Die Inschriften der Stadt Stralsund

1. Vorbemerkungen und Benutzungshinweise

Der vorliegende Band enthält die kommentierte Edition der Inschriften der Hansestadt Stralsund bis zum Jahr 1650. Stralsund war bis zu der 2011 im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern durchgeführten Gebietsreform kreisfrei, seitdem gehört die Stadt zum Landkreis Vorpommern-Rügen.1) Vollständigkeit des Inschriftenkatalogs war zwar angestrebt, künftige Funde in der älteren archivalischen Überlieferung oder in Stralsund selbst sind jedoch nicht ausgeschlossen. Neufunde werden auf der Website ‚Deutsche Inschriften online‘ (www.inschriften.net) veröffentlicht.

Die Aufnahme und Anordnung der Inschriften sowie die Anlage der einzelnen Artikel folgt den Richtlinien der Reihe ‚Die Deutschen Inschriften‘. Bearbeitet wurden daher sowohl im Original erhaltene als auch nur noch in Abschriften oder Abbildungen überlieferte Texte. Als Kriterium für die Aufnahme einer Inschrift in diesen Band gilt das Provenienzprinzip: Berücksichtigt wurden nur solche Stücke, für die einigermaßen sicher nachweisbar war, dass sie sich im Bearbeitungszeitraum in Stralsund befanden. Nicht aufgenommen wurden ferner Objekte, die Gegenstand der Siegel- und Münzkunde sind oder die, wie beispielsweise Beckenschlägerschalen, Ofenkacheln und Textilien mit gewebten Inschriften, aus serieller Fertigung stammen. Kleinfragmente, die lediglich drei oder weniger Buchstaben sicher erkennen ließen, wurden für diesen Band nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht bearbeitet wurden Inschriften, die erst durch Archäologen oder Restauratoren hätten aufbereitet, rekonstruiert und dadurch für die epigrafische Bearbeitung verfügbar gemacht werden müssen, wie z. B. lose Bruchstücke von Tongefäßen oder nur mithilfe technischer Hilfsmittel lesbare Schriftbandreste in Wandmalereien.2)

Auf 454 Inschriftenträgern finden sich knapp 1200 Inschriften, wobei etwas mehr als 200 Grabplatten bzw. Grabplattenfragmente, Grabfliesen, Gruftplatten und Grabsteine mit insgesamt etwa 500 Inschriften die größte Gruppe des hier bearbeiteten Materials darstellen. Steine, die lediglich eine Nummerierung in arabischen Ziffern (ergänzt ggf. durch ein bildhaftes Besitzzeichen der jeweiligen Kirche oder einen einzelnen Kapitalis-Buchstaben) aufweisen, wurden nicht aufgenommen.

Die Fußböden der Stralsunder Kirchen weisen insgesamt nahezu 600 undatierte, teilweise stark abgetretene Inschriften(-fragmente) auf Grab- und Gruftplatten sowie Namensinitialen auf Grabfliesen auf. Um diese große Materialfülle unter Berücksichtigung der für das Inschriftenprojekt relevanten Erfassungsgrenze 1650 bewältigen zu können, wurden die folgenden Bearbeitungskriterien entwickelt:

Namensinitialen bestehend aus zwei oder drei Buchstaben, z. B. auf Grabfliesen, ohne weitere verwertbare Zusätze wie Jahreszahlen, identifizierbare Marken, Wappen oder auch Schriftcharakteristika, die einzeln oder gemeinsam eine Entstehung bis 1650 wahrscheinlich machen, wurden nicht berücksichtigt. Wenn allerdings ein Stein weitere ältere Inschriften(-Reste) trägt, wurden auch die Namensinitialen ediert. Ließ sich eine Grabfliese dem Eigentümer einer wahrscheinlich vor 1651 beschrifteten Grabplatte zuordnen, wird bzw. werden auch die zu dieser Grabplatte gehörigen Fliese(n) im entsprechenden Katalogartikel behandelt.

Nicht datierte, also ohne Jahresangabe erhaltene Inschriften wurden auf der Basis datierter Inschriften einem paläografischen Vergleich unterzogen und ausgesondert, wenn eine Entstehung nach 1650 plausibel erschien.

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Im Hinblick auf die Objekte im Stralsund Museum (bis Herbst 2015 Kulturhistorisches Museum, ursprünglich Provinzialmuseum für Neuvorpommern und Rügen) kann die vollständige Erfassung nicht garantiert werden, da der Bearbeiterin möglicherweise nicht alle Inschriftenträger zur Kenntnis gelangt sind. Mehrere Objekte Stralsunder Provenienz, die in Zwischendepots des Landesamts für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern verwahrt werden, waren im Rahmen des Inschriftenprojekts nicht zugänglich. In diesen Fällen erfolgten die Beschreibungen und Texteditionen auf der Basis der Literatur.

Der Katalogteil

Ein Katalogartikel fasst alle Inschriften eines Objekts zusammen. Die Artikel sind chronologisch angeordnet. Die Entstehungszeit undatierter Inschriften wurde möglichst eng eingegrenzt; sie sind jeweils an das Ende des ermittelten Zeitraums gestellt. Die Katalogartikel sind untergliedert in Kopfzeile, Beschreibung, Editionsteil mit Wiedergabe des Inschriftentextes, ggf. eine Übersetzung und eine Wappenzeile, den Sachkommentar und den Anmerkungsapparat.

Die Kopfzeile enthält die laufende Katalog-Nummer (Kat.-Nr.), die Bezeichnung des Standortes und die Datierung(en) der Inschrift(en). Bei erhaltenen Inschriften ist der aktuelle, bei verlorenen der letzte nachweisbare Standort genannt.

Ein Kreuz neben der laufenden Nummer kennzeichnet Inschriftenträger, deren Original verloren ist.
(†) Ein Kreuz in Klammern steht, wenn 1. der Inschriftenträger zwar vorhanden, die Inschrift als ganze jedoch nicht original überliefert ist. Zu dieser Kategorie gehören vor allem erneuerte gemalte Inschriften. Ein Kreuz in Klammern steht auch, wenn 2. der Träger eines Inschriftenensembles verloren, aber ein Teil der Inschrift(en) im Original vorhanden ist; oder 3. wenn ein erheblicher Teil der Inschriften eines erhaltenen Trägers nur kopial, d. h. abschriftlich oder fotografisch überliefert ist.
†? Ein Kreuz mit Fragezeichen steht bei abschriftlich oder im Bild überlieferten Inschriften, deren Original möglicherweise noch erhalten ist, aber nicht zugänglich war und folglich nicht nach Autopsie wiedergegeben werden kann.
1465? Ein Fragezeichen bezeichnet eine zweifelhafte Datierung.

Die Beschreibung enthält Angaben zur Ausführung des Inschriftenträgers und der Inschrift(en), zu bekannten Erneuerungsmaßnahmen, ggf. zu früheren Standorten und Verlustumständen. Mehrere Inschriften auf einem Objekt werden mit A, B, C etc. bezeichnet. Ließ sich keine zuverlässige Textfassung einer Inschrift erstellen, wurden in Einzelfällen auch zwei Versionen als Aa und Ab etc. ediert. Die Beschreibung erfolgt in aller Regel vom Blickpunkt des Betrachters aus; nur für die Wappenbeschreibungen wird entsprechend den Regeln der heraldischen Fachsprache umgekehrt verfahren. Hausmarken werden dann, wenn sie von einem Wappenschild umgeben sind, als Wappen behandelt, auch wenn die Stralsunder Gepflogenheiten nicht erkennen lassen, dass einer Hausmarke im Wappenschild eine höhere Wertigkeit zukam als einer Hausmarke ohne Schild. Fehlt hingegen ein Wappenschild, wird eine Marke als Hausmarke bezeichnet; unabhängig vom Überlieferungszusammenhang sind alle Hausmarken im Verzeichnis „Meisterzeichen und Hausmarken“ wiedergegeben. Die Standortangaben zur Lage der Seitenschiffsjoche und Seitenkapellen in den Kirchen, zum Beispiel „dritte Kapelle im südlichen Seitenschiff“, erfolgen von Westen nach Osten voranschreitend. Für im Original erhaltene Inschriften werden, wenn möglich, die Maße des Inschriftenträgers, die Buchstabenhöhe und die Schriftart angegeben. Dies gilt nicht für Grabplatten-Nummerierungen. Sind Inschriften ganz oder teilweise kopial überliefert, ist die Quelle, nach der zitiert oder ergänzt wird, genannt.

Für die in der Nikolaikirche liegenden und aufrecht angebrachten Grabplatten, Grabfliesen und Gruftplatten wurde ein Kirchengrundriss angefertigt, der die Lage der Steine maßstabsgerecht [Druckseite 11] dokumentiert. In den Beschreibungen wird auf die jeweilige Plattennummer in diesem Kirchengrundriss verwiesen.

Im Editionsteil werden alle auf einem Objekt angebrachten Inschriften in chronologischer Folge wiedergegeben, auch solche, die aus der Zeit nach 1650 stammen. Maßgeblich für die Einordnung eines Objekts in den Katalog ist die jeweils älteste noch lesbare Inschrift. Einen Überblick über alle edierten Inschriften unabhängig vom Inschriftenträger verschafft eine chronologische Liste im Anhang an den Katalog. Grabplatten-Nummerierungen werden grundsätzlich ans Ende des Editionsteils gesetzt. Versinschriften sind versweise abgesetzt, auch wenn die Inschrift am Original fortlaufend erscheint. Bei abschriftlich oder fotografisch überlieferten Inschriften ist die für die Edition maßgebliche Quelle genannt.

Vor einzelnen verlorenen Inschriften steht ein Kreuz.
[ ] Eckige Klammern markieren Textverlust bei einer original überlieferten Inschrift und schließen die Ergänzungen der Bearbeiter ein.
[...] Punkte in eckigen Klammern bezeichnen Textverlust, der nicht ergänzt werden kann. Lässt sich die Länge des verlorenen Textes feststellen, markiert ein Punkt jeweils einen ausgefallenen Buchstaben.
[ - - - ] Lässt sich die Länge des verlorenen Textes nicht feststellen, stehen drei durch Spatien getrennte Striche.
( ) Runde Klammern schließen aufgelöste Abkürzungen ein. Bei der Auflösung der Abkürzungen ist AE- oder E-Schreibung je nach Usus der Inschrift eingesetzt, ebenso U und V. Wenn die Inschrift keine Anhaltspunkte gibt, wird nach klassischem Gebrauch verfahren. Punkte auf der Grundlinie oder hochgestellte Punkte werden nach Abkürzungen nur dann beibehalten, wenn die Inschrift durchgehend mit Worttrennern versehen ist. Abkürzungen von Bibelstellenangaben innerhalb einer Inschrift werden nicht aufgelöst, ebenso wenig S für SANCTUS, SANCTA oder deutsche Entsprechungen, wenn keine sprachlich eindeutige Auflösung möglich ist.
〈 〉 Spitze Klammern bezeichnen spätere Nachträge auf einem Inschriftenträger oder schließen für Nachträge freigelassene Stellen ein.
/ Ein Schrägstrich markiert das Zeilenende.
// Doppelte Schrägstriche markieren den Wechsel des Inschriftenfeldes oder die Unterbrechung der Zeile.
AE Unterstreichung bezeichnet eine Ligatur von zwei oder mehreren Buchstaben.

Einer lateinischen, niederdeutschen oder auch hebräischen Inschrift schließt sich die Übersetzung an. Runde Klammern bezeichnen Zusätze, die dem Textverständnis dienen, aber keine wörtliche Entsprechung im Ausgangstext haben. Niederdeutsche Inschriften auf Grabplatten werden nur dann übersetzt, wenn sie Aussagen enthalten, die über das übliche Grabinschriftenformular wie ‚Dieser Stein (und Begräbnis) gehört ...‘ hinausgehen.

Bei metrischen Inschriften wird im Anschluss an die Übersetzung das Versmaß und ggf. die Reimform genannt.

Die Wappenzeile verzeichnet die im Zusammenhang mit den Inschriften überlieferten Wappen. Diese werden so wiedergegeben, wie es ihrer Anordnung auf dem Inschriftenträger entspricht. Nicht identifizierte Wappen werden in Ziffernanmerkungen blasoniert, alle identifizierten Wappen werden im Reg. 3a beschrieben und nachgewiesen.

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Der Kommentar enthält Erläuterungen zu verschiedenen mit den Inschriften oder dem Inschriftenträger zusammenhängenden Fragen. Diese können sich auf Besonderheiten der Schrift, der Sprache oder des Inhalts der Inschriften beziehen, historische und biografische Angaben bieten sowie Probleme der Datierung diskutieren. Die biografischen Informationen zu den bis 1650 inschriftlich genannten Personen wurden mit dem vorrangigen Ziel zusammengestellt, diese Personen ständisch-sozial und im Hinblick auf ihre geografische Herkunft in das Gefüge der Stadt einzuordnen. Diese Angaben erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Das Stadtarchiv Stralsund ist seit Oktober 2012 geschlossen, die meisten Archivbestände sind seitdem nur sehr eingeschränkt benutzbar. Um die inschriftlich genannten Personen identifizieren zu können, wurden biografische Angaben in publizierten Quellenwerken soweit möglich ergänzt durch die Internet-Recherchemöglichkeiten ‚Ariadne‘ des Archivverbunds Mecklenburg-Vorpommern (http://ariadne.uni-greifswald.de), die Online-Datenbank des Stadtarchivs Stralsund (recherche.stralsund.de) und das im Stadtarchiv benutzbare General-Register. Unentbehrliche Informationsquellen waren auch die im Stadtarchiv handschriftlich überlieferten, mittlerweile in der Digitalen Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern (http://ub-goobi-pr2.ub.uni-greifswald.de/viewer) verfügbaren genealogischen Studien von Johann Albert Dinnies zu den Stralsunder Ratsfamilien.

Der Apparat gliedert sich in Buchstaben- und Ziffernanmerkungen sowie Nachweise der kopialen Überlieferung.

Die Buchstabenanmerkungen beziehen sich auf textkritische Probleme der Inschriften. Sie enthalten abweichende Lesarten der Parallelüberlieferung, soweit diese bedeutungstragend sind, und weisen auf orthografische Besonderheiten oder fehlerhafte Stellen hin.

Die Ziffernanmerkungen enthalten inhaltliche Erläuterungen und Literaturhinweise.

Die am Schluss eines Katalogartikels angeführten Quellenangaben stellen in chronologischer Folge die wichtigsten kopialen Überlieferungen und Abbildungen zusammen.

Zitationshinweis:

DI 102, Stralsund, Einleitung, 1. Vorbemerkungen und Benutzungshinweise (Christine Magin), in: inschriften.net, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0238-di102g018e009.

  1. Die Inschriften des Altkreises (d. h. der Insel) Rügen wurden bereits im Rahmen der bis 2002 an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelten Arbeitsstelle von Joachim Zdrenka erfasst und 2002 als Bd. 55 der Reihe ‚Die Deutschen Inschriften‘ publiziert. »
  2. Zu einzelnen nicht aufgenommenen Inschriften siehe unten, Kap. 8»