Die Inschriften der Stadt Mainz

1. Vorgeschichte

Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um den ersten Teil einer Neubearbeitung des 1958 vollständig erschienenen, von Fritz Viktor Arens (1912–1986) bearbeiteten Mainzer Inschriftenbandes, der als erster Band, sozusagen als eine Art Musteredition1), die im Jahr 1934 von den Akademien der Wissenschaften zu Berlin, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, München und Wien ins Leben gerufene Reihe "Die Deutschen Inschriften" (DI) anführen sollte.

Mit dieser Aufgabe hatte man zunächst den aus Hamburg stammenden Kunsthistoriker Konrad F. Bauer betraut, der im Jahr 1926 seine Dissertation unter dem Titel "Mainzer Epigraphik. Beiträge zur Geschichte der mittelalterlichen Monumentalschrift" publiziert hatte und somit für dieses Projekt geeignet schien. Bereits 1938, zwei Jahre nach einem in Mainz veranstalteten Ausbildungskurs für Bandbearbeiter, schied Bauer jedoch wahrscheinlich aufgrund anderer beruflicher Pläne aus dem Projekt aus, denn er arbeitete auch als Redakteur und Typograph in Frankfurt a. M. Zu seinem Nachfolger bestimmte man den frisch promovierten Mainzer Kunsthistoriker Fritz Viktor Arens. Seine Arbeit an den Mainzer Inschriften begann laut Rechnung an den Inschriftenausschuss der Deutschen Akademien am 23. Januar 1939. Die schon umfangreichen Erhebungen Bauers an den Objekten musste Arens vor allem hinsichtlich der älteren Überlieferung ergänzen, aber auch ganze Standorte in Mainz und den Vororten neu angehen. Schon bald beeinträchtigte der Krieg seine Arbeit, die ohnehin schon durch weitere Tätigkeit in der Aufnahme der Mainzer Denkmäler belastet war. Auch erwies sich die Bearbeitung der Inschriften als weitaus aufwändiger und komplizierter als gedacht, da das Material durch die kopiale Überlieferung erheblich anwuchs. Wie die Stadt Mainz trafen die Bomben des Krieges auch das Projekt durch die Zerstörung von Originalen und weiterer Erschwerung der Arbeiten; dazu kam eine persönliche Katastrophe: Das nahezu fertiggestellte Manuskript verbrannte 1942 nebst weiteren Unterlagen im Kassenschrank des Arensschen Hauses. Während Arens noch vollauf mit der Behebung der Kriegsschäden beschäftigt war, erschien im Jahr 1942 als erster Band der Reihe "Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes".

Arens, der sich durch die erschwerten Arbeitsbedingungen nicht entmutigen ließ, richtete 1946 an den Vorsitzenden des Inschriftenausschusses der deutschen Akademien, Friedrich Panzer, folgende Worte: "Das Inschriftensammeln ist trotz der grossen technischen und sonstigen Schwierigkeiten des Mainzer Bandes mir doch irgendwie ans Herz gewachsen. Da meine Stellung bei der Stadt Mainz vielleicht doch nicht von ewiger Dauer sein wird, da ich auch gerne einmal wieder ausgiebig wissenschaftlich arbeiten möchte (vielleicht im Rahmen einer Universitätslaufbahn), würde ich vielleicht auch mehr Zeit als seither für diese Arbeit verwenden können."2) Es gelang ihm, bis 1947 große Teile des Manuskripts fertigzustellen und diese als Habilitationsschrift an der neu gegründeten Johannes Gutenberg-Universität Mainz einzureichen.3) Erst ab 1951 erschien der Band zunächst in zehn Einzellieferungen, im Jahr 1958 dann vollständig unter dem Titel: "Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650", nun als Band 2 der Reihe "Die Deutschen Inschriften", gleichzeitig mit Wimpfen (DI Bd. 4).

Da der Mainzer Inschriftenbestand aufgrund der Lage und der Entwicklung des Erzbistums und der Stadt Mainz zu den wichtigsten des alten Reiches gehört, wird der Arenssche Band von Forschern unterschiedlicher Disziplinen viel und intensiv genutzt. 1603 Inschriftennummern, davon 647 allein den Mainzer Dom betreffend, legen ein beeindruckendes Zeugnis der Mainzer Geschichte ab.

Inzwischen sind seit der Veröffentlichung des Arensschen Bandes mehr als 50 Jahre vergangen, seit 30 Jahren ist er vergriffen und nur selten und teuer in Antiquariaten zu finden. Dem kann auch nicht ein nur ausschnitthaft zugängliches Digitalisat in Google Books abhelfen. Einem konventionellen fotomechanischen Nachdruck stand nicht nur die Frage der Druckkosten entgegen, denn über den Bestand gingen der Krieg und der Aufbau hinweg. Diesem Umstand trug Fritz Arens schon selbst Rechnung, indem er in der letzten Lieferung von 1958 und dann 1975 sowie schließlich 1982 und 1985 neben der erweiterten Bearbeitung der Inschriften bis 18004) Nachträge publizierte. Diese sind für Auswärtige schwer zu recherchieren und mit dem alten Band zu verbinden. Außerdem sind sie selbst wieder veraltet und beschäftigen sich vornehmlich mit dem Schicksal von Trägern, Neufunden und Textkorrekturen, nur selten mit der neuen Einordnung von Inschriften in die aktuelle Forschung, die im Zuge des Dom- und Willigisjubiläums neue Impulse in Mainz selbst erhalten hat, von übergeordneten neuen Fragen ganz zu schweigen. Der Band 2 der Reihe hat mittlerweile über 75 Nachfolger, so dass sich auch die Bearbeitung von Inschriften und die Beschäftigung mit ihren Texten, Trägern und Bedeutungsebenen verändert hat. Es gab also viele Gründe, in eine Neubearbeitung einzusteigen und die Bearbeitung von Arens auf den neuesten formalen und inhaltlichen Stand zu heben, also auch die Benutzung zu erleichtern, darüberhinaus mehr Bildmaterial zu bieten und die Recherche auf lange Sicht zu verbessern.

Die Bearbeiter mussten gottlob nicht mehr von vorne beginnen, denn der "alte" Arenssche Inschriftenband erwies sich als seiner Zeit in großen Teilen weit voraus und setzte im Vergleich zu anderen frühen Inschriftenpublikationen Maßstäbe hinsichtlich Präzision von Text und Übersetzung. Die Komplexität der frühen Inschriften vor der Massenproduktion von schlichten Grabplatten und die monumentalen Grablegen von Bischöfen und Prälaten nötigten Arens zu erfreulich unzeitgemäßem Kommentieren, dem sein kunsthistorischer Blick und seine weiträumige Denkmalkenntnis zugute kamen. Doch auch Zwerge auf den Schultern eines Riesen schauen weiter als jener, zumal ihnen der Fortschritt von 60 Jahren Forschung zur Verfügung steht. Auch neue Ergebnisse an Fakten und Sichtweisen rechtfertigten daher die Neubearbeitung. Trotz allem orientiert sich die Neubearbeitung an der Gliederung des Arensschen Bandes in zwei große Teile, nämlich Dom und Dom- und Diözesanmuseum sowie Kirchen und Profanbauten (inklusive der Vororte). Der große Umfang de Materials, dessen Neustrukturierung leicht zu einer Verdoppelung der Arensschen 700 Seiten Katalogtext führen könnte, erzwang eine Einteilung in überschaubare Arbeitsschritte. Diese Vorgehensweise erlaubt es zudem, im Gleichschritt zur Online-Edition auch Inschriftenführer zu einzelnen Standorten herzustellen und diese parallelen Arbeiten portionsweise nach den vorhandenen Mitteln einzuteilen.

Abweichend von Arens schließt sich die Neubearbeitung den neuen Bearbeitungsrichtlinien des Deutschen Inschriftenwerks an und strukturiert daher die einzelnen Katalogartikel konsequenter. Ein kleines Kapitel "Hinweise für den Benutzer" hilft diesem, sich zurechtzufinden. Auf eine wichtige Veränderung zu alten Gepflogenheiten ist hier jedoch hinzuweisen, weil der Benutzer möglichweise die bei Arens als erste Nummer edierte Inschrift für Fastrada, die 794 verstorbene Gemahlin Karls des Großen, vermisst: Nach den neuen Regeln wird sie bei den Inschriften in der Zeit ihrer Herstellung am Ende des 15. Jahrhunderts ediert werden; überhaupt liegt der chronologischen Ordnung eine strengere Gliederung zugrunde. Ein eigenes Problem stellen die Objekte des Halleschen Heiltums dar, die nach den neuen Editionsregeln mit dem Mainzer Bestand bearbeitet werden müssten. Wie man damit zu verfahren hat, konnte noch nicht entschieden werden; möglicherweise wird man die im Heiltum überlieferten Inschriften als eigenen Komplex in der Brandenburg-Zeit edieren.

Zitationshinweis:

DIO 01, Mainz, Einleitung, 1. Vorgeschichte (Rüdiger Fuchs, Britta Hedtke und Susanne Kern), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di002mz00e001.

  1. Karl Brandi: Grundlegung einer deutschen Inschriftenkunde. In: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters I (1937) 12. Nachzulesen bei Nikitsch, Fritz V. Arens (2008) 233. »
  2. Nikitsch, Fritz V. Arens (2008) 239. »
  3. Ebd. 239. »
  4. 1. Nachtrag in: DI 2, Mainz (1958) 707–715; 2. Nachtrag in: Mz Zs 70 (1975) 106–140 [= Arens, neue Forschungen (1975)]; 3. Nachtrag in: Arens, Mainzer Inschriften II (1985) 291–322. »