Die Inschriften des Regensburger Doms (I)

7. Die Schriftformen

Romanische und Gotische Majuskel

Das einigermaßen sicher zu datierende Inschriftenmaterial im Dom und den dazugehörenden Räumlichkeiten setzt etwa um 1070 mit der gemalten Weiheinschrift an der Ostwand in der Stephanskapelle des Domkreuzganges ein (Kat.-Nr. 1(†)). Bei aller Vorsicht in Bezug auf die Inschriftenterminologie kann diese Inschrift als Romanische Majuskel bezeichnet werden213). Die zum Teil fast [Druckseite LXVII] quadratischen Buchstaben weisen keine unzialen Formen auf. Die Schäfte der Buchstaben M, N, D, H sind stark verdickt, ebenso wie die Rundungen des S, O, C und P. Das R zeigt jeweils eine gebogenen nach unten dünn ausschwingender Cauda. Das E ist durchweg in kapitaler Form geboten mit an den Enden verdickten Hasten und Balken. Insgesamt weist diese gemalte Inschrift viele Kriterien einer Übergangsschrift von der Romanischen zur Gotischen Majuskel auf. Die gesamte Inschrift ist geprägt durch zahlreiche Nexus litterarum und Enklaven214). Soweit überschaubar fehlen für diese Zeit im Regensburger Raum gemalte Inschriften zum Vergleich.

Knapp hundert Jahre später datieren die ebenfalls an die Wand gemalten Inschriftenreste der Allerheiligenkapelle (Kat.-Nr. 2(†)). Wegen des schlechten Erhaltungszustandes ist hier eine Schriftanalyse nicht möglich.

Die frühesten in Stein gehauenen Inschriften sind 1292 und 1293 datiert (Kat.-Nrn. 12, 13). Die mit unregelmäßigen Abständen eingehauenen Buchstaben rekrutieren sich aus kapitalen Formen. Lediglich das A zeigt sich einmal in pseudounzialer Form mit gebrochenem Mittelbalken. Die Schäfte des T, N, L, sind an den Enden leicht verdickt, ebenso die Rundungen des C und S. Die Cauda des fast hochrechteckigen R setzt am Bogen an und schwingt leicht gerundet aus.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehren sich die Beispiele, an denen die Entwicklung zur vollendeten Gotischen Majuskel demonstriert werden kann. Die vor 1306 zu datierende Baumeisterinschrift (Kat.-Nr. 30) zeigt breite Formen der Buchstaben mit starken Schwellungen in den Rundungen des D, C und B, alle Hasten sind an den Enden verdickt und enden mit dünnen Haarstrichen. Bei der etwa um die gleiche Zeit gearbeiteten Inschrift für den Goldschmied Wernher (Kat.-Nr. 17) sind einige Buchstaben (C, unziales E, symmetrisches unziales M) bereits durchweg geschlossen. Die mit größerem Abstand aneinander gereihten Buchstaben weisen den für die Gotische Majuskel charakteristischen Formenreichtum auf. Das E erscheint sowohl fast quadratisch und voll geschlossen als auch in schmälerer kapitaler Form, das ausschließlich unzial verwendete M ist einmal symmetrisch gebildet und unten geschlossen sowie zweimal mit geschlossenem linken Bogen und mit nach außen aufgebogenem rechten Bogen versehen. N kommt sowohl in unzialer als auch in kapitaler Form vor, das C ist fast quadratisch und immer geschlossen, das H zeigt sich unzial, das A präsentiert sich sowohl in pseudounzialer Form mit stark verdicktem linken geschwungenem Schaft als auch breit trapezförmig mit verdicktem rechten und leicht geschwungenem linken Schaft.

An dieser Stelle sei noch die an einem Pfeiler in zwei kurzen Zeilen eingehauene Gedenkinschrift (Kat.-Nr. 20) hingewiesen, die aufgrund der Buchstabenformen in die Zeit um 1300 einzuordnen ist215). Die Inschrift weist starke Verdickungen an den Schäften und Rundungen auf, das unziale E ist geschlossen und fast kreisförmig, die Cauda des ebenfalls sehr runden R läuft geschwungen aus. Eine 1311 datierte, erhabene Inschrift (Kat.-Nr. 33), die leider nicht genau zugeordnet werden kann, zeigt eine vollendet ausgeformte Gotische Majuskel mit fast quadratischen Buchstaben; vor allem die kreisrunden geschlossenen C mit starken Verdickungen in den Rundungen weisen eine Besonderheit auf, für die soweit überschaubar keine weiteren Beispiele im Regensburger Raum zu finden sind. Die C sind durch einen breiten Mittelschaft unterteilt. Auch in dem links geschlossenen unzialen M mit weit nach innen gezogenem Bogenläufer befinden sich diese Schäfte in den Rundungen. Eine weitere Besonderheit zeigt sich auf der Umschrift einer Grabplatte, deren Datierung nicht mehr vorhanden ist (Kat.-Nr. 71). Die mit großem Abstand eingehauenen Buchstaben zeigen ein geschlossenes unziales E, ein R mit am Bogen ansetzender weit nach unten ausschwingender Cauda und ein fast hochrechteckiges trapezförmiges A, das mit einem kapitalen, geschlossenen E ligiert ist.

Die Umschrift auf der Grabplatte des Haitfolch, 1310 datiert (Kat.-Nr. 32), weist ein deutlich homogeneres Schriftbild auf; hier sind die Buchstaben enger zusammengerückt und sorgfältiger gearbeitet. Die Schrift zeigt den gesamten Variantenkanon, den die hochgotische Majuskel zu bieten hat. Das A erscheint pseudounzial mit einem stark überstehenden, an den Enden verdickten Balken und trapezförmig ebenfalls mit überstehender Trabs. Die C sind alle geschlossen und gestreckter als bei der Inschrift für Wernherus (Kat.-Nr. 17). Auch die ausschließlich unzial gebildeten E sind allesamt mit einem weit nach unten gezogenem Abschlussstrich versehen. Die unzialen D laufen nach oben links in einem eleganten Bogen aus, das kapitale D zeigt starke Schwellung in der Rundung. Das H zeigt sich in der unzialen Version, das kapitale T hat an den Hasten und Balken verdickte Enden, das [Druckseite LXVIII] runde T kommt nur einmal vor mit in der Mitte stark verdicktem Deckbalken und hocheingerolltem Bogen.

Drei unterschiedlich gearbeitete Gotische Majuskelinschriften aus den Jahren 1317, 1318 und 1337 finden sich auf der Grabplatte der Familie Sitauer (Kat.-Nr. 41)216). Hier bietet sich auf einem Denkmal ein Beispiel der für Regensburg symptomatischen Schriftentwicklung der Gotischen Majuskel. Während die Buchstaben in der nur noch fragmentarisch vorhandenen Inschrift von 1317 fast quadratisch und mit größerem Abstand eingehauen sind, rücken sie in der zweiten Inschrift näher aneinander und zeigen eine gestrecktere Form. Letzteres trifft auch für die kleinere Schrift im Feld zu. Das A präsentiert sich durchgehend in pseudounzialer Form mit gerundetem linkem Schaft und nach links überstehendem Deckbalken. Bei der dritten Inschrift ist der Mittelbalken gebrochen und zweimal schräg. Die C bleiben in den drei Inschriften voll geschlossen. Das M zeigt sich einmal in der symmetrisch unzialen Form, die weiteren Male als links geschlossenes unziales M, dessen rechter Bogenausläufer in einem Zierpunkt endet. Alle Buchstaben zeigen dreieckförmige Verdickungen an Hasten und Balken. Das T ist in den drei Inschriften ausschließlich in kapitaler Form eingesetzt. Lediglich die 1318 datierte Inschrift weist einen AE-Nexus litterarum auf, in dem das E zwar geschlossen aber in kapitaler Form verwendet wird. Insgesamt präsentiert sich die dritte und jüngste Inschrift aus dem Jahr 1337 flacher und weniger sorgfältig eingehauen. Sie weist mehr Ähnlichkeiten mit den zur Mitte des Jahrhunderts gearbeiteten Majuskelinschriften auf.

Die zeitlich folgende Schrift umrahmt die früheste im Bearbeitungsraum vorhandene Figurengrabplatte des Domherrn Ulrich von Au (Kat.-Nr. 53). Diese ist zwar 1326 datiert, ein Großteil der Inschrift der Grabplatte ist aber sicher zeitlich früher gefertigt, denn die minderen Zahlen sind von anderer Hand nachgetragen. Es handelt sich um eine gestreckte Form der Majuskel, die Buchstaben sind relativ eng aneinander gereiht eingehauen. Auch hier zeigt sich der Variantenreichtum der Schrift: Das N ist sowohl in runder als auch in kapitaler Form geboten. Das D ist unzial, die E erscheinen in dreierlei Formen, geschlossen wie offen. Einmal erscheint das E als geschlossene unziale Form, einmal als geschlossene Form mit epsylonförmigem Bogen und einmal als kapitales E mit schwalbenschwanzähnlichen Verdickungen an den Balken. Die A präsentieren sich in pseudounzialer Form mit überstehendem linken Balken und trapezförmig mit breitem, beidseitig überstehendem Balken.

Von großer Harmonie und den Kriterien der hochgotischen Majuskel entsprechend zeigt sich die in die Marienglocke eingegossene zweizeilige Inschrift (Kat.-Nr. 60). Auch diese Inschrift zeigt die Buchstaben nicht flächig, sondern eher im Größenverhältnis von 2:1. Die Rundungen an C, an unzialem E, am unzialen voll geschlossenen M, am O, B, S und R sind stark verdickt, auch die Schäfte des V, Schaft und Querstrich des L und I verbreitern sich jeweils stark.

Zweifelsohne kannte Konrad von Marburg, der Meister, der diese Glocke gegossen hatte, alle dekorativen Formen des hochgotischen Majuskelalphabets.

Bis in das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts bleibt die Gotische Majuskel die beherrschende epigraphische Schrift. Allerdings sind bei den Denkmälern, die sich für eine Untersuchung eignen, wenig Unterschiede in der Entwicklung der Formen festzustellen. Am besten, wegen des relativ guten Erhaltungszustandes, eignet sich die Inschriftentafel für Leutwin und Martha Tunauer (1366/1369, Kat.-Nr. 82). Es handelt sich durchweg um sehr gestreckte Buchstabenformen mit leichten Verstärkungen an den Hasten und an den Bogenkrümmungen. N ist rund und M unzial, die E und C durchweg leicht gerundet und geschlossen. Die O bilden ein schmales Oval. Die T sind allesamt rund mit leicht gebogener Haste, die an der rechten Seite fast bis zur Mitte des Buchstabens aufrollt. Auch die Balken des L sind über die Mitte des Schaftes hochgezogen und laufen mit einem feinen Haarstrich aus. Die A zeigen sich durchweg pseudounzial mit feinem stark überstehendem Abschlussbalken und schrägem Mittelbalken. Die Buchstaben stehen sehr nah zusammen, der gedrängte Eindruck wird verstärkt durch zahlreiche Nexus litterarum.

Ähnliche Schriftbilder zeigen die Inschriften auf den wenigen Denkmälern, die noch erhalten sind und wegen des schlechten Zustandes kaum für eine differenzierte Beschreibung herangezogen werden können (Kat.-Nrn. 68, 77, 80, 90, 113). Auch die noch vorhandene, aber wegen des Gestühls unzugängliche Grabplatte des Domdekans Konrad von Schwarzenburg (†1353, Kat.-Nr. 74) trägt die gestreckte Form der Buchstaben in der Umschrift217).

Die Gotische Majuskel verschwindet im Bearbeitungsbereich in den 80er Jahren des 14. Jahrhunderts, mit einer Ausnahme. Auf der Grabplatte für Stephan Sattelbogen (1424, Kat.-Nr. 150) präsentiert [Druckseite LXIX] sich die Umschrift ein allerletztes Mal in dieser Schriftart. Auch hier sind die einzelnen Buchstaben eher gestreckt und nahe zusammengerückt. Alle N sind rund, die M unzial, A pseudounzial mit weit nach links überstehendem verdickten Balken, die E zeigen sich alle unzial und geschlossen. Auch hier sind Schäfte und Rundungen der Buchstaben nur leicht verdickt.

Gotische Minuskel

Im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts mehren sich die Beispiele dafür, dass die neue Inschriftenform der Minuskel auch in Regensburg die ältere Gotische Majuskel abgelöst hat. Sowohl im Dombereich als auch, soweit überschaubar, im Regensburger Stadtbereich erfolgt die Adaption der Gotischen Minuskel in etwa dem gleichen Zeitraum wie in anderen deutschsprachigen Regionen218). Aus dem 14. Jahrhundert haben insgesamt zwölf Denkmäler mit in Stein gehauenen Inschriften die Zeit überstanden.

Die früheste Minuskel findet sich auf der Inschriftentafel für Ulrich und Otto Woller (1375/77, Kat.-Nr. 92). Die Schrift wirkt wie gemalt, ist aber in weichem Stein eingehauen und mit schwarzer Farbe ausgezogen. Die Buchstaben außer dem M der Datierung sind alle dem Minuskelalphabet entnommen. Das a trägt ein schräg nach links auslaufendes Dach, das mit einem feinen geschwungenen Haarstrich mit der linken Haste schließt. Die Buchstaben d, l, das lange s, das t und k haben deutlich Oberlängen, während das g fast mit der unteren Linie abschließt. Die Schäfte des v, des x und des r knicken zu kleinen Fähnchen um. Auch die runden s wirken durch die Haarstriche fast geschlossen.

Ab dem Beginn der 80er Jahre des 14. Jahrhunderts wird im Bearbeitungsbereich die Gotische Minuskel als Inschriftenschrift ausschließlich (bis auf die erwähnte Ausnahme) angewandt219).

Die Ablösung der Gotischen Majuskel durch die Minuskel kann sehr gut dargestellt werden an den Inschriften auf der großen Wappengrabplatte der Familie Ingolstetter (1357/1364/1381/1412, Kat.-Nr.76). Während die beiden früheren Inschriften in Gotischer Majuskel gearbeitet sind, präsentieren die 1381 und 1412 datierten Inschriften die Gotische Minuskel. 1381 ist auch die erste noch vorhandene Bischofsgrabplatte für Bischof Konrad von Haimburg (Kat.-Nr. 93) datiert. Diese Inschrift zeigt ähnliche Gestaltungskriterien, wie sie auf der Grabplatte seines Nachfolgers, des Bischof Theoderich von Absberg (†1383, Kat.-Nr. 96) zu finden sind, die nur zwei Jahre später datiert ist. Die Buchstaben sind hier eng aneinandergerückt und betonen die Vertikale. Die Schäfte knicken zu kleinen Fähnchen ab. Kleine Quadrangeln als Worttrenner kennzeichnen die engen Spatien zwischen den Worten. Das gesamte Schriftbild wirkt einheitlich und dekorativ.

Die vier Jahre später entstandene Umschrift auf der Grabplatte für Leopold Gumprecht (1387, Kat.-Nr. 99) zeigt nur geringfügige Unterschiede zur Schrift auf der Grabplatte für Theoderich von Absberg. Die rechte Haste des zweistöckigen a knickt im oberen Drittel stark zur linken Seite ab, ebenso wie das runde d, und erreicht fast die Höhe der Oberlängen des l, des langen s, des f und des h. Während die x in der Datierung bei dem beschriebenen Bischofstein Ähnlichkeit mit dem Majuskel-X zeigen, gestaltet der Steinmetz diesen Buchstaben auf dem Gumprechtstein mit Querbalken in der Mitte der Haste. Drei weitere Umschriften auf Grabplatten des 14. Jahrhunderts lassen die oben beschriebenen Gestaltungskriterien erkennen (Kat.-Nrn. 102, 109, 111) sodass, was die Umschriften auf den Grabplatten betrifft, hier wenige für die Paläographie bedeutende Unterschiede festzustellen sind.

Unterschiedlich zeigen sich jedoch die Inschriften auf den zwei Epitaphien aus dem Bestand des 14. Jahrhunderts.

Die fünfzeilige Inschrift für Johannes aus Peina (†1386, Kat.-Nr. 98) ist zwischen zwei Doppellinien gleichmäßig mit schmalen Buchstaben eingehauen220). Die Ober- und Unterlängen zwängen sich in das Linienschema. Das geknickte Dach des a schließt mit einem stark geschwungenen feinen Haarstrich fast mit der linken Haste ab. Auch der geknickte Schaft der e endet mit nach rechts geschwungenen Haarstrichen. Durch das mehrfach geknickte runde s läuft ein feiner Strich. Die Inschrift weist mehrere Nexus Litterarum auf.

[Druckseite LXX]

Ein Beispiel des ausgehenden Jahrhunderts für eine sehr vollendet erscheinende Minuskelinschrift bietet sich auf der Inschriftentafel für den Domkanoniker Ulrich Wild aus dem Jahr 1389 (Kat.-Nr. 100). Auch hier sind die Buchstaben wiederum außer dem M in der Datierung allesamt dem Minuskelalphabet entnommen. Die Inschrift weist kaum Unterlängen auf. Der rechte Schaft des g ist fast waagrecht abgeknickt, und der linke Schaft des p reicht nur geringfügig über den unteren Zeilenrand hinaus. Dagegen haben das lange s, das l und vor allem die schräg nach links oben auslaufenden Balken des a und des d deutliche Oberlängen. Das runde s ist ebenso wie bei dem Peina-Epitaph mehrfach geknickt und diagonal mit einem feinen Strich durchzogen, der im oberen Bereich rund nach links und unten rund nach rechts ausschwingt. Insgesamt wirkt die Inschrift sehr sorgfältig und gekonnt und harmoniert damit mit der hochwertigen bildlichen Darstellung.

Das 15. Jahrhundert bringt zunächst wenige Veränderungen im Schriftbild im Hinblick auf die Lapidarinschriften. Was die Grabplatten betrifft, finden sich erstmalig im Bestand zwei dreizeilig untereinander angeordnete Inschriften, die durch das Vollwappen getrennt sind, auf dem Wappenstein für die adeligen Gebrüder Staufer (Kat.-Nr. 126). Die Buchstaben wirken gestreckt und sind eng aneinander gerückt. Außer dem Großbuchstaben M in der Datierung, der so häufig in den Minuskelinschriften des Domes zu beobachten ist, finden sich auch hier keine Versalien. Die einzelnen Worte sind mit großem Abstand gesetzt und deutlich durch Quadrangeln voneinander getrennt. Auch hier zeigen die Dachbalken des a und des d steil nach links oben. In diesen beiden Inschriften sind die Oberlängen betont, die Unterlängen jedoch wenig auffallend.

Die zeitlich folgende und vom Erhaltungszustand beschreibbare Umschrift auf der Grabplatte des Bischofs Johann von Moosburg (†1409, Kat.-Nr. 129) aus der Werkstatt des Dommeisters Wenzel Roriczer weist ebenfalls nur geringfügige Unterschiede auf221). Abgesehen davon, dass die Inschrift auf erhöhtem, sehr breitem Rand eingehauen ist und damit Bildrahmenfunktion übernimmt, sind auch hier wenige Unterschiede in der Formgebung zu den oben beschriebenen Minuskelschriften festzustellen. Der Initialbuchstabe A des Anno, das E des Titels und das J des Namens sind aus dem Versalienalphabet. Die Grabplatte des Bischofs Albert von Stauf (Kat.-Nr. 144) ist wohl wenig später um 1410/1412 ausgeführt worden222). Auch sie stammt aus der Werkstatt des Wenzel Roriczer. Hier bleiben die Unterlängen unauffällig, während die Oberlängen des s, des l und des f fast bis an die Inschriftenbegrenzung heranreichen. Die s und f zeigen einen abgeknickten oberen Schaft. Die Worte sind deutlich durch Worttrenner voneinander abgesetzt.

Andere Stilmittel hingegen weist die Umschrift der Grabplatte des Patriziers Albrecht Sterner auf (Kat.-Nr. 132). Erstmalig zieren vier kleine Wappenschilde die Ecken des erhöhten Randes. Das S des Familiennamens ist eine bisher unbekannte Form mit Doppellinie im Mittelteil, das z besteht aus drei untereinander angeordneten Quadrangeln, die unterste läuft mit feinem Haarstrich aus. Die r zeigen umgebrochene untere Schaftenden, die Fahne ist ein Quadrangel mit unten angesetztem Zierstrich. Die Worttrenner bestehen aus kreuzförmig angeordneten Quadrangeln. Zum ersten Mal auf einer Grabplatte finden sich hier zwei zusätzliche, kleiner nachgetragene Minuskelinschriften am linken Rand für weitere Familienmitglieder.

Aus den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts haben eine Reihe von Inschriftendenkmälern die Zeit überstanden, bei denen sich sowohl in der Schriftgestaltung als auch in den eingesetzten Stilmitteln Gemeinsamkeiten feststellen lassen. Etwa 1419 fand in der Dombauhütte der Wechsel im Amt des Dommeisters von Wenzel Roriczer zu Andre Engel statt223). Zu dieser Zeit beherrscht die Minuskel vollkommen das Schriftbild mit wenigen Versalieneinsprengseln, wie das bereits benannte M in der Datierung oder wenigen eher willkürlich erscheinenden Ausnahmen. Was die genannten Stilmittel betrifft, so zeigen beispielsweise die 1426 datierte Grabplatte für Stephan Notangst (Kat.-Nr. 156), die Grabplatte für Oech von Pappenheim (1431, Kat.-Nr. 173) und die Grabplatte des Domherren Kaspar Türlinger (1431, Kat.-Nr.175) allesamt signifikante Worttrenner, die aus einem Kreuz von fünf Quadrangeln bestehen.

Am Beispiel der relativ gut erhaltenen und sehr sorgfältig eingehauenen Inschrift auf der Grabplatte des Patriziers Stephan Notangst können Gemeinsamkeiten der Buchstabengestaltung mit den anderen genannten Grabplatten festgestellt werden. Der obere Teil des gebrochenen rechten Schaftes beim doppelstöckigen a zeigt steil nach links oben, ebenfalls der obere Teil des Schaftes des d. Der rechte Schaft des g bleibt gerade mit wenig Unterlänge, der Deckbalken ragt über den rechten Schaft hinaus. [Druckseite LXXI] Die Balken des e sind zu einem feinen Schrägstrich reduziert. Bei den Grabplatten des Kaspar Türlinger und des Johannes Dornsteiner (Kat.-Nr.177) fällt der T-Versal auf, er besteht aus einem Bogen, dem auf halber Höhe eine kurze Haste mit Balken eingestellt ist. Auf der Türlinger- und auf der Weutragrabplatte sind die versalen E leicht gerundet mit kurzem Mittelbalken gestaltet. Auch das C zeigt diese Rundung mit kleinen Fähnchen am oberen und unteren Bogenende. Die kleinen Wappenschilde in einer oder beiden oberen Ecken können wohl, neben den zwar geringfügig unterschiedlich gestalteten Schriftbildern, als weiteres Charakteristikum der Steinmetzwerkstatt des Andre Engel erkannt werden.

Die Gruppe der Scheitelsteine mit Inschriften, die im Zusammenhang mit der Renovierung des Kreuzganges zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstanden, datiert ebenfalls in das erste Drittel dieses Jahrhunderts224). Es handelt sich mit Ausnahme der Inschrift für den Steinmetz Dietrich Semmler (Kat.-Nr. 179) um Stifterinschriften, in denen die Personen genannt sind, die die jeweiligen Gewölbe finanziert hatten. Vier dieser Scheitelsteininschriften könnten, bei aller Vorsicht, aus der Werkstatt des Steinmetzmeisters Semmler stammen. Beginn und Ende der Inschriften werden jeweils durch ein Kreuz gekennzeichnet, das aus fünf Quadrangeln besteht225). Auch diese Worttrenner sind Quadrangeln. Der Balken des oberen abgeknickten Bogenabschnitts der e ist zu einem feinen Schrägstrich reduziert, die Fahnen der r bilden Quadrangeln, der obere geschlossene Bogen der doppelstöckigen a schließt im linken Teil mit einem runden Bogen, das z besteht aus einem Quadrangel in der Mitte, oben knickt eine Fahne nach links ab, im unteren Teil ein leicht verdickter Bogen, der fein ausschwingt. Bei diesen Inschriften sind die Oberlängen betont, Unterlängen werden durch feine Haarstriche angedeutet, wie z. B. beim unter die Zeile gezogenen Bogen des h. In all den fünf Scheitelsteinen werden ausschließlich Buchstaben aus dem Minuskelalphabet verwendet226).

Der Scheitelstein für Hans Freudenberger (Kat.-Nr. 140) scheint aus einer anderen Werkstatt zu stammen. Er trägt als einziger eine Datierung, das Kreuz zu Beginn der Inschrift ist gleicharmig mit verdickten Enden. Die Buchstaben sind breiter, die Schäfte weisen alle am oberen und unteren Ende Brechungen auf.

Insgesamt handelt es sich bei den Scheitelsteinen um sehr sorgfältig und gekonnt ausgeführte Inschriften, die tief eingehauen - zweifelsohne im Hinblick auf die Lesbarkeit wegen der größeren Distanz zum Betrachter - gearbeitet worden sind.

Erhaben gearbeitete Inschriften

Einer Gruppe von Inschriften, die gerade im 15. Jahrhundert häufiger vorkommen, sollte besondere Beachtung geschenkt werden, nämlich den erhaben gearbeiteten Inschriften227). Bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes sind insgesamt 19 Denkmäler vorhanden.

Die Grabplatte mit der frühesten erhabenen Inschrift ist 1440 datiert und dem Domherren Wolfhard Ebner gewidmet (Kat.-Nr. 190). Diese Grabplatte wurde nicht von einem Steinmetz, sondern von einem Bildschnitzer gearbeitet228). Bei diesem Denkmal ist es nicht nur die hervorragende figürlichen Gestaltung, die Aufmerksamkeit erregt. Ebenso gekonnt ist auch die Umschrift ausgeführt. Die Buchstaben sind eng aneinandergerückt, sodass die Schaftbrechungen sowohl oben als auch unten die benachbarten Buchstaben zum Teil berühren. Eine besondere Variante bildet der Beginn der Umschrift an der rechten Längsseite, gekennzeichnet durch eine kleine betende Figur, Sinnbild für die Seele des Verstorbenen. Das A von Anno weist eine pseudounziale Form auf mit geradem rechten Schaft. Die Spitze der unteren Brechung berührt den Rand des vertieften Feldes, aus dem die Inschrift gehauen ist. Oben schwingt der Schaft in einem feinen eingerollten Haarstrich nach links aus. Der linke Schaft ist in der oberen Hälfte dreieckförmig ausgezogen und schwingt mit einer Rundung in die rechte Haste ein. Der untere verdünnte Teil läuft fast in einem S über dem Rand aus. Der Initialbuchstabe I ist ebenfalls als Versal gestaltet. Sein Deckbalken verdickt sich dreieckförmig, der Schwellschaft schwingt bogenförmig nach links aus. Einmalig im Bestand der Lapidarinschriften ist die Engelfigur, die in diesen Buchstaben integriert ist. Das M von Millesimo zeigt zwei gerade Schäfte, die sich im unteren Bereich berühren, der rechte Schaft ist geschwungen und verbindet sich [Druckseite LXXII] mit einem Balken mit dem mittleren Schaft. Außer der dünneren bogenförmigen Schwingung des recht Schaftes über den unteren Rand des Inschriftenfeldes hinaus bleibt dieser Buchstabe von der Größe her zwischen den Linien. Die weiteren Versalien R und W ragen nur geringfügig über den oberen Rand hinaus. In der Gestaltung der Unterlängen der einzelnen Buchstaben zeigen sich einige Varianten. Die Oberlängen des h, des b, des langen s, des t und des l sind jeweils schräg abgeflacht und reichen weit über das vertiefte Feld hinaus. Das p schließt ebenfalls schräg mit kurzer Unterlänge. Der rechte Schaft des g knickt nach links und läuft weit unter der Begrenzung des Feldes als eingerollte Zierlinie aus. Der rechte Schaft des a knickt im oberen Teil nach links ab endet mit einem dünneren Bogen, dessen Auslauf die linke Haste berührt. Die einzelnen Worte sind durch kleine Zierkreuze, die oben und unten mit Lilien besetzt sind, getrennt.

Diese Inschrift eröffnet die Reihe der erhaben gearbeiteten Schriftformen, die bei genauer Betrachtung einen großen Variantenreichtum zeigen.

Zunächst die Kriterien, die zumindest annähernd ähnlich erscheinen. Bis auf ein Denkmal, der Grabplatte des Heinrich von Parsberg (†1499, Kat.-Nr. 319), handelt es sich um Umschriften, die zumeist auf breitem Rand in scharf begrenzten, vertieften Feldern gehauen sind, sodass sie auf einer Ebene mit dem Rand abschließen. Die Parsberggrabplatte trägt zudem eine nachgetragene, erhaben gehauene Inschrift, die 1527 datiert ist. Auf der Grabplatte des Domherren Johannes von Trebra (†1494, Kat.-Nr. 302) ist zusätzlich zur erhaben gehauenen Umschrift eine Tafel über der figürlichen Darstellung angebracht, deren Bibelzitat aber vertieft eingehauen ist.

Was die Verwendung von Versalien in den erhabenen Inschriften betrifft, kann wenig Systematik, geschweige denn eine kontinuierliche Entwicklung erkannt werden. Recht variantenreich wird hierbei der Buchstabe A des Anno gestaltet, mit dem in den meisten Fällen die Inschrift beginnt229).Während auf der Grabplatte des Johannes Hec (†1455, Kat.-Nr. 217) dieser Buchstabe als zweistöckiges, größeres Minuskel-a gestaltet ist, beginnen die zeitlich folgenden Inschriften mit unterschiedlichsten Formen aus den Versalienalphabeten. Die Grabplatte des Bischofadministrators Rupert I. (†1465, Kat.-Nr. 238), die einzige Grabplatte mit erhabener Inschrift, die doppelzeilig um den breiten Rand läuft, zeigt ein pseudounziales A, dessen linke Haste fast s-förmig geschwungen ist, der Deckbalken ragt weit über die linke Seite, dreieckförmig verdickt, hinaus230). Ein ähnliches aber schmäleres pseudounziales A findet sich auf der Grabplatte des Ulrich von Pairstorf (†1476, Kat.-Nr. 257). Schmal und keilförmig mit weit nach links überstehendem Balken präsentiert sich das A auf der Grabplatte des Haupto von Pappenheim (†1479, s. Kat.-Nr. 265); bei der Inschrift für Johannes Tröster (†1485, Kat.-Nr. 280) bricht der gerade Schaft des pseudounzialen A unten rautenförmig, der linke Schaft ist in der Mitte dreieckig spitz ausgezogen, der Deckbalken ist gerundet und schwingt in einem nach außen stark verdickten Bogen nach links aus. Zum Ende des Jahrhunderts finden sich im Bestand zwei Grabplatten, beide aus dem Jahr 1497 deren A des Anno Besonderheiten aufweisen. Sowohl auf den Grabplatten für die Domherren Georg von Preysing (Kat.-Nr. 313) und Franziskus Schlick (Kat.-Nr. 314) hat das A einen geraden rechten Schaft, der unten leicht abknickt, der linke innere Schaft ist nur leicht, der äußere Schaft hingegen stärker gerundet. Die Deckbalken schließen mit dem rechten Schaft ab, an der linken Seite gebogen und nach unten ausschwingend. Beide Denkmäler stammen aus der Werkstatt des Wolfgang Roritzer231).

Von der Mitte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts finden sich immer mehr Versalien in den erhaben gearbeiteten Inschriften.

Während bei der oben beschriebenen Inschrift des Wolfhard Ebner lediglich das W des Wolfhardus und das R des Ratisbonensis sowie das I mit integrierter Engelsfigur als Versal wiedergegeben ist, zeigen die zeitlich folgenden Inschriften die Vor- und Nachnamen mit Buchstaben aus dem Versalienalphabet. In der Inschrift der Grabplatte des Bischofadministrators Rupert, datiert 1465, beginnen die adeligen Titel Comes und Dux, das Reverendus, Ecclesie Ratisbonensis, Sepultus und Requiescat mit Versalien. Die R haben einen gerundeten linken Schaft, einen fast kreisrunden Bogen im oberen Teil und eine Cauda, die etwa mittig ansetzt und leicht nach rechts gebogen ausläuft. Ein R in gleicher Form findet sich auf der Grabplatte des Haupto von Pappenheim (1479, Kat.-Nr. 265).

Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts kommen einige Zierformen eines Versal-O in den Minuskelinschriften vor. So zeigt das O am Beginn der Inschrift eines unbekannten Domherren (†1495, Kat.-Nr. 306) einen linken Schaft, der im mittleren Teil zweifach ausgezackt und unten im rechten [Druckseite LXXIII] Winkel gerade nach rechts abgeknickt. Der obere Abschnitt endet leicht gerundet in einer Spitze. Rechts ist der Schaft leicht gerundet und knickt unten nach links zu einem kleinen Rechteck ab. Etwa von der oberen Spitze weg ist eine Cauda eingestellt, die bis zur Mitte des Buchstabens reicht. Diese Form des O als Initiationsbuchstabe ist einmalig im Bestand. Häufiger sind die O als Versalien zu Beginn des Obiit. Sie laufen im oberen Abschnitt oval aus, von oben ist in die Rundung jeweils ein Schaft von unterschiedlicher Länge eingestellt232). Das O auf der Grabplatte des Sigismund Rosser (†1482, Kat.-Nr. 273) zeigt eine Dreiviertelrundung, die links offen bleibt, von oben ist ein etwa dreiviertellanger Schaft in die Rundung eingestellt. Bei den genannten Denkmälern fallen auch einige Spielmöglichkeiten des C auf. So ist z. B. bei dem Rosser-Denkmal dem Bogen im unteren Abschnitt ein senkrechter halber Schaft angefügt, der im oberen Abschnitt im 90 Grad Winkel abknickt. Mit unterschiedlicher Länge des Schaftes, aber die gleichen Kriterien zeigt das C auch in den Inschriften des Christian von Stinglheim (Kat.-Nr. 203), des Franziskus Schlick (Kat.-Nr. 314), des Heinrich von Parsberg (Kat.-Nr. 319) und des Theoderich von Bibra (Kat.-Nr. 326).

Für die Entwicklung der epigraphischen Schrift im Bestand kann auch noch die Beschreibung des versalen M in den erhaben gestalteten Inschriften wichtig sein. Auf der Wappengrabplatte des Georg von Preysing (†1497, Kat.-Nr. 313) erscheint eine Zierform des M. Diesem Buchstaben ist ein zusätzlicher Bogen eingestellt, sodass die beiden linken Hasten nahe zusammenstehen und deren Brechungen sich an der unteren Linie berühren, die beiden rechten Hasten stehen weiter auseinander. Dieses Erscheinungsbild wird bei der Grabplatte des Franziskus Schlick (1497 Kat.-Nr. 314) variiert; eingestellt ist hier ein Spitzbogen, die mittleren Hasten sind durch einen gedoppelten, schrägen Balken in der oberen Hälfte verbunden. Eine weitere Variante des M findet sich in den Inschriften für die Domherren Gold und Parsberg (Kat.-Nrn. 320, 319). Die linke, nahe angerückte gebogene Haste ist kürzer, der zweite und der dritte Schaft von links ist durch einen gedoppelten Schrägbalken verbunden.

Unterschiedlichste Formen der einzelnen Minuskelbuchstaben kennzeichnen die erhabenen Inschriften.

Das Minuskel-a auf dem Denkmal für den Bischofadministrator Rupert I. und den Domherrn Kaspar Schenk (Kat.-Nrn. 238, 246), beide aus der Werkstatt des Chunrad Roriczer, hat einen nahezu geraden rechten Schaft, der oben in einem runden, dünnen Bogen ausläuft und in der Mitte fast den unteren Teil des gebrochenen linken Schaftes berührt. In beiden Inschriften sind die mehrfach geknickten s durch einen feinen Strich diagonal durchkreuzt. Das c zeigt einen geraden Schaft, unten gebrochen, oben im 90-Gradwinkel geknickt. Das runde d ist im oberen Bogenabschnitt geknickt und schwingt lang und gerade nach links oben aus. Die e, r und der Balken des t haben rechts kleine Zierstriche. Sowohl die Ober- als auch die Unterlängen sind gut kenntlich.

Von 1497 bis 1500 zeigen sechs Grabplatten (Kat.-Nrn. 313, 314, 319, 320, 324, 326) Minuskelformen, die zum Teil große Ähnlichkeiten aufweisen. Das d bei diesen Denkmälern hat einen senkrechten gebrochenen rechten und linken Schaft, der obere Teil des gebrochenen rechten Schaftes schwingt nach schräg oben links aus; im g bei der Preysing- und der Bibra-Inschrift knickt der untere Bogen steil nach oben links ab; charakteristisch bei den genannten Inschriften sind die Boger-r, der obere Teil ist kürzer und zeigt steil nach links oben, ein dünnerer Strich bindet den nach rechts unten zeigenden Teil an. Die runden s bestehen aus zwei senkrechten Geraden rechts und links, denen jeweils unten und oben ein abgeknickter oberer und unterer Abschnitt angefügt ist. Mittig wirkt dieser Buchstabe wie abgeschnürt. Das lange s, dessen oberer Teil weit über die Begrenzungslinie hinausragt, knickt oben ab, die Fahne zeigt steil nach unten. Diese genannten Denkmäler werden der Werkstatt des Dommeisters Wolfgang Roriczer zugeschrieben233).

Nicht nur wegen der künstlerischen Gestaltung, sondern auch im Hinblick auf die Buchstabenformen verdient das monumentale Wandgrabmal des Bischofs Heinrich von Absberg (†1492, Kat.-Nr. 293) besondere Beachtung. Es wurde vermutlich schon um 1475 ausgeführt und wird Matheis Roriczer zugeschrieben234). Das A von Anno ist schmal mit einer geraden rechten Haste und einem linken Schaft, der leicht nach links gebogen ausschwingt. Das C zeigt einen nach rechts geschwungenen Bogen, dem ab der Mitte ein gerader Schaft mit Balken eingestellt ist. Auch dem tropfenförmigen O von Obiit ist im linken oberen Bereich ein kleiner geknickter Schaft eingestellt. Das E zeigt ähnlich wie das C einen Viertelbogen, dem im oberen Drittel ein nach rechts abgeknickter Schaft angefügt ist. Das schmale R hat einen verdickten leicht gebogenen linken Schaft mit fast kreisrundem Bogen und einer im oberen Drittel ansetzenden geraden Cauda. Das zweistöckige a hat einen geraden [Druckseite LXXIV] rechten Schaft, der unten gebrochen ist, der rechte Teil des gebrochenen oberen Bogens, leicht nach links oben gerichtet, läuft fast s-förmig fein aus, um mit dem völlig geraden, nach links zeigenden unteren Teil des Buchstabens zu schließen. Das e hat einen linken, senkrechten gebrochenen Schaft, dessen oberer Teil in einem feinen gebogenen Balken ausläuft. Der obere Teil des Bogen-r ist kürzer als die untere, gerade nach rechts zeigende Cauda. Der untere Bogen des g ist waagrecht nach links abgeknickt.

Hier befindet sich noch eine andere Schriftvariante, ebenso an der Borte des Ärmels und am Saum der Kasel. Diese Versalbuchstaben sind kaum erkennbar, denn sie sind wenig erhaben wie aus dem Stein herausgeschnitten. Das A hat zwei, sich nach unten verdickende Schäfte, der Deckbalken steht an beiden Seiten über, der Mittelbalken ist gebrochen. Schaft und Balken des L verdicken sich an den Enden, das H und das M stehen breit mit oben und unter verdickten Schäften, das E ist halbrund, offen mit breiten Bögen, die ebenfalls nach außen verdickt sind. Allein das D ist unzial mit einem stark verdickten linken Bogen und waagrechtem oberen Bogenabschnitt.

Was an Gemeinsamkeit all dieser Denkmäler auffällt: Die erhaben gearbeiteten Inschriften befinden sich durchweg auf künstlerisch hochwertigen Reliefdarstellungen im Feld, ohne Unterschied, ob es sich um Figurengrabplatten oder Wappengrabplatten handelt. Ohne Ausnahme gehören all diese Denkmäler dem Personenkreis des hohen Klerus an.

Der Dommeister Matheis Roriczer hat neben den aufwändig gestalteten erhabenen Inschriften auch einige Grabplatten mit vertieften Inschriften geschaffen mit vielen Ähnlichkeiten in der Formgebung. Hier kann auch gezeigt werden, dass die Gestaltung einiger Buchstaben, so das A-Versal mit dreieckförmig verdicktem linken Schaft, der nach links unten geschwungen ausläuft und dessen überstehender Balken mit feinem Haarstrich endet, bereits bei dem Denkmal für Nikolaus von Künsberg (†1473, Kat.-Nr. 252) und dann an den Denkmälern für Johannes Fager (†1478, Kat.-261), Georg Ebenhoch (†1488, Kat.-Nr. 288), Sigmund Graner (†1483, Kat.-Nr. 277) und Johannes Peck (†1498, Kat.-Nr. 316) vorkommt. Das tropfenförmige versale O in Obiit findet sich bei der Fager-Inschrift, der Künsberg-Inschrift, und bei Ebenhoch. Der Buchstabe C zeigt zweierlei Varianten. Bei Fager, Peck und Ebenhoch handelt es sich um Minuskel-c, deren Schäfte jeweils oben und unten gebrochen sind. Das versale C mit einem Bogen im unteren Teil und einem rechtwinklig geknickten Schaft im oberen Teil findet sich in allen der genannten Denkmälern.

Weitere Besonderheiten von Minuskelschriften

Diese etwas ausführlicher beschriebenen Kriterien von Minuskelschriften bei erhaben gearbeiteten Buchstabenformen im Dombestand finden sich selbstverständlich auch auf vertieft eingehauenen Grab- und Gedenkinschriften. Da ist das Epitaph des Kaplans Stephan Modl (†1499, Kat.-Nr. 321) und dessen nur fragmentarisch erhaltene Grabplatte zu nennen, deren Versal-M aus einem hohen Bogen besteht, dem zwei Schrägstriche mittig eingefügt sind, besteht, an der linken Seite lehnt sich ein kleinerer, gebrochener Schaft an, rechts schließt sich mit etwas breiterem Abstand ein gerader Schaft an, der oben im 90 Grad Winkel gebrochen ist. Ein zumindest ähnliches Versal-M, noch kunstvoller gestaltet, befindet sich zweifach auf dem Epitaph für den Domherren Matthias Pollinger (†1496, Kat.-Nr. 308): Hier sind die vier Hasten leicht geschwungen und enden in feinen Haarstrichen. Das r bei dem Modl-Epitaph zeigt einen zum Schrägbalken umgeformten Bogen, die Cauda ist ebenfalls ein Schrägbalken. Die identische Form des r ist auch auf dem Fragment der Grabplatte zu sehen.

Die Bildschnitzer-Inschriften

Neben der oben beschriebenen Grabplatte des Wolfhard Ebner († 1440, Kat.-Nr. 190) sind drei weitere Denkmäler im Bearbeitungszeitraum erhalten, die nicht von Steinmetzen, sondern von Bildschnitzern ausgeführt wurden235). Es handelt sich um die Grabplatten für Georg Drexel (†1498, Kat.-Nr. 317), Paulus Meck (†1477, Kat.-Nr. 259) und einen Kleriker (†1495, Kat.-Nr. 306), dessen Name bislang nicht bestimmt werden konnte. Gerade auf dem Drexel-Denkmal finden sich in der sehr fein eingehauenen Inschrift Versal-Formen, die bei den oben beschriebenen Inschriften so nicht vorhanden sind: ein fast bogenförmiges A mit einem s-förmigen Mittelbalken; drei unterschiedliche D, dem einen ist in die Rundung eine kleine Haste eingestellt, das andere fast kreisförmig, mit einem s-förmigen Schaft in der Rundung, dem dritten ist auf der linken Seite noch ein leicht geschwungener Bogen beigestellt. Das O besteht aus zwei ineinander greifenden Halbkreisen, das G aus einem Dreiviertelkreis, [Druckseite LXXV] in den von oben eine halbe Haste hineinragt und im rechten oberen Teil bogenförmig schließt.

Das Minuskel-a kommt bei der Meck-Inschrift in weiteren Varianten vor: das a in Paulus hat einen geraden rechten Schaft mit leicht gebrochenem unteren Schaftende, der obere Teil schließt in einem halbrunden, verdickt auslaufenden Bogen am Schaft an. Der untere Bogen ist fast auf ein Quadrangel reduziert. Das a in ac zeigt sich in dieser Form nur einmal, mit einem kürzeren rechten Schaft, der unten leicht nach rechts abknickt, im 90° Winkel schließt sich gerader Balken nach links an, der wiederum im selben Winkel mit kürzerem Schaft knickt. Völlig freischwebend ohne Berührung mit dem kurzen Schaft ein kleiner, geknickter oberer Bogen oben rechts. Unten links ist ein ebenfalls gerader, kürzerer Schaft eingehauen, der unten nach rechts abknickt. Dieser Buchstabe könnte auf den ersten Blick als rundes s gelesen werden.

Ebenfalls auf der Grabplatte des Domherren Meck fällt der Versal R in Ratisbonensis auf, mit einem linken Schaft, der unten nach rechts und oben nach links abknickt. Ohne Berührung mit den beiden Buchstabenelementen ist rechts eine Art Bogen-r angefügt mit geschwungener, nach rechts abknickender Cauda. Auf dem Denkmal unbekannten Domherren (Kat,.Nr, 306) findet sich eine erhaben gearbeitete Inschrift, deren Buchstaben alle Variationen der Minuskelschrift mit Versalien zeigen. Ein O, dessen linker Bogen in der Mitte zwei Zacken aufweist, ein gerader Schaft ist im Inneren des Buchstabens an den linken Bogen herangerückt, ein spitz zulaufender Bogen und ein geschwungener rechter Bogen schließen den Buchstaben ab. Die Form des E kommt in dem bearbeiteten Bestand nur hier vor. Ein halber Bogen ist im oberen Drittel gebrochen und läuft zu einem ebenfalls gebrochenen Schrägdach aus. Im oberen Drittel ist ein Balken in die Rundung eingefügt. Die Minuskeln sind nahe aneinandergerückt, die oberen und unteren Bögen des s sind mit feinen Haarstrichen geziert. Die Worte trennen gestreckte Quadrangeln mit feinen Zierhäkchen.

Auch auf Grund der Unterschiedlichkeit der Schriftformen kann man bei diesen drei Denkmälern durchaus, wie Liedke feststellt, von unterschiedlichen Künstlern sprechen236).

Inschriften der Glasfenster

Um 1230 datieren die ältesten Scheiben im gotischen Dom, die aus dem romanischen Vorgängerbau übernommen worden sind. Es handelt sich um die Reste eines Genealogie-Christi-Fensters (Kat.-Nr. 4)237). Die Inschriften befinden sich zum Teil an den Seitenrändern. Die Buchstaben, die hier einzeln verbleit sind, wirken dünn und gestreckt, besonders im unteren Teil zeigen sich kaum Verdickungen an den Hasten und Balken. Ein noch nicht geschlossenes unziales E ist zu erkennen, ebenso ein kapitales E. Die A sind trapezförmig mit leicht verdicktem rechten Schaft. Neben den Randinschriften auf den Scheiben zeigen die Rahmeninschriften und Schriftbänder deutliche Anzeichen der Entwicklung hin zur Gotischen Majuskel. Das kreisrunde O ist am rechten und linken Bogen deutlich verdickt, die Bögen des S sind verdickt und enden mit schwalbenschwanzförmigen Sporen, sodass sich dieser Buchstabe fast zum Oval schließt.

In der Inschrift des Salathiel zeigen sich feine Haarstriche an den Hasten und Balken des trapezförmigen A und des T, ein L zeigt einen gebogenen Schaft mit geschwungenem Balken, das H wird in unzialer Form dargeboten.

Die zeitlich folgenden Inschriften auf den Glasfenstern sind etwa 70 Jahre später datiert. Es handelt sich um die Inschriften für die bedeutendsten Förderer des gotischen Dombaues, die Bischöfe Heinrich von Rotteneck und Konrad von Lupburg (Kat.-Nr. 22). Die Namen der Stifter, die in einem die Figuren umfassenden genasten Dreipass eingeschrieben sind, weisen bereits einen großen Teil des Formenkanons der Gotischen Majuskel auf und bestätigen damit ein weiteres Mal die Bedeutung des Materials für die Schriftentwicklung238). Vergleicht man die wenigen auf uns gekommenen Lapidarinschriften (z. B. Kat.-Nr. 13) aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, so sind die Unterschiede gravierend. Während diese in Stein gehauene Inschrift zum großen Teil geradlinige kapitale Buchstabenformen zeigt, präsentiert sich die Stifterinschrift im Fenster mit einigen Varianten der Gotischen Majuskel. Die Buchstaben sind eng in den schmalen Rahmen gedrängt. Das E ist sowohl in unzialer Form ganz geschlossen dargeboten als auch als kapitales E, das A trapezförmig mit über die Schäfte hinausragendem Deckbalken und dem Mittelbalken im oberen Drittel, das O als Oval mit fast dreieckförmigen [Druckseite LXXVI] Verdickungen in den Rundungen. Die Schäfte des T und V sind im oberen Drittel stark verdickt. Der Mittelteil des S ist ebenfalls verdickt, die Rundungen oben und unten laufen schwalbenschwanzförmig aus. Die Cauda des R ist im oberen Drittel angesetzt, zeigt in der Mitte eine deutliche Verdickung und schwingt mit feinem Strich nach rechts aus, in einem Fall mit perlenförmiger Serife. Die Inschrift wirkt gedrängt; dieser Eindruck verstärkt sich noch durch die Buchstabenverbindungen. Kleine Punkte trennen die Worte.

Im Thundorfer-Fenster (Kat.-Nr. 23), das etwa zur gleichen Zeit entstanden ist, zeigen sich ebenfalls die Schriftformen der hochgotischen Majuskel. In der Inschrift für den Evangelisten Johannes im Nimbus wird das H in unzialer Form geboten, mit einem kleinen Balken oben an der Haste. Das G ist gerundet mit Verdickungen und schließt mit eingerollter Cauda.

Dagegen wirkt die um 1300 datierte Inschrift im Nimbus des Hl. Philippus (Kat.-Nr. 21), was die Buchstabenformen betrifft, unelegant, sie haben wenig Ähnlichkeit mit der Gestaltung der oben beschriebenen Inschriften. Das breite kapitale H (im Thundorfer-Fenster als unziale Form) wirkt klobig, die Verdickungen an den Schäften des P, des L und des I zeigen keine Einschnürungen. So kann hier möglicherweise anhand der Schriftformen die These bestätigt werden, dass diese Scheiben in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts datiert werden sollten239).

Die folgenden vier Glasfenster sind um 1315 datiert. In den Inschriften des Apostelfensters (Kat.-Nr. 35), vor allem bei Jakobus Maior, werden die Buchstaben mit mehr Zierrat ausgestattet. Der linke Schaft des B und des R läuft oben und unten in feinen gerollten Haarstrichen aus, an den oberen Bogen des eingerollten G ist noch ein feiner Zierstrich angesetzt. Die Rundung des geschlossenen C ist stark verdickt.

Im Bischof-Nikolaus-Fenster (Kat.-Nr. 36) wurden dann schon alle charakteristischen Formen der Gotischen Majuskel verwendet. Die Buchstaben in der Inschrift des Hl. Nikolaus sind durch große Abstände voneinander getrennt und nehmen fast quadratische Formen an. Erstmalig wird hier das N in runder Form, das A pseudounzial verwendet.

Ein etwas anderes Bild zeigen die Inschriften zu beiden Seiten des Stifters. Während der Name des Stifters auf dem Schriftband an der rechten Seite stark verdickte Schäfte zeigt und dadurch ziemlich klobig wirkt, ist das Schriftband an der linken Seite feiner und mit kleineren Buchstaben beschrieben. Die E sind unzial und mit Haarstrichen geschlossen, die den oberen und unteren Zeilenrand berühren. Das M ist kapital mit verdickten Schäften, das A trapezförmig mit verdickten Hasten und weit überstehenden Balken am oberen Abschluss. Das T ist in kapitaler Form geboten, die gerundete, verdickte Cauda des R endet mit einer punktförmigen Serife.

Die genannten Kriterien der Formgebung der Buchstaben weisen auch die zeitlich folgenden Fenster des Domes auf. Die Ausführung hingegen zeigt große Varianten. Die Buchstaben erscheinen zum Teil gedrängt und schmal, was sicher häufig mit dem begrenzten Raum z. B. in den Nimben der Heiligen zusammenhängen mag. Nicht zu bestimmen sind die verschiedenen Hände, die diese Inschriften in den Fenstern geschaffen haben. Auf dem Passionsfenster des Stifters Konrad von Parsberg (Kat.-Nr. 37) finden sich die Schäfte des V, M, N und A mit einem feinen Strich gedoppelt.

Wiederum ein anderes Schriftbild bietet sich in den Inschriften der Fenster der Hl. Sippe (Kat.-Nr. 38), das ebenfalls um 1315 datiert ist. Es handelt sich hier ausschließlich um Inschriften auf Schriftbändern. In diesen 17 Inschriften, so scheint es, wurden alle bisher ausgeführten Buchstabenformen verwendet. Die Buchstaben weisen zum Teil eine gestreckte Form auf im Größenverhältnis 1:2. Die A in der Inschrift der Hl. Anna sind beide pseudounzial mit überstehenden Deckbalken, das N ist einmal in kapitaler Form mit sehr dünnen Schrägschaft und einmal in gerundeter Form gestaltet. Die E sind sowohl in unzialer als auch in kapitaler Form wiedergegeben. Die M und H sind in diesen Fenstern nur in kapitaler Form geboten.

Die beiden um 1325 datierten Fenster, das Auer-Fenster und ein einbahniges Lanzettfenster im südlichen Querhaus (Kat.-Nrn. 48, 49) zeigen keine neuen Buchstabenvarianten.

Zwischen 1330 und 1340 wurde die nächste Serie an Glasfenstern für den Dom gefertigt.

Die Inschriften hier sind allesamt Gotische Majuskelinschriften, die, ohne geringfügige Varianten zu beschreiben, die abgeschlossenen unzialen bzw. runden Formen dieses Schrifttypes aufweisen. Die A in den Nimben der Apostel Jacobus Maior und des Hl. Bartholomäus (Kat.-Nr. 58) sind pseudounzial mit Verdickungen am linken Schaft und weit überstehendem oberen Balken, das M der Jakobusinschrift erscheint erstmalig mit linkem geschlossenen Bogen, der verdickte rechte Bogen biegt sich nach rechts auf. Die Buchstaben sind mit großen Abständen gemalt und die Worte durch Punkte voneinander [Druckseite LXXVII] getrennt. Die Buchstaben der Inschrift für Johannes (Kat.-Nr. 59) wirken wiederum gestreckt und eng aneinandergesetzt. Sie zeigen die Spielarten beschriebenen Buchstabenformen. In den Inschriften des Christinen-Fensters (Kat.-Nr. 64) trägt das pseudounziale A erstmalig einen geknickten Mittelbalken und im etwa zeitgleich datierten Jüngeren Nothelferfenster (Kat.-Nr. 63) erscheint ebenfalls erstmalig bei den Fensterinschriften ein symmetrisches kreisrundes M mit Abschlussstrich. Diese Entwicklung setzt sich fort in den Formen der Evangelisteninschriften des Fensters der Katharinenfragmente (Kat.-Nr. 62). Auch hier wird das M in gerundeter Form gestaltet, einmal ganz geschlossen, einmal symmetrisch gerundet mit beidseitig nach außen aufgebogenen Bogenenden. Auch das H ist in gerundeter Form geboten. Das N tritt, wie so oft auch bei den Majuskelinschriften, die in Stein gehauen sind, nebeneinander in kapitaler und runder Form auf.

Etwa 30 Jahre später sind vier Fenster datiert, die Inschriften mit Gotischen Majuskelbuchstaben tragen. Bei den Inschriften dieser Glasfenster sind nochmals Veränderungen in den Formen festzustellen. Im sog. Marientod-Fenster (Kat.-Nr. 85) haben die durchgehend runden Formen fast dreieckförmige starke Schwellungen an den Schäften. Die M sind auch hier voll gerundet, in einem Fall trägt der Mittelschaft einen kleinen Balken in der Mitte. Das S hat im Mittelteil eine starke Schwellung, die beiden oberen und unteren Bögen laufen mit feinen nach außen aufgebogenen Strichen aus und schließen fast mit der mittleren Rundung. Die Cauda des eher schmalen R wirkt durch seine Verdickung wie geknickt. Die Buchstaben der Nimbeninschriften auf dem Tabernakelfenster (Kat.-Nr. 89), vor allem die des Jakobus Minor und des Philippus, zeigen wieder eher runde Schwellungen und weniger Zierformen, sind aber ohne Ausnahme den gerundeten Formen der Gotischen Majuskel zuzuordnen. In dem Epiphanie-Fenster (Kat.-Nr. 87) sind sowohl die Rundungen als auch die Schäfte zum Teil durch feine Striche gedoppelt.

In dem um 1350 datierten Marienfenster wurden die Inschriften erstmalig in der neuen Form, der Gotischen Minuskel gestaltet (Kat.-Nr. 69). Es handelt sich um Schriftbänder, in denen die Inschriften eingeschrieben sind, und um Inschriften in einem Buch, das Maria in der Hand hält. Der Name Joachim ist dreimal geschrieben, zweimal schließt das zweistöckige a mit rundem Bogen, einmal ist der Schaft des unteren Bogens geknickt, die Oberlänge des linken Schaftes des h berührt beide Male die Begrenzung des Schriftbandes. Die beiden senkrechten Teile der gebrochenen Bögen des o schließen im oberen Teil mit einem feinen Strich. Zweimal ist dieser Name in Versalien wiedergegeben, wobei das J sich einmal mit gezacktem Schaft zeigt. Beim dritten Mal werden ausschließlich Minuskeln verwendet. Im a zu Beginn von anna ist der obere und der untere Bogen geknickt und beide Bögen schließen spitz an den rechten Schaft.

Diese Namen sind mit weißer Farbe auf schwarzem Grund aufgetragen, die Inschriften der Schriftbänder und im Buch sind mit schwarzer Farbe auf weißem Grund aufgemalt. Die Buchstaben stehen eng aneinander, sie sind dünn in die Schriftbänder eingeschrieben. Die Unterlängen sprengen kaum die Linie, lediglich die beiden l des tolle haben Oberlängen.

In dem zehn Jahre später datierten Heiligenfenster (Kat.-Nr. 79) finden sich zwei Inschriften in den Tabernakelgewänden für die Regensburger Bistumsheiligen Wolfgang und Emmeram in Gotischen Majuskeln. Auch die Beschriftung des Prophetenfensters (Kat.-Nr. 78) zeigt diese Buchstabenform.

Hier wird noch einmal der ganze Variantenreichtum dieser dekorativen Schrift demonstriert. Die Schäfte und Rundungen sind verdickt, die E oval und voll geschlossen, M und N rund, die A in der pseudounzialen Form. In der Inschrift für den Propheten Ysaias sind die linken gerundeten und stark verdickten Schäfte des A an der Innenseite mit einem feinen Strich gedoppelt, die Bögen des S laufen mit feinen gebogenen Sporen aus. Das I hat mittig eine Verdickung (Nodus). Was die Inschriften der Glasfenster betrifft, so handelt es sich hier um das letzte mit Gotischer Majuskel beschriebene Fenster.

Die Existenz der beiden im 14. Jahrhundert dominierenden Schriftformen nebeneinander innerhalb einer Dekade kann an den beiden um 1370 datierten Fenstern, dem Geburt-Christi-Fenster und dem Kreuzigungsfenster (Kat.-Nrn. 86, 88), gezeigt werden. Bei diesen beiden Fenstern bewegen sich alle Minuskelbuchstaben zwischen zwei Linien, nur bei dem Geburt-Christi-Fenster durchbricht das l geringfügig die obere Begrenzungslinie. Sie zeigen alle Kriterien der Gotischen Minuskel. Die Buchstaben auf den Schriftbändern des Kreuzigungsfensters sind großzügig angeordnet, die Worte durch blütenartige Zeichen getrennt. Der linke Schaft des v ist länger als der rechte Schaft und knickt im oberen Bereich nach schräg links oben ab. Das a im Geburt-Christi-Fenster ist zweistöckig, der rechte obere Bogen ist gebrochen und endet in einem feinen Strich, der mit dem senkrechten Teil des ebenfalls gebrochenen unteren Bogens schließt. Die e haben einen abgeknickten oberen Bogenabschnitt, der Balken ist zu einem Schrägstrich reduziert. Die Schäfte des x sind ebenfalls zu Fahnen geknickt. Die Initialen im Astkreuz hingegen sind in Gotischer Majuskel gestaltet.

Aus dem 15. Jahrhundert sind noch insgesamt drei Glasfenster erhalten, die mit Inschriften ausgestattet sind. Die zahlreichen Inschriften des um 1440 datierten Waldeisenfensters (Kat.-Nr. 191) zeigen [Druckseite LXXVIII] ausschließlich Minuskelbuchstaben. Da es sich hier mit Ausnahme von Teilen einer Inschrift am unteren Rand des Stifterfensters um Nimben- und Schriftbandinschriften handelt, ist der Raum für die Gestaltung der Ober- und Unterlängen begrenzt. In den Nimbeninschriften finden sich keine Unterlängen, die Inschriften in den Schriftbändern bleiben ebenfalls zwischen zwei Linien. Nur wenige und wie es scheint willkürlich benützte Versalien zu Beginn der Heiligennamen werden verwendet. Hier fällt eine Sonderform des M im Nimbus der Maria auf. Es ist voll geschlossen, die rechte und linke Haste dreifach geknickt, im oberen Bereich wird dieser Buchstabe durch zwei geschwungene Balken abgeschlossen. Ebenfalls in dieser Nimbusinschrift wird ein S für Sanctus verwendet, das stark an die Form der Gotischen Majuskel erinnert. Als Trennzeichen finden sich neben Punkten auch Blütenformen und Paragraphenzeichen. In all den Inschriften werden keine Buchstabenverbindungen angewendet.

Auch im Weltgerichtsfenster (um 1450, Kat.-Nr. 205) werden mit Ausnahme des J bei Johannes ausschließlich Minuskeln verwendet. Im ebenfalls um 1450 datierten Ramsbergfenster (Kat.-Nr. 206) tragen vier Nimben die Namen der Heiligen. Nur die S des Sanctus von drei Heiligen sind Versalien. Auch hier zeigen sich mehrere Spielarten von Worttrennern wie Blüten und Blattornamente am Beginn und am Ende der Inschriften.

Mit diesen Fenstern aus der Mitte des 15. Jahrhunderts fand die mittelalterliche Verglasung der Domfenster ihren Abschluss240). Zusammenfassend kann hier festgestellt werden, dass die Entwicklung der Inschriftenschrift auf den Fenstern unter Berücksichtigung der großen zeitlichen Lücke zwischen den frühen Fenstern aus dem romanischen Vorgängerbau hin zu den ersten Glasfenstern des gotischen Domes kontinuierlich verlief. So zeigen sich bei den Inschriften der Fenster des gotischen Domes einige Kriterien der frühen Gotischen Majuskel, die dann während des 14. Jahrhunderts mit vielen Varianten die dominierende Schriftform darstellt. In der Natur der Sache liegt es, dass auf den Fenstern, die in der Hauptsache Szenen aus der Heilsgeschichte, Heilige und Stifter zeigen, anders als bei den Lapidarinschriften niemals genaue Datierungen zu finden sind. So muss hier z. B. bei einer Feststellung der Ablösung der Gotischen Majuskel durch die Gotischen Minuskel Vorsicht walten; die Verfasser haben sich, was die Datierungen anbetrifft, an die bisherigen Forschungsergebnisse angelehnt. So bleibt das um 1350 datierte Marienfenster, dessen Inschriften Gotische Minuskeln zeigen, doch immerhin für 20 Jahre ohne Nachfolge. In den 70er Jahren des 14. Jahrhunderts hat sich dann die Gotische Minuskel auch für die Fensterbeschriftungen durchgesetzt.

Im Vergleich mit den Lapidarinschriften im Dombereich, die ab 1375 diese Schriftform zeigen, könnte man unabhängig vom Material eine gleiche epigraphische Entwicklung feststellen.

Neben den wenigen Beispielen von frühen Formen einer Romanischen Majuskel bleibt im Bearbeitungszeitraum die Gotische Majuskel bis in das letzte Viertel des 14. Jahrhunderts die bestimmende Schriftform241). Soweit überschaubar, trifft diese Schriftentwicklung in etwa für die Inschriften im gesamten Stadtbereich und im Umland zu242). Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts entwickelt sich die aus Frankreich kommende Gotische Minuskel zur bestimmenden Inschriftenform sowohl bei aufgemalten Inschriften als auch bei Inschriften, die in Stein, Metall und anderen Materialien gearbeitet sind 243).

Auf Grund der großen Zahl an Denkmälern, die ab dem Ende des 13. Jahrhunderts im Original vorhanden sind, bieten sich hier, was den Dombereich betrifft, für die Inschriftenpaläographie wertvolle Beispiele, um die Entwicklung hin zur Perfektion bei den Schriftformen zu beobachten und nachzuvollziehen. Da im Dombereich im bearbeiteten Zeitraum keine Grabplatten und Epitaphien signiert sind, stellt die Kenntnis der hier tätigen Steinmetze, Künstler und Werkmeister einen unschätzbaren Wert auch für die Zuordnung der jeweiligen Denkmäler dar244).

Was die Schrift der Gotischen Minuskel betrifft, so kann bei einer Vorausschau in das 16. Jahrhundert festgestellt werden, dass sich dieser Schrifttyp bis weit über die Mitte des Jahrhunderts behauptet. Offensichtlich hat der letzte bedeutende Dommeister, Wolfgang Roriczer, der im Jahr 1514 enthauptet wurde, die Vorlagen für die Schriftformen geliefert, denn neben geringfügigen Varianten [Druckseite LXXIX] bleibt das Schriftbild zumindest sehr ähnlich. Daneben findet sich ab der Mitte des 16. Jahrhunderts immer mehr die Form der Renaissance-Kapitalschrift, vor allem auf den häufig vielzeiligen Inschriften der monumentalen Epitaphien mit Halbfiguren.

Die Zahlzeichen

Römische Zahlzeichen behaupten sich bis in das 17. und 18. Jahrhundert hinein. Daneben kommen seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zunächst vereinzelt auch arabische Ziffern in den Inschriften vor245).

Im Jahr 1479 treten erstmalig in einer Grabinschrift im Dom (†1479, Kat.-Nr. 265) und in einer Votivtafel am Nordchor außen (Kat.-Nr. 266) arabische Zahlzeichen auf. Es handelt sich hier um die für diese Zeit üblichen Erscheinungsformen der Ziffern, einer I-förmigen Eins, einer schlingenförmigen 4 und einer lambdaförmigen 7. Die Jahreszahl 1482 ist als Datierung dreimal vertreten, einmal als Datum auf der Grabplatte des Frühhumanisten Johannes Mendl (Kat.-Nr. 272), auf dem Sockel der Kanzel im Dom (Kat.-Nr. 275) und als Baudatierung an der Westfassade des Domes (Kat.-Nr. 274). Eine nach links gewandte 5 in der Jahreszahl 1485, die bislang zu Fehldatierungen geführt hat, begegnet zweimal in Grabinschriften (Kat.-Nrn. 280, 281).

Die zögerliche Adaption von arabischen Zahlzeichen, was die Datierungen auf Grabdenkmälern und Epitaphien betrifft, zeigt sich z. B. auf der Grabplatte des Frühhumanisten Ulrich Part (Kat.-Nr. 286): A(n)no 14 lxxxvii die lunae nov(em) und ebenfalls an der Datumsangabe auf der Grabplatte für Pfarrer Georg Ebenhöch (Kat.-Nr. 288): A(nno) d(omi)ni M cccc 88 die 12 k(a)l(endas)246). Konsequent kennzeichneten dagegen die Steinmetze und Künstler ihre Werke mit arabischen Zahlen. Die erste arabische Zahleninschrift nennt das Jahr 1464 und bezieht sich auf den Einbau eines Aufzugschachtes im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffes (Kat.-Nr. 237). Die Fertigstellung von Bauabschnitten an der Außenfassade des Domes wird mit diesen Zahlen sichtbar und eindrucksvoll demonstriert (Kat.-Nrn.198, 199, 274, 284, 289). Die Sonnenuhr aus dem Jahr 1487 an der Südfassade des Domes (Kat.-Nr. 287), das berühmte Sakramentshaus im Dom und der Dombrunnen (Kat.-Nrn. 300, 329) tragen die moderne Form der Datierung.

Zitationshinweis:

DI 74, Inschriften des Regensburger Doms (I), Einleitung, 7. Die Schriftformen (Walburga Knorr, Werner Mayer), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di074m013e009.

  1. Koch, Auf dem Wege zur gotischen Majuskel 227f., hier wird auf die Schwierigkeiten einer einheitlichen Terminologie hingewiesen. »
  2. Kloos, Epigraphik 123f.; Koch, Auf dem Wege zur gotischen Majuskel 231. »
  3. Spätesten um 1325 waren die drei Chöre des Domes vollendet, s. o. XIV. »
  4. Die vierte Inschrift in der Tafel ist verloren. Sie ist 1376 datiert und war, traut man dem Kopisten, in Gotischer Minuskel eingehauen. »
  5. Diese Inschrift kann auf Grund des vorhandenen Fotomaterials zum Vergleich herangezogen werden. »
  6. Kloos, Epigraphik 136; DI 67 (Passau) XLI (Anm. 212) zusammenfassend über die Entwicklung der Gotischen Minuskel im deutschen Raum; Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 66–68. »
  7. Soweit in Regensburg überschaubar gibt es einige wenige Beispiele für früher datierte Gotische Minuskelinschriften, vgl. DI 40 (Regensburg I), Kat.-Nr. 56 vom Jahr 1356; zwei weitere frühe Minuskelschriften finden sich, datiert von 1360–1370, auf einem Glasfenster der Minoritenkirche, ebenda, Kat.-Nr. 64 und auf einem Fragment einer Grabplatte, ebenda Kat.-Nr. 65»
  8. S. o. XXXVIII. »
  9. S. o. XXXIIf. »
  10. S. o. XXXIII. »
  11. S. o. LI. »
  12. S. o. XXVII, XXX. »
  13. S. Kat.-Nrn. 142, 147, 148, 172, 179»
  14. Nicht beschrieben wegen des schlechten Zustandes wird der Scheitelstein des Domherren Johannes Ramsberger (Kat.-Nr. 149). »
  15. Kloos, Epigraphik 54. »
  16. S. o. LIX f. »
  17. Kohn, Versuch einer Typologie der Versalien 74f. »
  18. Vgl. auch Kaspar Schenk † 1468, Kat.-Nr. 246»
  19. S. o. LVIff. »
  20. Kat.-Nrn. 280, 313, 319, 324, 326»
  21. S o. LVI ff. »
  22. S. o. LIII ff. »
  23. Zur Zuschreibung s. o. LIX ff. »
  24. S. o. LX. »
  25. Rekonstruktion des romanischen Fensters bei Hubel, Glasmalereien 1981, 15–17 und Fritzsche, Glasmalereien 14–24. »
  26. Koch, Inschriftenpaläographie 211f. »
  27. Hubel, Glasmalereien 2002, 24. »
  28. Hubel/Kurmann, Der Regensburger Dom 96; s. o. XLII. »
  29. Bauer, Mainzer Epigraphik 34–41; Kloos, Epigraphik 129–134; Koch, Inschriftenpaläographie 201–216. In St. Emmeram finden sich schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts Beispiele von frühen Lapidarinschriften in dieser Schriftform; vgl. hierzu Kdm Regensburg I, 290 (Abb. 198), Grabplatte des Abtes Peringer (†1201). »
  30. DI 40 (Regensburg I), XXXIVf. »
  31. Neumüllers-Klauser, Schrift und Sprache 64f. In Regensburg findet sich ein frühes Beispiel einer Minuskelinschrift, die einem Guardian des Minoritenklosters zugeordnet ist. Dieses Beispiel bleibt aber als in Stein gehauene Inschrift singulär; vgl. DI 40 (Regensburg I), Kat.-Nr. 56»
  32. S. o. XLII-LX mit Werklisten der jeweiligen Dommeister. »
  33. Menninger, Zahlwort und Ziffern 92ff.; Kloos, Epigraphik 62–64; Bischoff, Paläographie 232ff.; Terminologie zur Schriftbeschreibung 84–94; Wehking/Wulf, Leitfaden 66f. »
  34. Weitere Beispiele für arabische Zahlen auf Grabplatten und Epitaphien s. Kat.-Nrn. 285, 288, 292, 301, 303, 306, 308, 319, 321»