Ende der Inschrift ist in der Überlieferung allgemein als unsicher zu lesen bezeichnet. Die Angabe bei Kaufholz, Hausbuch, Teil 1, S. 250, Hermann von Rode sei um den 1. Juli 1484 in St. Cyriakus begraben worden, beruht wohl auf einer falschen Lesung des Sterbedatums.
  2. x.

Anmerkungen

  1. Abb. bei Jaeger, Cyriakuskirche, S. 18, Abb. 15.
  2. 24. Dezember.
  3. Wappen Rode (Sparren, darüber zwei, darunter eine Muschel). Vgl. Meyermann, Hausmarken, S. 68f. u. Tafel 18, Nr. 420.
  4. StA Duderstadt, AB 46, fol. 98r, und in den folgenden Annalen, AB 54, fol. 124r (letzte Nennung).
  5. Kaufholz, Hausbuch, Teil 1 (Kleines Viertel), S. 250.
  6. Ebd. Die Annahme von Kaufholz, daß Hermann von Rode nach der Ehe mit Adelheid von dem Hagen noch in zweiter Ehe mit einer Frau aus der Familie Aemilii verheiratet war, beruht lediglich auf einer Erbsache und ist nicht nachzuweisen. Die Setzung der vier Totenschilde für die Mitglieder der Familien Rode und von dem Hagen anläßlich des Todes des Hermann von Rode spricht entweder dafür, daß es sich bei der in den 1489/90 wiedereinsetzenden Schoßlisten (Lücke ab 1483/4) genannten Relicta Hermann Rode noch um Adelheid von dem Hagen handelte, oder dafür, daß die Kinder aus der ersten Ehe die Schilde zur Erinnerung an Eltern und Großeltern setzen ließen. Die in den Schoßlisten genannte Witwe des Hermann von Rode starb im Jahr 1499/1500, da für das folgende Jahr ihre Erben im Schoßumgang verzeichnet sind.
  7. Nach Kaufholz, Hausbuch, Teil 3 (Stubenviertel), S. 306, wäre Adelheid von dem Hagen, die in erster Ehe mit Herwig Hemering und in zweiter Ehe mit Hermann von Rode verheiratet war, identisch mit der gleichnamigen Tochter des Giseler von dem Hagen gewesen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß sowohl Giseler von dem Hagen als auch Heinrich von dem Hagen eine Tochter namens Adelheid hatten, zumal die Mutter Heinrichs von dem Hagen ebenfalls den Vornamen Adelheid trug (Kaufholz, Hausbuch, Teil 2 (Pfarrviertel), S. 12).
  8. Kaufholz, Hausbuch, Teil 1 (Kleines Viertel), S. 250, ordnet die Schoßeinträge der alten Hausnr. 446 (Marktstr. 87) zu.

Nachweise

  1. UB Duderstadt, Nr. 485, S. 303.
  2. Wolf, Geschichte, S. 260.
  3. Mithoff, Kunstdenkmale, S. 27.
  4. Engelhard, Cyriacuskirche, S. 30.

Zitierhinweis:
DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 66 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0006609.