Die Inschriften der Stadt Essen

6. Nicht aufgenommene Inschriften

Es gibt erhaltene oder kopial überlieferte Essener Inschriften aus dem Bearbeitungszeitraum, die nach den Richtlinien der interakademischen Kommission für die Herausgabe der „Deutschen Inschriften“ nicht im Katalog aufgenommen wurden.151) Einige davon sollen dennoch an dieser Stelle kurz erwähnt werden, um die Gründe für die Nichtberücksichtigung darzulegen. Sie werden ergänzt von Texten, die in der Literatur immer wieder als Inschriften bezeichnet werden, aber mit großer [Druckseite XL] Sicherheit nicht inschriftlich ausgeführt waren. Vollständigkeit wurde für diese Aufzählung der nicht aufgenommenen Inschriften nicht angestrebt.

6. 1. Inschriften nicht geklärter bzw. fremder Provenienz

Der Katalog der Inschriften wurde nach dem Provenienzprinzip erstellt, weshalb Inschriftenträger, die nach 1650 in das Bearbeitungsgebiet gelangt sind bzw. deren Herkunft aus dem Bearbeitungsgebiet nicht nachgewiesen werden kann, nicht zum Essener Inschriftenbestand gezählt werden können. Das trifft auf einen Mörser aus dem Ruhr Museum zu, der mit der Inschrift ERT GODT BOVEN AL ANNO 1627 versehen ist.152)

Im ‚Haus Heimat’, einem Vorgänger des heutigen Ruhr Museums, war eine Sammlung von Waffeleisen aus dem 17. und 18. Jahrhundert aufbewahrt, die teilweise mit den Namen oder Initialen der Besitzer und Jahreszahlen versehen waren.153) Sie konnten nicht in die Edition aufgenommen werden, weil die Sammlung vermutlich aus dem ganzen Ruhrgebiet zusammengetragen wurde und eine Essener Provenienz der drei vor 1650 datierten Stücke fraglich bleibt.

Dagegen stammte ein heute nicht mehr vorhandenes, von dem kaiserlichen General Theodor Othmar von Erwitte 1623 gestiftetes Gemälde mit ausführlicher Stifterinschrift mit Sicherheit nicht aus Essen. Es gelangte 1683 oder 1684 aus der Pfarrkirche in Vechta in das Kloster Werden.154)

Die Renaissance-Kamine auf Schloss Hugenpoet, die mit umfangreichen Inschriften zu den Bildprogrammen ausgestattet sind, wurden nicht aufgenommen, da sie erst in den 1850er Jahren von Schloss Horst (Gelsenkirchen) nach Schloss Hugenpoet gebracht wurden.155) Auch die Inschriften auf Gemälden aus dem Besitz der Familie von Fürstenberg, die im 19. Jahrhundert erst auf Schloss Borbeck und später auf Schloss Hugenpoet aufbewahrt wurden, konnten nicht berücksichtigt werden.156)

6. 2. Inschriften aus serieller Produktion

Seriell gefertigte Inschriften, wie z. B. die bei Grabungen im Kloster Werden gefundenen Siegburger Pullen mit den Inschriften HELLENA (!) 1586 und HERCVLIS,157) wurden nicht aufgenommen.

6. 3. Datierung vermutlich nach 1650

In Essen sind bereits im 17. Jahrhundert Hausinschriften auf Balken angefertigt worden, das zeigen die Inschriften Nr. 159, 168 und 174. Da aber mit Ausnahme dieser drei Inschriften alle datierten Essener Hausinschriften aus der Zeit nach 1650 und vor allem aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen,158) wurden undatierte Hausinschriften nicht aufgenommen. Auch ein in den 1970er Jahren angefertigter Türsturz aus Kettwig, der Initialen und die Jahreszahl 1646 trägt, wurde nicht berücksichtigt, da es sich bei der Jahreszahl vermutlich um die Wiedergabe einer Information aus schriftlichen Quellen oder dendrochronologischen Untersuchungen handelt, nicht aber um die Neuausführung einer alten Inschrift.159)

6. 4. Inschriften, deren Wortlaut nicht überliefert ist

Nicht im Katalog aufgenommen wurden Inschriften, die nur erwähnt werden, ohne dass der Wortlaut überliefert ist. Dies ist beispielsweise bei einer Fensterinschrift aus dem Essener Beginenkonvent der Fall, die in einem Protokoll von 1614 erwähnt wird und den Essener Bürgermeister Peter Kroesen als Stifter nennt.160)

Aus dem Kloster Werden ist eine ganze Anzahl von heute nicht mehr vorhandenen Inschriftenträgern bekannt, von denen der Wortlaut der Inschrift nicht überliefert ist:

- Prachteinband eines Evangeliars, das laut einer Inschrift auf dem Buchdeckel von einer Schwester Karls des Großen dem heiligen Liudger geschenkt worden sein soll (!).161)

- Epitaph des Werdener Propstes und Abtes von St. Maximin in Trier, Otto von Gennep (gest. 1367). Es war mit einer Figur des Verstorbenen und einer umlaufenden Grabinschrift in Messing ausgestattet und befand sich ursprünglich in der von Otto von Gennep wiedererrichteten Kapelle in Bredeney.162) Nachdem diese Kapelle zunehmend verfiel, wurde das Epitaph 1570 in das Kloster Werden gebracht, von wo es bald darauf verschwand.

- Epitaph oder Grabplatte für Bovo von Friemersheim (gest. nach 1366). Der Inschriftenträger soll bis Ende des 19. Jahrhunderts noch im nördlichen Seitenschiff der Abteikirche in der Westwand eingelassen gewesen sein.163)

- Epitaph oder Grabplatte für Abt Johannes von Groningen (1517–1540). Die auf einer Kupferplatte ausgeführte Inschrift ist nur in deutscher Übersetzung überliefert.164) Die Platte wurde im 19. Jahrhundert für die Herstellung neuer Kronleuchter eingeschmolzen.165)

Vom Inschriftenbestand der Essener Marktkirche, die bis 1563 zur Kirchengemeinde St. Gertrud gehörte und sich schon früh zur Volks- und Bürgerkirche der Stadt entwickelte,166) sind nur wenige Inschriften erhalten und überliefert. Allerdings war die Hauptuhrglocke, „welche, wie das Datum ausweist, 1440 gegossen worden“,167) sicher mit einer Inschrift ausgestattet, genau wie das Wappen der Stadt an einem Pfeiler, das eine Baumaßnahme von 1478 dokumentierte, vermutlich von einer Inschrift, mindestens aber der Jahreszahl begleitet war.168) Auch die Tafeln des Hochaltars, die 1647 hergestellt oder erneuert wurden, waren „mitt Schrift“ versehen, vermutlich auch die 1645 erneuerten Gildefenster.169)

Vom 1811 aufgehobenen Friedhof der evangelischen Kirche am Markt in Kettwig ist erwartungsgemäß der größte Teil der Grabsteine verloren. Neben den sieben erhaltenen Steinen waren bis in die 1980er Jahre noch drei weitere aus den Jahren 1609, 1625 und 1632 bekannt, die heute nicht mehr vorhanden oder unzugänglich sind.170) Ein Grabstein mit Sterbevermerken von 1655, 1662 und 1665 befindet sich heute in der Kapelle des evangelischen Friedhofs an der Brederbachstraße.

6. 5. Texte, die nicht inschriftlich ausgeführt wurden bzw. deren inschriftliche Ausführung unwahrscheinlich ist

Von Walahfrid Strabo (gest. 849) sind drei Gedichte überliefert, die mit „In ecclesia monasterii quod Rura vocatur“ überschrieben sind,171) und von denen eines vereinzelt als „Weiheinschrift“ der [Druckseite XLII] Werdener Stephanskirche bezeichnet wird.172) Die anderen beiden Gedichte, je ein Distichon, betreffen die Patrozinien zweier Altäre in der Stephanskirche. Franz Xaver Kraus ordnete die Gedichte trotz der in der Überschrift genannten Ruhr dem Kloster St. Gallen zu, vermutete aber bereits, dass sie nicht inschriftlich ausgeführt waren.173) Die Lebensdaten der beteiligten Personen sprechen dagegen, dass die Verse anlässlich der Weihe (durch den Kölner Erzbischof Hadebald) verfasst oder gar als Inschrift ausgeführt wurden. Hildegrim, der Auftraggeber des Kirchenbaus, starb am 16. Juni 827, Hadebald war ab 819 Erzbischof von Köln. Da nichts darauf hindeutet, dass Hildegrim zum Zeitpunkt der Weihe bereits gestorben war, ist davon auszugehen, dass die Kirche zwischen 819 und 827 geweiht worden ist. Zu dieser Zeit hielt sich Walahfrid Strabo noch als Mönch auf der Reichenau auf.174) Er verbrachte die Zeit zwischen 827 und 829 im Kloster Fulda und ging anschließend nach Aachen an den Hof Ludwigs des Frommen. Der Nachfolger von Hildegrim in Werden, Bischof Gerfrid von Münster, stand in Kontakt zu Ludwig dem Frommen,175) so dass vermutet werden kann, dass Walahfrid Strabo die Gedichte zur Weihe der Stephanskirche und ihrer Altäre während seines Aufenthalts in Aachen für Gerfrid verfasst hat.

Theodor Rensing wies als Erster auf zwei Zeichnungen aus dem Nachlass des Vredener Scholasters und Antiquars Jodocus Nünning hin, in denen er die Wiedergabe des Vorder- und Rückendeckels eines Prachteinbands aus dem Stift Essen vermutete und die er mit der Fuldaer Buchmalerei in Verbindung brachte.176) Die Darstellungen zeigen u. a. die Essener Äbtissin Hadwig (gest. vor 971?) als Stifterin eines Buches. Hermann Schnitzler konnte allerdings zeigen, dass es sich wegen der Art der Darstellung nicht um Goldschmiedearbeiten gehandelt haben kann, sondern vielmehr um Miniaturen aus der Buchmalerei.177)

Zitationshinweis:

DI 81, Stadt Essen, Einleitung, 6. Nicht aufgenommene Inschriften (Sonja Hermann), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di081d007e009.

  1. Vgl. die Bearbeitungs- und Editionsgrundsätze für „Die Deutschen Inschriften“, Stand 2009, die in der Arbeitsstelle Inschriften in Bonn eingesehen werden können. »
  2. Ruhr Museum, Bestandskartei Kunsthistorische Abteilung, Kat.-Nr. 353. Ich danke Frank Kerner, Essen, für die Möglichkeit, die Karteikarten durchzusehen. »
  3. Meisenburg, Waffeleisen, passim. »
  4. Jacobs, Annalen, S. 137, Anm. 184. »
  5. KDM Düsseldorf, S. 123ff.; Klapheck, Meister, S. 86–106; ders., Schloßbauten, S. 72–76. »
  6. KDM Düsseldorf, S. 125f. »
  7. Winkler, Klosterbauten, S. 123, 330, Abb. 80,1, 80,2, S. 332, Abb. 82, 83. »
  8. Herzler, Haus-Inschriften, passim, überliefert z. B. für die Bürgermeisterei Stoppenberg 57 Hausinschriften, die älteste stammt von 1704. »
  9. Freundliche Auskunft der Hausbesitzerin. »
  10. Heidemann, Beguinenconvente, S. 21. »
  11. Stüwer, GS Werden, S. 84. Ein Buch, das von einer so prominenten Stifterin geschenkt worden sein soll, wird in der Werdener Überlieferung allerdings ansonsten nicht erwähnt. »
  12. Anonymus, Annales, S. 69f. »
  13. Jacobs, Annalen, S. 69f., Anm. 107. Zu Bovo von Friemersheim vgl. Stüwer, GS Werden, S. 174. »
  14. Jacobs, Annalen, S. 92, Anm. 132. Aus der Quelle geht nicht explizit hervor, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Da aber alle Werdener Inschriften des Totengedenkens bis ins 18. Jahrhundert auf Latein verfasst sind, ist davon auszugehen, dass auch die Inschrift auf dem Grabstein oder dem Epitaph für Johannes von Groningen in lateinischer Sprache formuliert wurde. Zu Johannes von Groningen vgl. Nr. 106»
  15. Flügge, Chronik 1, S. 23. »
  16. Vgl. Schilp, Kanonikerkonvent, S. 193. »
  17. Kaufmanns Chronik, S. 266. »
  18. Ebd. »
  19. Kaufmanns Annotationsbuch, S. 169, 171. »
  20. Vgl. Kettwig, S. 55. Der Grabstein von 1632 war für eine Enne von der Rombeck gesetzt worden und ist heute laut Auskunft der Hausbesitzerin nicht mehr zugänglich, weil er mit Fliesen belegt worden ist. »
  21. MGH Poetae 2, hg. v. E. Dümmler, S. 393, Nr. XLIII, I–III. »
  22. REK 1, Nr. 144 (819–841 Juni 13) „Weiheinschrift“; Hauck, Werke, S. 372 „Inschriftenverse“. »
  23. Kraus, Inschriften 2, S. 9, Nr. 17, I–III. »
  24. Zu Walahfrid Strabo vgl. K. Langosch/B. K. Vollmann, Art. Walahfrid Strabo, in: Verf.-Lex. 10 (1999), Sp. 584–603. »
  25. Vgl. Kohl, GS Münster 7,3, S. 25f. »
  26. Rensing, Kunstwerke, S. 44–54; MGH Poetae 5, hg. v. K. Strecker, S. 674f., Nr. 5»
  27. Schnitzler, Kunstwerk, S. 116f.; Hoffmann, Buchkunst, S. 145ff. »