Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II

2. Kurzer Historischer Überblick10)

Das den ehemaligen Landkreis Simmern und den nordwestlichen Teil des ehemaligen Landkreises St. Goar umfassende Bearbeitungsgebiet liegt zentral im Hunsrück, trotz vermehrter Industrieansiedlungen der letzten Jahre immer noch geprägt durch großen Waldreichtum und weite, landwirtschaftlich genutzte Hochflächen, die von zum Teil tief eingeschnittenen Bachtälern durchzogen werden. Im Süden grenzt das Gebiet an die bewaldeten Bergrücken des Soonwaldes, im Westen an das steil abfallende Mittelrheintal und im Norden an den Unterlauf der Mosel, ohne jedoch Anteil an deren Tallandschaften zu haben.

Mit den Grabfunden in der Gegend um Bell (bei Kastellaun) und Pleizenhausen (bei Simmern) lassen sich im 7. Jahrhundert vor Christus die Anfänge der allmählichen Besiedlung des Hunsrücks erkennen, die in römischer Zeit einen immensen Aufschwung erfahren haben. Zur militärischen Sicherung und zur wirtschaftlichen Erschliessung der neu eroberten Gebiete in Gallien legten die Römer im keltisch-treverischen Hinterland11) in Kombination mit Einzelhöfen oder Hofgruppen („aedificia“, „villae rusticae“) und dorfartigen Straßensiedlungen („vici“) ein dicht verzweigtes Netz kleinerer und größerer Wege und Straßen12) an. Ausgehend von Trier über „Belginum“ (bei Hinzerath, Lkrs. Bernkastel-Wittlich), [Druckseite 15] Kirchberg und Simmern nach Bingen und Mainz bzw. an den Mittelrhein und die Mosel verband es nahezu alle heutigen größeren Orte des Bearbeitungsgebietes. Für die nachrömische Zeit liegt mit dem in das 6. bzw. in die 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts zu datierenden Fragment eines Grabsteines aus dem heutigen Kirchberg (Nr. 1) das älteste bislang bekannte – allerdings auch einzige – reale Zeugnis für frühes christliches Leben auf dem Hunsrück vor. Daher ist es wohl kein Zufall, dass eines der wenigen nachweisbaren mittelalterlichen Zentren des Hunsrücks eben der aus dem römischen „vicus Dumnissus“ hervorgegangene, das umliegende Reichsgut verwaltende Königshof Denzen bei Kirchberg war, den Kaiser Otto III. im Jahr 995 seinem Getreuen Bezelin, Gaugraf im Trechirgau, geschenkt hatte. Dennoch blieb das letztlich unwirtliche Waldgebiet des Hunsrücks in früh- und hochmittelalterlicher Zeit dünn besiedelt, ganz im Gegensatz zu dem westlich angrenzenden, ungleich bedeutenderen Mittelrheingebiet. Erst mit der im Bereich einer schon vorhandenen Burg erfolgten Gründung des Kanonikerstiftes Ravengiersburg im Jahr 1074 durch Graf Berthold (vgl. Nr. 54), der als Nachkomme des erwähnten Bezelin einen großen Teil der Besitzungen des ehemaligen Königshofes dafür stiftete, änderte sich langsam das Bild. Die wenigen erhaltenen frühen inschriftlichen Zeugnisse aus dem 12. Jahrhundert (vgl. Nrn. 2 und 3) vermitteln einen kleinen Eindruck von der zentralen Bedeutung dieses Klosters13) für die gesamte Region. Beherrscht von den hochadeligen Geschlechtern der von den salischen Emichonen abstammenden Wildgrafen, der Raugrafen und der Grafen von Veldenz, hatten dort auch geistliche Institutionen wie etwa die Trierer Abtei St. Maximin und später das Erzstift Trier Gerichts-, Patronats- oder Zehntrechte und auch einzelne Besitzungen inne, bei denen es sich in der Regel um Gehöfte, Weiler oder kleine Dörfer gehandelt haben dürfte. Inschriftliche Spuren haben sich in diesen Dörfern bis in die Neuzeit hinein nahezu ausschließlich auf Glocken erhalten. Die frühesten Exemplare aus der 2. Hälfte des 13. und dem Anfang des 14. Jahrhunderts finden sich noch heute in den Kirchtürmen zu Mannebach (aus Beltheim), Raversbeuren, Büchenbeuren, Mannebach und Bell (vgl. Nrn. 4 bis 8).

Erst im Verlauf des 14. und frühen 15. Jahrhunderts gelang es den im Nahegebiet beheimateten Grafen von Sponheim14) aus Streubesitz nach und nach einigermaßen geschlossene Territorien auf dem Hunsrück zu bilden. Auch wenn die Grafschaft Sponheim bereits Mitte des 13. Jahrhunderts in eine “Hintere Grafschaft“ mit Besitzungen im Hochwald und an der Mosel sowie in eine „Vordere Grafschaft“ mit Besitzungen an der Nahe, im Soonwald und im Hunsrück geteilt worden war, blieb sie dennoch für die Geschichte der Region bestimmend. Weitere Teilungen der „Vorderen Grafschaft“ führten zu temporären Teilgrafschaften mit Sitzen in Böckelheim und Kreuznach an der Nahe sowie in Kastellaun auf dem Hunsrück, wo seit 1301 Graf Simon II. mit seiner Frau Lisa von Valkenburg residierte. Obwohl sich die damalige gemeinsame Familiengrablege der Grafen von Sponheim aus der „Vorderen Grafschaft“ im Augustiner-Chorherrenstift Pfaffen-Schwabenheim befand15), zeigen die Maßnahmen des genannten Ehepaars – Erhebung Kastellauns zur Stadt, Ausbau der Burg zur Residenz, Errichtung einer Grablege (vgl. Nrn. 10 und 11) – zumindest den Willen, in Kastellaun dauerhaft eine eigene Linie zu begründen.

Mit dem Aussterben der Kreuznacher Linie der Grafen von Sponheim im Jahr 1417 sowie der Starkenburger Linie im Jahr 1437 trat eine komplizierte Erbschaftsregelung in Kraft16), [Druckseite 16] die das territoriale Gesicht des Hunsrücks bis ins 18. Jahrhundert hinein prägen sollte. Da die gesamte Grafschaft Sponheim sowohl nach dem Willen des Erblassers als auch nach den erbrechtlichen Bestimmungen als einheitliche ungeteilte Größe bestehen bleiben sollte, waren die zunächst an Kurpfalz und Sponheim-Starkenburg gehenden Anteile (1/5 zu 4/5) von vornherein gemeinschaftlich zu verwalten. Nach dem Aussterben der Starkenburger Linie kamen die verwandten Grafen von Veldenz(-Geroldseck) und die Markgrafen von Baden; nach dem Erlöschen der Veldenzer dann auch die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken bzw. von Pfalz-Simmern in den Besitz unterschiedlichster Rechte und Anteile, die ebenso als Kondominium zu verwalten waren. Anfang des 16. Jahrhunderts besaßen Kurpfalz 1/5, Pfalz-Simmern und Baden jeweils 2/5 an der ehemaligen Vorderen Grafschaft Sponheim. Die gemeinsame Verwaltung erfolgte durch gleichberechtigte herrschaftliche Oberbeamte, zunächst durch für die Rechtspflege zuständige Amtmänner und für die Wirtschaftsangelegenheiten zuständige Landschreiber, dann durch Oberamtmänner, Landschreiber und Truchsesse. Bestattet wurden diese fürstlichen Beamte in der Regel in den Kirchen der jeweiligen Amtssitze wie Kastellaun (vgl. Kap. 2.1.2), Kirchberg (vgl. Kap. 2.1.3) und Simmern (vgl. Kap. 2.1.5). Erst im Jahr 1707 wurde die Gemeinschaft aufgehoben und das gesamte Territorium zwischen Kurpfalz und Baden aufgeteilt.

Ausgehend von ihren Zentren Burg Stahleck bei Bacharach sowie der Burg Stromburg und dem Amt Rheinböllen im Hunsrück, hatten wie die Grafen von Sponheim auch die Pfalzgrafen bei Rhein17) damit begonnen, ihren Streubesitz auf dem Hunsrück zu kleinen, territorial geschlossenen Amtsbezirken auszubauen. Die entscheidende Wende kam mit der großen Teilung des Jahres 1410, in der König Ruprecht von der Pfalz testamentarisch alle Besitzungen des pfälzischen Kurstaates seinen Söhnen hinterlassen hatte. Dadurch bildeten sich – neben der Hauptlinie (der sogenannten alten Kurlinie) in Heidelberg – eigene Nebenlinien aus, darunter seit 1459 unter Friedrich I. auch die Linie der Herzöge von Pfalz-Simmern mit Sitz in Simmern. Durch käufliche Erwerbungen und nicht zuletzt durch die erwähnten sponheimisch-veldenzischen Erbschaftsanteile erreichte das Fürstentum in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ein kleines, aber verhältnismäßig geschlossenes Territorium auf dem Hunsrück mit der Residenzstadt Simmern als Zentrum. Während dort noch unter Herzog Friedrich I. mit dem Bau eines neuen Schlosses begonnen wurde, ließ sein Sohn Johann I. neben einem Rathaus auch eine neue Kirche (vgl. Nr. 49) errichten, die der herzoglichen Familie bis zu ihrem Aussterben Ende des 16. Jahrhunderts als Schlosskirche und Grablege diente (vgl. Kap. 2.1.5). Als dessen Sohn Herzog Friedrich II. von Pfalz-Simmern nach dem Tode des pfälzischen Kurfürsten Ott-Heinrich die Kurwürde erhielt und fortan als Friedrich III. in Heidelberg residierte, blieb Simmern dennoch als eigenständiges Fürstentum erhalten und wurde erst nach dem Tode seines Bruders Herzog Reichard im Jahr 1598 (vgl. Nr. 109) mit der Kurpfalz vereinigt. Im Jahr 1610 kam es zu einer Erneuerung Simmerns als eigenständiges Fürstentum, als Kurfürst Friedrich IV. seinen zweiten Sohn Ludwig-Philipp damit ausstattete. Nachdem dessen Sohn Ludwig Heinrich im Jahr 1673 (vgl. Nr. 183) kinderlos verstorben war, war auch die jüngere Linie der Herzöge von Pfalz-Simmern erloschen und das Fürstentum fiel nun bis zum Ende des Alten Reiches endgültig an Kurpfalz zurück.

Angesichts der Dominanz des pfalzgräflichen und in zweiter Linie auch des markgräflich badischen Hauses auf dem Hunsrück ist es verständlich, dass sich lediglich am Rande dieses Territoriums einige wenige Reichsritter mit geschlossenen Gütern behaupten konnten. Dazu gehörten die Schenk von Schmidtburg mit Sitz und Grablege in Gemünden (vgl. [Druckseite 17] Kap. 2.1.1), die Boos von Waldeck mit Sitz auf Burg Waldeck und Grablege in Mannebach (vgl. Nr. 179) und die Waldbott von Bassenheim mit Sitz in Sevenich (vgl. Nr. 128).

Von der kirchlichen Organisation her gesehen18) gehörte das Bearbeitungsgebiet zu den Erzbistümern Trier und Mainz, wobei sich die Bistumsgrenze quer über den Hunsrück erstreckte und sich mehr oder weniger genau an der Wasserscheide zwischen den zur Mosel, zum Rhein und zur Nahe fließenden Bächen orientierte. Während der nördliche Teil dem Trierer Archidiakonat Karden unterstellt war, gehörte der südliche Teil zum Landkapitel Kirn im Archidiakonat des Dompropstes von Mainz. Zentren der beginnenden Pfarrorganisation im Nordosten waren ein von Boppard abhängiger Pfarrbezirk um Pfalzfeld und Laudert, im Nordwesten das Gebiet um Beltheim, das von dem bereits in frühchristlicher Zeit bedeutenden Karden an der Mosel aus betreut wurde, sowie die benachbarte Großpfarrei Bell mit dem zugehörigen Kastellaun. Für den Süden des Bearbeitungsgebietes waren die Großpfarreien Simmern und Kirchberg bestimmend, in deren Grenzen sich auch die einzigen beiden Klöster befanden: Das schon erwähnte Augustiner-Chorherrenstift Ravengiersburg sowie das 1196 gegründete und 1574 als Zisterzienserinnenkloster endgültig aufgelöste Kumbd19), von dem sich bedauerlicherweise weder nennenswerte bauliche Reste noch irgendwelche inschriftlichen Zeugnisse erhalten haben20). Während im pfälzischen Einflussbereich des Bearbeitungsgebietes mit dem Regierungsantritt Herzog Friedrichs II. von Pfalz-Simmern 1557 die Reformation endgültig eingeführt wurde21), verblieben die badisch kontrollierten Territorien katholisch.

Nach der Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich im Jahr 1801 kam es zur Bildung des Départements Rhin-et-Moselle mit den Arrondissements Koblenz, Bonn und Simmern. Da in den 1815 verabschiedeten Beschlüssen des Wiener Kongresses die Gebiete zwischen Rhein, Mosel und Nahe dem Königreich Preußen zugeschlagen worden waren, wurden 1816 auch in der späteren preußischen Rheinprovinz Landkreise gebildet, wobei das Kerngebiet der Hunsrückhochfläche mit den ehemaligen Kantonen Kastellaun, Kirchberg und Simmern zum Landkreis Simmern zusammengefasst wurde. Wie oben erwähnt, wurde 1968 im Zuge der damaligen rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform aus großen Teilen der aufgelösten Kreise St. Goar und Simmern der heutige Rhein-Hunsrück-Kreis geschaffen.

2.1 Beschreibung und Geschichte der wichtigsten Standorte

Die folgenden Kapitel dienen lediglich als Überblick über die oft kompliziert verlaufene Geschichte der einzelnen Standorte und sollen in erster Linie deren Zusammenhang mit den im Katalogteil edierten Inschriften veranschaulichen.

2.1.1 Gemünden, evangelische Pfarrkirche22)

Die ursprünglich romanische, Mitte des 15. Jahrhunderts in spätgotischen Formen veränderte Kirche wurde 1905/06 nach einem teilweisen Einsturz niedergelegt und unter Einbeziehung älterer Teile als neugotische Hallenkirche neu erbaut; erhalten geblieben sind der [Druckseite 18] romanische Unterbau des Nordturms sowie der um ein Joch verkürzte spätgotische Chor. Von der mittelalterlichen Ausstattung der 1317 erstmals urkundlich erwähnten Kirche ist bis auf ein verschollenes Messgewand (Nr. 56) nichts bekannt. Der Chor der Kirche diente von 1538 bis 1655 als Grablege der meist in kurtrierischen Diensten stehenden Schenken von Schmidtburg, die 1514 das ehemals sponheimische, dann von Kurpfalz und Pfalz-Simmern gemeinsam verwaltete „Schloß und Thal Gemünden uff dem Hunsrücken“ zunächst pfandweise erwerben und schließlich 1560 in eine reichsunmittelbare Herrschaft umwandeln konnten. Erhalten haben sich (zum Teil stark restaurierte) Grabdenkmäler von vier aufeinanderfolgenden Generationen katholischer, dann evangelischer und wieder katholisch gewordener Familienmitglieder: Grabplatte und zugehöriges Epitaph des 1538 verstorbenen Fritz Schenk von Schmidtburg (Nrn. 73 und 74), das Epitaph seines Sohnes Niklas und dessen Frau Elisabeth von Schwarzenberg (Nr. 125), das Epitaph von deren Sohn Friedrich und dessen Frau Magdalena von Dienheim (Nr. 118) sowie das Kenotaph für deren Sohn Hans Heinrich und seiner beiden Frauen Christina Vogt von Hunolstein und Ursula von Brambach (Nr. 142). Hinzukommen noch Grabplatten von zwei 1623 verstorbenen Kindern der Familie (Nrn. 154 und 156) sowie ein verschollenes Kindergrabdenkmal von 1655 (Nr. 169). An Ausstattungsgegenständen der jüngeren Kirche haben sich ein 1628 gestifteter Kelch (Nr. 158) und eine 1686 neu gegossene Glocke (Nr. 196) erhalten; ein erst 1901 fragmentarisch aufgefundener Taufstein (Nr. 161) ist inzwischen ebenfalls verschollen.

Da zahlreiche Brände die Gebäude des mittelalterlichen „Fleckens“ weitgehend vernichtet haben, entspricht das heutige Ortsbild dem teilweise im 17. und vornehmlich im 18. Jahrhundert errichteten Bestand. Dennoch haben sich mit einem aus dem ehemaligen badischen Zollhaus stammenden Holzbalken mit der Jahreszahl 1587 (Nr. 116) und einer Bauinschrift von 1671 (Nr. 181) erstaunlich wenige inschriftliche Zeugen der älteren Zeit erhalten.

2.1.2 Kastellaun, evangelische Pfarrkirche23)

Die heutige Kirche wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der Nordwestecke der mittelalterlichen Stadt als dreischiffiges Langhaus mit zweijochigem Chor errichtet, der offensichtlich als Grablege für die ab 1301 auf der Burg Kastellaun residierenden Grafen von Sponheim vorgesehen war. Tatsächlich diente die Kirche lediglich dem 1336/37 verstorbenen Stifter Graf Simon II. von Sponheim, seiner Frau Elisabeth von Valkenburg und ihrem jung verstorbenen Sohn Simon (Nrn. 10 und 11) als Begräbnisstätte, da deren Sohn und Nachfolger Graf Walram nach nur wenigen Jahren Kastellaun als Residenz wieder aufgab. Kastellaun wurde Sitz des gleichnamigen vordersponheimischen Amtes, das im Verlauf des 15. Jahrhunderts durch Erbfall in den Gemeinbesitz der Markgrafen von Baden und der Herzöge von Pfalz-Simmern bzw. der Kurpfalz geriet. Mit dem hervorragend gearbeiteten Epitaph für den 1538 verstorbenen Amtmann Karl Beuser von Ingelheim (Nr. 73) hat sich wenigstens ein Grabdenkmal eines Beamten aus dieser Zeit erhalten. Von der sonstigen Ausstattung der Kirche aus dem Zeitraum vor der 1557 durch Herzog Friedrich II. von Pfalz-Simmern durchgeführten Reformation sind außer zwei anepigraphen Glasmalereifragmenten24) nur noch eine Ende 15./Anfang 16. Jahrhunderts angefertigte Taufschale mit der Darstellung des Sündenfalls (Nr. 62) vorhanden, sowie eine heute in der katholischen Pfarrkirche zu Kastellaun verwahrte Kasel, die den Beginn eines Marienhymnus und figürliche Szenen aus der Passion Christi (Nr. 63) aufweist. Zudem befinden sich zwei 1480 gegossene Glocken (Nrn. 40 und [Druckseite 19] 41) des gut bekannten Gießers Tilmann von Hachenburg in dem zu dieser Zeit fertiggestellten und in die Stadtbefestigung einbezogenen freistehenden Glockenturm.

Aus nachreformatorischer Zeit haben sich eine ansehnliche Reihe hochwertiger Grabdenkmäler von Mitgliedern vordersponheimischer Beamtenfamilien erhalten: Grabplatte und Epitaph für die 1569 verstorbene Barbara Coppensteiner (Nrn. 94 und 95), die mit dem bedeutenden Schultheißen Franz Römer (Nr. 129) verheiratet war; Epitaph der 1570 verschiedenen Agnes (Nr. 97), Tochter des herzoglichen Regierungsrates Philipp Cratz von Scharfenstein, Grabplatte (Nr. 138) und Epitaph (Nr. 150) des 1610 verstorbenen Gerichtsschöffen und Schwanenwirts Christoph Viel und seiner vielköpfigen Familie sowie Grabplatte und Epitaph des exilierten und 1612 durch einen Leistenbruch ums Leben gekommenen landgräflich-hessischen Zollbeamten Gabriel Eschenfelder (Nrn. 139 und 140). Seitens der evangelischen Pfarrerschaft hat sich mit dem Grab: vnd Ehrengedächtnusz für den evangelischen Pfarrer und Inspektor der Hinteren Grafschaft Sponheim, Jeremias Heiderich Orth, und seiner Frau Anna Elisabeth Weis (Nr. 177) auch ein Grabdenkmal dieser Personengruppe erhalten, das allerdings erst 1666, knapp dreißig nach deren Tod, im Auftrag der damals noch lebenden Kinder angefertigt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch noch die 1684 neu angefertigte und mit Bibelzitaten versehene Kanzel (Nr. 194) erwähnenswert.

Nachdem sich im Verlauf des 17. Jahrhunderts um die auf der Kastellauner Burg zeitweise residierenden Markgrafen von Baden und ihre Höflinge eine kleine katholische Gemeinde gebildet hatte, kam es nach einigen vergeblichen Anläufen zum Bau einer katholischen Pfarrkirche vor den Mauern der Stadt, die 1672 eingeweiht wurde. Neben Graffiti auf einer ehemaligen Altarmensa (Nr. 178) und zahlreichen Grabplatten des 18. Jahrhunderts25) finden sich dort immerhin das translozierte Grab- bzw. Memorialkreuz des 1630 ermordeten Georg Klemens Krabadt (Nr. 160) sowie ein kleines Grabdenkmal für den 1675 verstorbenen Leutnant Peter Becker (Nr. 184).

Aufgrund der Zerstörungen des Jahres 1689 haben sich in Kastellaun – wie auch in anderen Hunsrück-Orten – mit nur einer erhaltenen Jahreszahl (Nr. 180) an der ehemaligen Badischen Amtskellerei kaum inschriftliche Zeugnisse für die Bautätigkeit der frühen Neuzeit erhalten.

2.1.3 Kirchberg, katholische Pfarrkirche St. Michael26)

Die heutige spätgotische Hallenkirche mit älterem Westturm wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert anstelle einer dreischiffigen romanischen Pfeilerbasilika neu errichtet, die ihrerseits – wie die 1967/68 durchgeführten archäologischen Grabungen ergeben haben – bereits zwei Vorgängerbauten aus spät- bzw. frühkarolingischer Zeit abgelöst hatte. Zeitlich noch früher ist das erste inschriftliche Zeugnis Kirchbergs anzusetzen, ein frühchristlicher Grabstein (Nr. 1), der allerdings nicht an ursprünglicher Stelle, sondern als Spolie in der spätkarolingischen Kirche aufgefunden wurde. Mit Sicherheit bildet der Stein den ersten inschriftlichen Beleg für frühes Christentum auf dem Hunsrück, wenn auch die Frage seiner möglichen Herkunft aus einer unbekannten Vorgängerkirche oder einem fränkischen Gräberfeld offen bleibt. Eine wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandene Bauinschrift (Nr. 126), die sich ehemals an der Südwand des Chors befunden hatte, überliefert in deutschen Reimen das Jahr 1280 als fiktives Erbauungsdatum der heutigen Kirche und verknüpft dies mit reichshistorisch-genealogischen Nachrichten. Da sich von der Ausstattung [Druckseite 20] der beiden späteren mittelalterlichen Kirchen nichts erhalten hat, kommt der bislang unbeachteten, aus dem 3. Viertel des 14. Jahrhunderts stammenden Glocke mit ihrer deutschsprachigen Inschrift (Nr. 15) eine besondere Bedeutung zu. Gleiches gilt für die bislang ebenfalls unbeachtete Grabplatte des 1439 verstorbenen Kirchberger Pfarrers Johannes (von) Robur (Nr. 25), die ihr Überleben lediglich der Zweitverwendung als Altarplatte des barocken Hochaltars verdankt.

Kirchberg war Verwaltungsort des gleichnamigen vordersponheimischen Amtes und diente daher als Sitz einiger Adelsfamilien, darunter auch den von den Grafen von Sponheim abstammenden, seit Anfang des 15. Jahrhunderts in Kirchberg nachweisbaren Herren von Koppenstein. Einige dieser Verwaltungsbeamten fanden ihre letzte Ruhe in der Pfarrkirche St. Michael, so der 1407 verstorbene Meinhard I. von Koppenstein (Nr. 19) und seine Frau Katharina (Nr. 22) sowie die 1491 verstorbenen Johann Braun von Schmidtburg und dessen Frau Bärbel Mohr vom Wald (Nr. 52). Ende des 16. Jahrhundert wählte ein sich damals in Kirchberg etablierender Zweig der Herren von Koppenstein den Chor von St. Michael zu seinem Erbbegräbnis, der später sogenannten HOCHFREYHERLICHEN VON KOPPENSTEINISCHEN KRUFFT (Nr. 200), in der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche Mitglieder der Familie bestattet wurden. Von deren Grabdenkmälern haben sich einige – wenn auch oft fragmentarisch – erhalten, wie etwa die Epitaphien der beiden im Kindesalter verstorbenen Hans Wilhelm (Nr. 106) und Anna Juliana von Koppenstein (Nr. 136) sowie das Epitaph des Speyrer Domizellars Georg Wilhelm von Koppenstein (Nr. 195); andere sind dagegen nur abschriftlich überliefert. In der seit 1557 protestantisch gewordenen Kirche wurden ansonsten Angehörige der höheren Beamtenschaft bestattet, die im Dienste von Kurpfalz, Pfalz-Simmern oder der Markgrafschaft Baden das von den „Dreiherren“ gemeinsam regierte Amt Kirchberg verwalteten. So finden wir neben anderen etwa mit der 1577 verstorbenen Katharina von Hosingen (Nr. 101) die Schwiegermutter des markgräflich badischen Truchsessen Johann von Eich, mit dem 1603 verschiedenen Daniel von Eich (Nr. 132) seinen Sohn und Amtmann des Unteramtes Koppenstein, mit Niklas Schlabart (Nr. 110) den Schwiegersohn des ebenfalls in St. Michael bestatteten Kirchberger Schultheißen Hans Flad (Nr. 120), mit dem Epitaph für den 1675 verstorbenen Johann den Sohn des badischen Truchsesses und kurpfälzischen Amtmannes Johann Christian Sagitter (Nr. 185) sowie mit Balthasar Reltz (Nr. 135) und Hans Balthasar Rültz (Nr. 170) Mitglieder des Stadtrates.

Trotz der Zerstörung der sich heute noch im Ortsbild abzeichnenden mittelalterlichen Befestigung durch französische Truppen im Jahr 1689 haben sich sich einige Adelshöfe und Bürgerhäuser des 16. und 17. Jahrhunderts erhalten, die aber nur vereinzelt inschriftlich bezeichnet sind (Nrn. 102 und 137).

2.1.4 Ravengiersburg, katholische Pfarrkirche St. Christophorus (ehem. Augustiner-Chorherrenstift)27)

Die beherrschend auf einem Schieferfelsen über dem Simmerbachtal liegende, einzige erhaltene mittelalterliche Klosteranlage des Hunsrücks bietet in ihrem heutigen Zustand ein heterogenes Bild. Weder von der namensgebenden „Rabengeresburc“ des 10. Jahrhunderts noch von der 1074 durch eine Stiftung belegten Kapelle/Kirche konnten – trotz der archäologischen Ausgrabungen im Jahre 1966 – aussagekräftige Baubefunde nachgewiesen werden. Von der im Verlauf des 12. Jahrhunderts an gleicher Stelle errichteten, vermutlich dreischiffigen Augustiner-Chorherrenkirche mit Kreuzgang und zweitürmigem Westbau sind nach [Druckseite 21] einem Großbrand im Jahre 1440 lediglich die beiden mehrgeschossigen Westtürme erhalten geblieben. Verschont blieb auch ein im mittleren Abschnitt des ersten Obergeschosses der Westfassade eingefügtes Relief mit der Darstellung der Majestas Domini, das von einer hexametrisch gereimten Spruchinschrift gerahmt wird (Nr. 2), die sich direkt an die Gläubigen wendet und ihnen den Weg zur Vergebung ihrer Sünden eröffnen soll. Aus der gleichen Zeit hat sich der Prachteinband einer heute in der Vatikanischen Bibliothek in Rom verwahrten liturgischen Handschrift (Nr. 3) erhalten, der sowohl halbfigürliche anthropomorphe Evangelistensymbole mit Namensbändern als auch runde Emails mit namentlich bezeichneten Personifikationen zweier Paradiesflüsse aufweist. Von den beiden mittelalterlichen Glocken der Jahre 1324 (Nr. 9) und 1431 (Nr. 23) ist noch die jüngere, von der sogenannten Trierer Hexameter-Werkstatt gegossene Gocke vorhanden. Das Kloster diente üblicherweise als Begräbnisplatz für die Stiftsherren: Nur mehr kopial überliefert sind die Grabinschriften für den 1363 verstorbenen Propst Philipp I. von Koppenstein (Nr. 14) sowie für die im 15. Jahrhundert verstorbenen Kanoniker Johannes (Nr. 24) und Philipp III. von Koppenstein (Nr. 38). Lediglich in Fragmenten erhalten hat sich die bislang unbekannte Grabplatte des 1528 verschiedenen Priors Sebastian von Engers (Nr. 69). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wählten die im benachbarten Simmern residierenden Herzöge von Pfalz-Simmern das Kloster Ravengiersburg als Grablege28), die allerdings bereits nach einer Generation von der in Simmern neu erbauten Schlosskirche abgelöst wurde. Der nach dem Brand des Jahres 1440 errichtete Neubau eines einschiffigen Langhauses und des zugehörigen Kreuzganges ist durch mehrere Bauzahlen aus den Jahren 1468 und 1487 (Nr. 33) in Kirche und Kreuzgang sowie durch eine 1497 entstandene Inschrift gut bezeugt. Diese ungewöhnliche Memorialinschrift (Nr. 54) verbindet die Erinnerung an die oben erwähnte Stiftung von 1074 des Grafen Berthold und seiner Frau Hadewig mit dem Totengedenken an die in einer Gruft des Klosters begrabenen Wohltäter. An ehemaliger Ausstattung sind zudem ein 1487 fertiggestelltes Sakramenthäuschen (Nr. 50) und Fragmente einer spätgotischen Kasel (Nr. 59) überliefert.

Nach zunächst vergeblichen Reformationsversuchen unter Herzog Friedrich II. von Pfalz-Simmern wurde das Stift gegen den Willen der Kanoniker 1566 endgültig aufgehoben, dann als Hofgut genutzt und diente zeitweise als Witwensitz der Herzoginnen von Pfalz-Simmern bzw. als Sitz des jeweiligen herzoglichen Wirtschaftsverwalters. Dass die Kirche weiterhin in Gebrauch war, zeigen die Grabplatte der 1621 verstorbenen Christina (Nr. 152), Frau des damaligen Schaffners Michael Sinter, und ein 1680 angeschafftes Glöckchen (Nr. 190) im Dachreiter über dem Chor.

2.1.5 Simmern, evangelische Stephanskirche (ehem. Schlosskirche)29)

Die Erbauung der heutigen spätgotischen Hallenkirche mit langgestrecktem Chor und südlich anschließender Grabkapelle im Jahr 1486 durch Herzog Johann I. von Pfalz-Simmern anstelle einer kleineren romanischen Vorgängerkirche ist durch eine archivalisch überlieferte Bauinschrift (Nr. 49) gut bezeugt. Die seitdem als Grablege der in Simmern residierenden, seit 1557 reformierten Herzöge von Pfalz-Simmern und ihrer Beamten dienende Kirche wurde im Jahr 1587 mit einem Treppentürmchen (Nr. 117) versehen, das den Zugang zur Fürstenloge im Obergeschoss der Sakristei eröffnete. Als späte Folge des 1689 durchgeführten [Druckseite 22] Simultaneums wurde 1706 eine den Chor und das Langhaus trennende Mauer errichtet, die erst 1845 wieder entfernt wurde. Bis dahin war das Langhaus dem evangelischen, der Chor dem katholischen Gottesdienst vorbehalten, wobei die ehemalige herzogliche Grabkapelle den Katholiken als Sakristei diente.

Die in den Winkel zwischen Chor und Langhaus eingefügte Grabkapelle, die damalige St. Annakapelle, war sowohl für die Aufnahme der Särge der Fürstenfamilie in der darin befindlichen Gruft bestimmt, als auch für die Aufstellung ihrer meist monumentalen Epitaphien. Als erste Vertreter der Herrscherfamilie erhielten der 1509 verstorbene Herzog Johann I. von Pfalz-Simmern und seine 1521 verstorbene Frau Gräfin Johanna von Nassau-Saarbrücken lebensgroße figürliche Epitaphien, die ihr einziger überlebender Sohn Herzog Johann II. von Pfalz-Simmern bei namhaften Bildhauern in Auftrag gegeben hatte. Er tat dies allerdings aus bislang nicht geklärten Gründen erst lange nach deren Tod: 1522 entstand das Grabdenkmal für den Vater (Nr. 66) und erst 1554 das für die Mutter (Nr. 84). Johann II. selbst hatte 1557 – kurz vor seinem Tode – testamentarisch verfügt, dass für ihn und seine bereits 1535 verstorbene erste Frau Markgräfin Beatrix von Baden ein gemeinsames figürliches Grabdenkmal (Nr. 87) errichtet werden solle, für seine zweite Frau Gräfin Maria Jacobea von Öttingen hingegen ein eigenes (Nr. 88). Während der Sarg Johanns II. verschollen ist, hat sich wenigstens die einst daran befestigte bleierne Sargtafel (Nr. 85) erhalten, ebenso sein heute in der Chorapsis hängender hölzerner Totenschild (Nr. 86). Eine weitere Bleitafel (Nr. 80) vom Sarg der bereits 1553 verstorbenen Pfalzgräfin Alberta von Pfalz-Simmern, der Enkelin Johanns II., ist ebenso noch vorhanden wie ihr bemerkenswertes Epitaph (Nr. 81), das nicht in der Grabkapelle, sondern vielmehr an der Wand zwischen Chorbogen und Eingang zur Grabkapelle angebracht worden war. Herzog Reichard von Pfalz-Simmern folgte seinem 1569 verstorbenen Bruder Georg – von dem aus noch ungeklärten Gründen weder Inschrift noch Grabdenkmal überliefert sind – in der Regierung des Herzogtums nach und verheiratete sich im gleichen Jahr mit Gräfin Juliana von Wied. Anlässlich ihres frühen Todes im Jahr 1575 ließ Herzog Reichard ein gemeinsames monumentales Grabdenkmal errichten, das bereits 1578 in weiten Teilen fertiggestellt und nach seinem Tod 1598 beendet wurde (Nr. 109). Vermutlich gab Herzog Reichard auch das Grabdenkmal für seine zweite Frau Herzogin Emilia von Württemberg in Auftrag (Nr. 113), von dem allerdings nur noch wenige originale Teile vorhanden sind. Erstaunlicherweise erhielt Pfalzgräfin Katharina, eine Tochter aus der ersten Ehe Herzog Reichards, keines der sonst üblichen fürstlichen Epitaphien, sondern eine figürliche Grabplatte aus grauem Kalkstein (Nr. 112), die vermutlich im Chorboden der Stephanskirche eingelassen war. Mit Reichards Tod erlosch die regierende Linie der Herzöge von Pfalz-Simmern und das Fürstentum fiel als Oberamt an Kurpfalz.

Im Jahr 1864 wurden bei Aufräumungsarbeiten in der Gruft der fürstlichen Grabkapelle verschiedene mit Inschriften versehene Gegenstände gefunden, die ehemals den Särgen der dort Bestatteten beigegeben waren. Neben den beiden bereits erwähnten Sargtafeln war dies ein goldenes, mit Initialen geschmücktes Armband (Nr. 103), das hier erstmals Herzogin Emilia von Württemberg zugeordnet werden kann. Hinzu kamen der Griff eines Degens (Nr. 124) und ein Prunkdolch (Nr. 122), beide wohl aus dem Sarg Herzog Reichards, sowie eine fragmentarische Dolchscheide (Nr. 123). An Särgen selbst haben sich lediglich zwei Exemplare für Mitglieder der jüngeren Linie der Herzöge von Pfalz-Simmern erhalten, die 1688 in der damals neu erbauten Gruft unter dem Glockenturm der Stephanskirche beigesetzt wurden. Es handelt sich um die zum Teil prachtvoll verzierten Särge für den 1673 verstorbenen Herzog Ludwig Heinrich (Nr. 183) und für seine 1688 verstorbene Frau Herzogin Maria von Oranien-Nassau (Nr. 197).

Die pfalz-simmernschen Hofbediensteten, Beamten und ihre Angehörigen dürften in der Kirche oder auf dem Friedhof begraben worden sein und ließen sich in der Regel Epitaphien [Druckseite 23] anfertigen, die an den Kirchenwänden angebracht wurden. Frühestes Beispiel dafür ist das hier erstmals identifizierte Grabdenkmal für den 1494 verstorbenen Junker Hans von Wiltberg (Nr. 53), der sich in unbekannter Funktion am Hof Johanns I. von Pfalz-Simmern aufhielt. Erstaunlicherweise setzen die erhaltenen, insgesamt sehr qualitätvollen Epitaphien erst mit dem Jahr 1554 ein, möglicherweise ein Zeichen für den Beginn der Tätigkeit des sogenannten „Meisters von Simmern“ und seiner Werkstatt (vgl. Kap. 4.5). Den Reigen eröffnen das Epitaph für einen der berühmten Söhne der Stadt, den bereits 1539 verstorbenen Hieronymus Rhodler (Nr. 82), Kanzler des Fürstentums und Begründer der Druckerei in Simmern sowie die Memorialtafel der Beamtenfamilie Nastetter (Nr. 83). In der Folgezeit finden wir zahlreiche Epitaphien von Mitgliedern regional bekannter Familien wie etwa die von Obentraut (Nr. 91), die meist in Diensten der Herzöge standen: so das Grabdenkmal des 1565 verstorbenen Conrad von Igstatt gen Hatzstein, DER LETZT DISES STAMMES (Nr. 92), des 1574 verstorbenen Juristen Johann Stephan Rhodler (Nr. 98), Enkel des oben erwähnten Kanzlers, des 1576 verstorbenen pfalz-simmernschen Sekretärs Johannes Castelhun (Nr. 100), Schwiegersohn des Simmerner Bildhauers Johann von Trarbach, der 1581 bereits als Kleinkind verstorbenen Ursula (Nr. 104), Tochter des Amtmanns Johann von Stockheim und seiner Frau Felicitas von Bettendorf, der 1581 verstorbenen Margaretha Deungen und zwei ihrer Töchter (Nr. 105), der Schwiegertochter des Kanzlers Otto Seel, und schließlich das Grabdenkmal der 1583 verstorbenen Gertrud von Geispitzheim (Nr. 108). Warum aber der 1586 verstorbene, weit über die Grenzen des Fürstentums hinaus bekannte Bildhauer und langjährige pfalz-simmernsche Schultheiß Johann von Trarbach nicht im Kreis der anderen fürstlichen Beamten bestattet, sondern zusammen mit seiner Frau außerhalb der Stadt in der erst wenige Jahre zuvor errichteten Totenkapelle des neuen Friedhofs beigesetzt worden war (Nr. 115), bleibt offen. Wie gravierend sich der durch das Erlöschen der pfalz-simmernschen Linie bewirkte Verlust als Residenzstadt auf die Begräbnistätigkeit in der Schlosskirche auswirkte, zeigt der Befund aus dem 17. Jahrhundert: Aus diesem Zeitraum ist nur noch ein Grabdenkmal aus dem Kreis der Beamten bekannt, nämlich das 1659 entstandene (bedauerlicherweise verlorene) Monument für die Kinder des pfalz-simmernschen Rats und Landschreibers Laurentius Beck (Nr. 171).

Bis auf die Tafel mit der Erinnerungsinschrift an den Türkenzug Herzog Friedrichs II. von Pfalz-Simmern (der spätere Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz) (Nr. 70) hat sich an frühen Ausstattungstücken der Stephanskirche nichts erhalten.

2.1.6 Kleinere Standorte

Neben den aufgeführten fünf großen Standorten gibt es im Bearbeitungsgebiet natürlich auch zahlreiche weitere Standorte, die aus unterschiedlichen Gründen eine meist sehr geringe Anzahl an Inschriftenträgern aufweisen. Obwohl in vielen dieser kleineren Hunsrückgemeinden noch heute Kirchen und Kapellen mit bis weit ins Mittelalter reichender (Bau-)Geschichte stehen, finden wir dort mit der vermutlich aus dem Jahr 1473 stammenden Bauinschrift in Mörschbach (Nr. 34) lediglich eine erhaltene Inschrift dieser Art vor 1500; weiterhin kaum Grabdenkmäler und nur vereinzelt liturgische Ausstattungsstücke. Das Fehlen von vorreformatorischen Grabinschriften30) mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Adeligen eher in der Nähe ihrer Sitze in den größeren Pfarrkirchen begraben ließen und die kaum mehr vorhandene Ausstattung dürfte sich mit der wechselvollen Geschichte [Druckseite 24] der einzelnen Gemeinden erklären lassen. Umso erstaunlicher ist der Befund, dass sich in den Hunsrückdörfern insgesamt 54 Glocken31) nachweisen lassen, darunter 39 vor dem Jahr 1500 gegossene, dazu noch neun aus dem 16. und sieben aus dem 17. Jahrhundert. Von den 54 Glocken haben sich immerhin 32 Stück bis heute erhalten. Bei den wenigen noch vorhandenen kirchlichen Ausstattungsgegenständen handelt es sich jedoch durchweg um ungewöhnlich interessante Stücke, wie etwa den 1483 von dem damaligen Pfarrer Stephan aus Bernkastel gestifteten Messkelch (Nr. 45), der sich selbst darauf als Stifter darstellen ließ; wie die um 1500 hergestellte, als Taufschale dienende Beckenschlägerschüssel mit einem Relief der Verkündigungsszene (Nr. 61), die in der evangelischen Kirche zu Gödenroth aufbewahrt wird; oder wie die silbervergoldete spätgotische Turmmonstranz (Nr. 153) aus der katholischen Pfarrkirche in Obergondershausen, die 1621 von einer ansonsten unbekannten Anna Schorn „modernisiert“ und neu gestiftet wurde.

Zitationshinweis:

DI 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Einleitung, 2 Kurzer historischer Überblick (Eberhard J. Nikitsch), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di079mz12e006.

  1. Vgl. zum Folgenden immer noch die viele Einzelaspekte behandelnden Beiträge in dem 1966 veröffentlichten Sammelband ‚Zwischen Rhein und Mosel. Der Kreis St. Goar’, die fundierte, mit informativem Kartenmaterial versehene Einleitung zu den beiden Bänden des 1977 publizierten Kunstdenkmalinventars des Rhein-Hunsrück-Kreises sowie die vorzügliche, 2001 erschienene Gesamtdarstellung von Dotzauer, Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes pass. »
  2. Vgl. dazu und zum Folgenden Heyen, Gebiet pass. »
  3. Vgl. dazu ausführlich Heinzelmann, Trigorium 87ff. »
  4. Vgl. dazu ausführlich Wagner, Ravengiersburg pass. – Das Klostergebiet der Propstei Ravengiersburg nahm mit seinen 24 Ortschaften mehr als ein Viertel des füheren Lkrs. Simmern ein. »
  5. Vgl. dazu und zum Folgenden Wild, Geschichte pass. »
  6. Vgl. dazu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach) Einleitung XVIII»
  7. Vgl. zum Folgenden ausführlich Dotzauer, Kondominium pass. mit Karte S. 4, die die wechselnden vordersponheimischen Kondominatsanteile zu unterschiedlichen Zeiten wiedergibt. »
  8. Vgl. zum Folgenden Schaab, Territorialentwicklung pass. »
  9. Vgl. zum Folgenden Seibrich, Entwicklung pass. und Pauly, Siedlung pass. »
  10. Vgl. dazu ausführlich Wagner, Kumbd pass. »
  11. Herrn Willi Wagner († 11. November 2009) danke ich herzlich für eine gründliche (epigraphisch leider fruchtlose) gemeinsame Begehung des heute als Bauernhof genutzten Geländes (Gem. Klosterkumbd, Ortsteil Kloster). »
  12. Vgl. dazu ausführlich Seibrich, Beginn pass. sowie Rödel, Kurpfalz pass. »
  13. Vgl. zum Folgenden Renard, Wiederherstellung pass. und Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 312ff. »
  14. Vgl. zum Folgenden Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 428ff. und Leifeld, Kastellaun pass. »
  15. Vgl. Leifeld, Kastellaun mit Abb. 12 und 16. »
  16. Vgl. dazu Pies, Grabplatten und Gedenksteine pass. »
  17. Vgl. zum Folgenden St. Michael in Kirchberg pass. (Ausgrabungsberichte) und Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 516ff. »
  18. Vgl. zum Folgenden Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 729ff. und Wagner, Ravengiersburg pass. »
  19. Der 1480 verstorbene Herzog Friedrich I. gen. der Hunsrücker und seine 1486 verstorbene Frau Margarete von Geldern wurden mitten im Chor der Klosterkirche begraben, ohne dass sich von ihren Grabdenkmälern oder Inschriften irgendetwas erhalten hätte; vgl. dazu Wagner, Wittelsbacher 148f. »
  20. Vgl. zum Folgenden Kdm. Rhein-Hunsrück 1, 933ff. »
  21. Obwohl es in diesen Gemeinden (wie etwa Bell, Beltheim, Beulich, Masterhausen, Mörschbach u. a. m.) durchaus Pfarrkirchen mit Begräbnisrecht gab, lassen sich dort erst mit Beginn des 17. Jahrhunderts erhaltene Grabdenkmäler (Nrn. 143, 147, 148, 151) nachweisen. »
  22. Vgl. dazu ausführlich unten Kap. 4.3. »