Die Inschriften der Stadt Osnabrück

2. DIE OSNABRÜCKER INSCHRIFTEN – EINORDNUNG IN DIE STADTGESCHICHTE UND QUELLENWERT1)

Nach der Unterwerfung der Sachsen richtete Karl der Große um 780 eine Missionsstation an einer Furt durch die Hase ein, die noch vor dem Ende des 8. Jahrhunderts zum Bistum Osnabrück erhoben wurde. In den 80er Jahren des 8. Jahrhunderts wurde die erste Kirche vermutlich durch Bischof Agilfried von Lüttich geweiht und unter das Patronat des Apostels Paulus und der Märtyrer Crispin und Crispinian gestellt. Wahrscheinlich schenkte Karl der Große der Osnabrücker Kirche die Reliquien dieser beiden Märtyrer, die zentraler Gegenstand der Verehrung wurden2). Die karolingische Domburg war der Ausgangspunkt für die spätere Stadtentwicklung, entsprechend finden sich auch im Domschatz die ältesten Inschriftenträger Osnabrücks.

Die Baugeschichte des heutigen Doms reicht ins 11. Jahrhundert zurück, die wesentliche Bauphase fällt in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts3). Der Umstand, daß für diese frühe Zeit keine Grabinschriften für Osnabrücker Bischöfe aus dem Dom überliefert sind, ist auch darauf zurückzuführen, daß seit Benno II. (1068–1088) Kloster Iburg zur Residenz der Osnabrücker Bischöfe und für einige von ihnen zur Grablege4) wurde. So sind aus dem 12. Jahrhundert lediglich Inschriften an sakralem Gerät überliefert. Seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts rücken dann auch die anderen Osnabrücker Kirchen ins Blickfeld der epigraphischen Untersuchung. Schon 1011 war durch Bischof Detmar (1003–1023) das Stift St. Johann begründet worden, um das später die Osnabrücker Neustadt wuchs. Die heutige Kirche wurde in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut und 1292 geweiht.

In der sich um den Dom herum entwickelnden Altstadt entstand zunächst die Marienkirche, deren Ursprünge als Marktkirche sich baugeschichtlich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen lassen5)und [Druckseite XI] die 1218 erstmalig urkundlich erwähnt wird. Ihr Langhaus wurde im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts erbaut. Wohl im Zuge dieser Baumaßnahmen wurde ein neuer Altar errichtet (Nr. 14), dessen Inschrift erstmals weltliche Stifter nennt, vermutlich ein Ehepaar aus einem Ministerialengeschlecht. Im Chorumgang der Marienkirche liegt die älteste erhaltene Grabplatte Osnabrücks (Nr. 18) für den Priester Johann von Ascheberg aus dem Jahr 1354. Der Chorumgang selbst entstand in seiner heutigen fünfseitigen Form zusammen mit dem Chor um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Auf die Verdienste des Pastors Heinrich Cock um den Umbau verweist ein Stifterbildnis (Nr. 37), das sich heute in der Sakristei der Marienkirche befindet. Als eine weitere Bürgerkirche wurde in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Katharinenkirche am südlichen Rand der Altstadt errichtet. Ein Ablaßbrief für den zweiten Bau ist auf das Jahr 1342 datiert6). Als einzige der Osnabrücker Kirchen trägt die Katharinenkirche Bauinschriften7); sie stammen aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts.

In das 13. Jahrhundert fallen drei Klostergründungen. Die Franziskaner ließen sich in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts auf der Nordseite der Katharinenkirche nieder, die Augustiner 1287 am Neumarkt. 1295 wurde das Dominikanerkloster am Natruper Tor begründet, das danach den Namen Natrup erhielt. Bereits im 12. Jahrhundert war das Benediktinerinnenkloster auf dem Gertrudenberg eingerichtet worden; aus einer Gemeinschaft von Beginen entstand um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Augustinerinnenkloster Marienstätte (vgl. Nr. 53). Auf die Auflösung der Klöster während der Reformationszeit und durch die Säkularisation ist es zurückzuführen, daß nur sehr wenige Inschriften aus diesem Bereich überliefert sind8).

Die Kirchenbauten des 13. Jahrhunderts haben die Entwicklung eines städtischen Gemeinwesens zur Voraussetzung, das sich allerdings in der Inschriftenüberlieferung zunächst noch nicht niederschlägt. Die durch Handel und Gewerbe geprägte Altstadt und die landwirtschaftlich ausgerichtete Neustadt wuchsen zunächst als eigenständige Gebilde nebeneinander. Das Zentrum der Altstadt bildete die als Handwerkersiedlung um den Dom herum entstandene Binnenburg, die die Marktlaischaft mit der Marienkirche einbezog. Bis zum 13. Jahrhundert hatte sich die Altstadt erheblich vergrößert, im Norden grenzte an die Binnenburg nun die Haselaischaft, im Westen die Butenburg und im Süden die Johannislaischaft9). Ende des 13. Jahrhunderts war die Altstadt mit einem Mauerring umgeben10). Auch die Neustadt erhielt im 13. Jahrhundert Befestigungsanlagen, so daß bei dem Zusammenschluß der beiden Stadtteile im Jahr 1306 ein einheitliches, von Mauern umschlossenes Gebilde entstand. Jeder der beiden Stadtteile behielt jedoch seine eigene Verwaltung und sein eigenes Rathaus. Nach außen wurde die Stadt durch den aus der Altstadt stammenden Bürgermeister repräsentiert, daneben stand der Bürgermeister der Neustadt und seit 1336 ein zweiter Bürgermeister der Altstadt. Ihr Verteidigungswesen organisierte die Stadt unabhängig vom Bischof11). Es beruhte auf einer Einteilung in Gilde, in der die elf privilegierten Handwerksämter zusammengeschlossen waren, und Wehr, die die übrige Bürgerschaft erfaßte. Die Truppen des Landesherren wurden in der Stadt nicht geduldet, eine Beteiligung der Stadt an militärischen Unternehmungen des Bischofs erfolgte grundsätzlich auf freiwilliger Basis.

Die Entwicklung der städtischen Selbstverwaltung manifestierte sich in der Kodifizierung der „Sate“, der Ratswahlordnung, im Jahr 134812). Noch im 14. Jahrhundert wurde wohl auch die rein weltlichen Zwecken dienende „Burglocke“ (Nr. 22) der Marienkirche gegossen, die laut ihrer Inschrift das Ende der Ratswahl verkündete. Es handelt sich dabei um die älteste Inschrift aus dem bürgerlichen Bereich und um eine der ersten volkssprachigen Inschriften Osnabrücks. Seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts führte die Stadt ein eigenes Siegel, das Rad, das identisch mit dem Bischofssiegel war und damit auf den Ursprung der Stadt und ihre Abhängigkeit vom Bischof verwies. Die Machtverhältnisse verschoben sich jedoch im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts erheblich zugunsten der Stadt, die ihre Privilegien ständig ausbaute und durch die Beteiligung an der Bischofswahl Einfluß auf die Regierung des Bistums nahm. Neben Domkapitel und Ritterschaft als dritter Stand an der Landesregierung beteiligt, entwickelte sie sich zu einem gleichwertigen politischen Partner. Seither war das [Druckseite XII] Verhältnis zwischen Stadt und Bischof bestimmt durch die gegenseitige Abhängigkeit, die beide Parteien grundsätzlich ein möglichst einvernehmliches Verhältnis anstreben ließ. Der Bischof war häufig auf die Unterstützung der Stadt angewiesen, um sich gegenüber dem zunehmend selbstbewusster auftretenden Domkapitel durchzusetzen. Strittige Punkte gab es jedoch zwischen allen drei Parteien, so daß es je nach Interessenlage zu immer wieder wechselnden Koalitionen kam.

Die wirtschaftliche Bedeutung Osnabrücks gründete sich auf das Handwerk13), seit dem 14. Jahrhundert in erster Linie auf das vom Rat geförderte Textilgewerbe. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts läßt sich die städtische Legge nachweisen, eine Qualitätskontrolle für Leinwand. Bezeichnend für deren überregional guten Ruf ist die Tatsache, daß sich auch auswertige Erzeuger um das Osnabrücker Leggezeichen für ihre Produkte bemühten. Einen regelmäßigen Handelsverkehr unterhielt Osnabrück zunächst mit den westfälischen Städten. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts lassen sich erste Handelsbeziehungen zu den Städten der Nord- und Ostsee nachweisen. Seit 1412 nahm Osnabrück an den Hansetagen teil, es gehörte jedoch niemals zu den bedeutenden Hansestädten, und die Osnabrücker Kaufleute erreichten nie das Format hansischer Großkaufleute. Der Einfluß der führenden Hansestädte spiegelt sich jedoch in den Steinbauten mit Treppengiebeln am Markt (Nr. 83, 84), die - heute restauriert - aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammen. Sie hoben sich als besonders repräsentative Bauten von den sonst üblichen Fachwerkhäusern ab und überstanden im Gegensatz zu jenen offenbar den großen Altstadtbrand von 1613.

Einen besonderen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte Osnabrück in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts nach einer langen Zeit der Fehden und Unruhen in der ersten Jahrhunderthälfte, die die Stadt wirtschaftlich erschüttert hatten. Die darauffolgende Friedenszeit war geprägt durch das Zusammenwirken des Bischofs Konrad von Diepholz (1455–1482) (Nr. 57) mit dem Bürgermeister Ertwin Ertmann (1477–1505) (Nr. 88), der gleichzeitig als bischöflicher Rat fungierte. Noch während der Regierungszeit Ertmanns kam es jedoch im Jahr 1488 – wie um dieselbe Zeit auch in anderen Städten des Reichs – zu einem Aufstand (vgl. Nr. 66), der von den unteren Schichten des Bürgertums, besonders von den kleinen Handwerkern, getragen wurde14). Die Forderungen der Aufständischen richteten sich hier wie bei einem weiteren Aufstand im Jahr 1525 im wesentlichen gegen die Verweltlichung des Klerus und gegen die Anhäufung von Besitz in dessen Händen. Hierbei handelte es sich zwar um den üblichen Forderungskatalog der Reformationszeit, er war indessen auch 1525 vorwiegend auf soziale Verbesserungen ausgerichtet, evangelische Bestrebungen blieben noch weitgehend ausgeklammert. Von einer reformatorischen Volksbewegung wie in den anderen Städten15), die von weiten Kreisen der Bürgerschaft getragen wurde, kann in Osnabrück um diese Zeit nicht die Rede sein. Als Osnabrücker Spezifikum kann vielmehr die sehr allmähliche Durchsetzung der Reformation16) im Einvernehmen zwischen Bürgerschaft, Rat und Landesherrn gelten.

Seit dem Beginn der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts waren lutherische Prediger in Osnabrück tätig, aber erst 1542 unternahm der Rat mit Erlaubnis des dem Protestantismus zugeneigten Bischofs Franz von Waldeck (1532–1543) Schritte zur Einführung der Reformation. Er berief den Lübecker Stadtsuperintendenten Hermann Bonnus nach Osnabrück, der mit dem Entwurf einer evangelischen Kirchenordnung beauftragt wurde. Diese wurde 1543 für alle Osnabrücker Kirchen mit Ausnahme des Doms eingeführt. Einen ganz entscheidenden Einfluß auf das Zusammenwirken von Bischof und Stadt während der Reformationszeit hatten die Bestrebungen des nach wie vor am alten Glauben festhaltenden Domkapitels, seine Machtposition gegenüber dem Bischof auszubauen. Aufgrund dieser Konstellation erfuhr die Stadt noch einmal weitere Stärkung gegenüber dem Bischof, bevor dann mit dem Ausbau der bischöflichen Landesherrschaft, die unter Johann von Hoya (1553–1574) mit der Errichtung eines Beamtenapparates begann, der Niedergang der städtischen Selbstverwaltung eingeleitet wurde.

Die Macht der Stadt um die Mitte des 16. Jahrhunderts dokumentierte sich nach außen hin in einer Verstärkung der Mauern, die sich während der erfolglosen Belagerung Osnabrücks durch Herzog Philipp Magnus von Braunschweig-Wolfenbüttel im Schmalkaldischen Krieg 1553 erstmals bewährten. Die unsicheren Verhältnisse der Zeit bewogen die Stadt, die Baumaßnahmen an den Befestigungsanlagen zu forcieren, sie dauerten noch bis zum Ende des Jahrhunderts an17). Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes und dem Augsburger Interim betrieben die zunehmend stärker [Druckseite XIII] werdenden katholischen Kräfte des Domkapitels, die sich bisher abwartend verhalten hatten, die Wiederherstellung der alten konfessionellen Verhältnisse. Wenn sich indessen auch der Bischof unter dem massiven Druck von allen Seiten zu einem Widerruf der Reformation bereitfand, hatte dieser doch kaum Auswirkungen auf die Glaubenshaltung der Bevölkerung, die den gegenreformatorischen Bestrebungen passiven Widerstand entgegensetzte. So blieben St. Marien und St. Katharinen weiterhin evangelische Pfarrkirchen, sieht man von der durch die Schweden beendeten gewaltsamen Rekatholisierung unter Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg (1625–1661) in den Jahren 1629–1633 ab. Sie blieben dies auch über den Westfälischen Frieden hinaus, da das »Instrumentum pacis Osnabrugense« 1624 als Normaljahr für die Wiederherstellung des alten konfessionellen Zustände zugrundelegte. Die Bürger gehörten ebenso wie der Rat seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zum überwiegenden Teil dem protestantischen Glauben an. Seit dem gewaltsamen Ende der „Katholischen Jahre“ 1633 war der Rat bis zum Jahr 1834 ausschließlich mit Protestanten besetzt18).

Während der westfälischen Friedensverhandlungen bemühte sich der Rat um die Reichsfreiheit, die im 30jährigen Krieg finanziell ausgeblutete Stadt konnte hierfür jedoch nicht die nötigen Mittel aufbringen. So bezeichnet der Westfälische Friede das Ende des über Jahrhunderte wirksamen Dualismus Bistum – Stadt. Nach 1650 verlor die Bürgerschaft immer mehr an Selbständigkeit, Osnabrück wurde zur Hauptstadt des Bistums und zur Residenzstadt des Fürstbischofs.

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Eine Betrachtung der Osnabrücker Inschriften im Hinblick auf ihren Quellenwert für die Stadtgeschichte macht deutlich, daß die Inschriften als historische Zeugnisse nicht in jeder Hinsicht ergiebig sind18). Als fruchtbar erweisen sich vor allem die Grabinschriften, besonders im Hinblick auf die Personengeschichte der Stadt. Der Inhalt der Grabinschriften geht nicht selten über das hinaus, was die übrigen stadtgeschichtlichen Quellen an Daten zur Person hergeben19). Dies ist jedoch auf äußere Fakten beschränkt, alles Persönliche bleibt weitgehend hinter allgemeinen Formeln verborgen, die über Jahrhunderte immer wieder verwandt wurden. Gleichzeitig muß auch betont werden, daß der Personenkreis, der so ins Blickfeld der Nachwelt rückt sehr klein ist. Er umfaßt nur den hohen Klerus, den Adel, die Ratsfamilien und Pastoren.

Über die personenbezogenen Daten hinaus geben die Inschriften auch Auskunft über allgemeine stadtgeschichtliche Vorgänge. Daß die Stadt zunächst in erster Linie Bischofssitz war, prägt auch die Inschriften, die bis zum 14. Jahrhundert ausschließlich aus dem geistlichen Bereich stammen. Der wachsenden Macht des Domkapitels entsprechen die seit dem 16. Jahrhundert überlieferten aufwendigen Grabinschriften der Domherren. Das Selbstbewußtsein des Osnabrücker Patriziats, das im 16. Jahrhundert den Gipfel seines politischen Einflusses erreichte, dokumentiert sich in derselben Weise. Die großen Zeiterscheinungen Feuer, Pest und Hexenverfolgung finden in den Inschriften unterschiedliche Berücksichtigung. Es ist an anderer Stelle zu erörtern, von welch außerordentlicher Bedeutung der Altstadtbrand von 1613 für die Inhalte der Hausinschriften war. Die Pest wird in zwei Grabinschriften (Nr. 125, 202) angesprochen. Daneben befaßt sich mit diesem Ereignis über das Einzelschicksal hinaus die Inschrift einer Holztafel in der Marienkirche (Nr. 126). Die Hexenverfolgung klingt – abgesehen von der Kupfertafel der Marienkirche (Nr. 162) – in der Grabschrift für Johann Reineking an, deren Überlieferung gerade aus diesem Grunde als besonderer Glücksfall gelten kann. Denn eine Inschrift, in der als Todesursache der Zauber einer Hexe angegeben wird, darf wohl als Ausnahme betrachtet werden. Es verwundert ein wenig, daß in der ungewöhnlich langen detaillierten Grabschrift des größten Osnabrücker Hexenverfolgers, des Bürgermeisters Rudolf Hammacher (Nr. 166), dieses Kapitel seines Wirkens ausgespart bleibt, das ihm viele seiner Zeitgenossen als besonderen Verdienst anrechneten. Überraschend ist auch, wie wenig sich die Glaubenskämpfe der Zeit in den Inschriften spiegeln, selbst wenn man berücksichtigt, daß diese Vorgänge in Osnabrück erheblich reibungsloser abliefen als in anderen nordwestdeutschen Städten. Die Grabinschriften derjenigen Verstorbenen, die unter den konfessionellen Auseinandersetzungen [Druckseite XIV] ihrer Zeit am meisten zu leiden hatten (Nr. 117, 286), lassen dies nur sehr leise anklingen. Programmatisch protestantischen Inhalts sind lediglich zwei Grabinschriften (Nr. 206, 207), die aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammen. In den übrigen Grabinschriften ist nur vom wahren Glauben in der einen oder anderen Hinsicht die Rede. Streitbar protestantische Inschriften aus dem 16. Jahrhundert sind nicht überliefert, und das erklärt sich wohl nicht nur daraus, daß sie die Gegenreformation nicht überdauert hätten. Vielmehr deutet auch dies darauf hin, daß die Osnabrücker Oberschicht wie auch das Domkapitel in weiten Teilen zunächst konfessionell indifferent war und in ihrem Handeln überwiegend von pragmatischen Gesichtspunkten bestimmt wurde.

Insgesamt gilt für die Osnabrücker Inschriften, daß diese stärker als andere stadtgeschichtliche Quellen überkommenen Schemata folgen, die den Rahmen für Angaben zur persönlichen oder politischen Geschichte einschränken. Dieser Rahmen wird nur im Einzelfall oder aufgrund eines besonders einschneidenden Ereignisses – dem Brand von 1613 – gesprengt. Für allgemeine Zeitströmungen können die Inschriften indessen als wichtige Zeugen angesehen werden.

Es ist noch darauf hinzuweisen, daß sich anhand der Grabinschriften der Domherren eine relativ vollständige Liste der Würdenträger des Domkapitels für die Zeit von 1550 bis 1650 ergibt. Da eine solche bisher noch nicht existiert, enthält der Anhang (A1) eine anhand der Domkapitelsprotokolle vervollständigte Aufstellung der wichtigsten Amtsträger von 152620) bis 1650.

Zitationshinweis:

DI 26, Stadt Osnabrück, Einleitung, 2. Die Osnabrücker Inschriften - Einordnung in die Stadtgeschichte und Quellenwert (Sabine Wehking), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di026g003e005.

  1. Eine umfassende Osnabrücker Stadtgeschichte, die dem heutigen stadtgeschichtlichen Forschungsstand entspricht, liegt nicht vor. Daher gründet sich dieses Kapitel auf die älteren Arbeiten von Stüve (Geschichte des Hochstifts), Hoffmeyer (Chronik der Stadt Osnabrück) und Rothert (Geschichte der Stadt Osnabrück) sowie auf jüngere Arbeiten zu Detailfragen, auf die an entsprechender Stelle verwiesen wird. »
  2. Vgl. Nr. 6, 7, 26, 293, 318»
  3. Zur Baugeschichte des Domes vgl. Thümmler, pass. »
  4. Dazu Poppe, Baugeschichte, pass. »
  5. Dazu Salzmann, pass. »
  6. Vgl. Nr. 23, 24, 25»
  7. Nr. 34, 51, 53, 88, 96, 278»
  8. Die Laischaften waren ursprünglich genossenschaftliche Vereinigungen zur Regelung der Weidewirtschaft. Jede Laischaft hatte vor den Stadttoren ein Gebiet zur eigenen Nutzung. »
  9. Zur Geschichte der Osnabrücker Befestigungsanlagen: Volker Schmidtchen, Das Wehr- und Wachtwesen niedersächsischer Städte in Spätmittelalter und früher Neuzeit am Beispiel von Osnabrück und Lüneburg, in: Stadt im Wandel, Bd. 4, S. 289–294. »
  10. Dazu Schmidtchen (wie Anm. 10). »
  11. Gedr. bei Hoffmeyer, Chronik, S. 57–60. »
  12. Dazu Margret Wensky, Die Osnabrücker Gilden im Mittelalter, in: Stadt im Wandel, Bd. 3, S. 371–384. »
  13. Zu den Aufstandsbewegungen in Osnabrück: H. B. Meier, pass. »
  14. Dazu Heinz Schilling, Die politische Elite nordwestdeutscher Städte in den religiösen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhun-derts, in: Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 5, 1979, S. 235–307. »
  15. Zur Reformation in Osnabrück: Stratenwerth, pass. »
  16. Vgl. Nr. 121, 122, 128, 141»
  17. Ausgeklammert soll von dieser Gegenüberstellung die Kupfertafel aus dem Turnknauf der Marienkirche (Nr. 162) bleiben, die ein halbes Jahrhundert Stadtgeschichte und deren Bewertung enthält und damit unter den Osnabrücker Inschriften eine Sonderstellung einnimmt. »
  18. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Grabinschrift des Hermann Heuschen (Nr. 149). Seinen Lebensweg so minutiös zu verfolgen, wie dies aufgrund der Inschrift möglich ist, wäre ansonsten mit großem Aufwand verbunden. »