Die Inschriften der Stadt Essen

4. Inschriften und Inschriftenträger

4. 1. Inschriften des Totengedenkens

Im Vergleich zu anderen Beständen machen in Essen die Inschriften des Totengedenkens nur einen kleinen Anteil, etwa ein Fünftel, am Gesamtbestand aus. Die meisten dieser Inschriften stammen aus dem Bereich der Münsterkirche, d. h. des heutigen Doms, der ehemaligen Werdener Klosterkirche St. Ludgerus und vom Friedhof der evangelischen Gemeinde in Kettwig. Zu Gräbern in der evangelischen Marktkirche, in Borbeck, Rellinghausen und St. Lucius in Werden sind nur Einzelbeispiele überliefert. Wegen der geringen Anzahl an Inschriften des Totengedenkens erscheint es sinnvoll, einzelne Aspekte dieser Textsorte im Zusammenhang mit den verschiedenen Standorten vorzustellen.

4. 1. 1. Stift Essen

Aus der Frühzeit des Essener Stifts ist in Handschriften und Drucken des 17. Jahrhunderts ein in ungereimten Hexametern verfasstes Grabgedicht (Nr. 2) für die erste Äbtissin Gerswid (gest. um 874) überliefert. Die Inschrift hat v. a. das vorbildhafte Leben der Äbtissin zum Thema. Darum geht es auch in dem 30 Hexametern umfassenden, außerordentlich gelehrten und sprachlich ausgefeilten Grabgedicht für die Äbtissin Hadwig (2. H. 10. Jahrhundert, Nr. 4).

Aus dem Bereich der Münsterkirche sind drei Grab- bzw. Sarkophagplatten aus dem 10. bis 11. Jahrhundert bekannt, deren Inschriften aus einem einfachen Sterbevermerk mit römischer Tagesdatierung bestehen bzw. vermutlich bestanden (Nr. 12, 36, 37?). Die Sarkophagplatte für einen Bilo ist noch erhalten, die beiden anderen Platten waren in den 1950er Jahren noch vorhanden. Die Gestaltung der Platten mit Sterbevermerk, profiliertem Rahmen und (bei Nr. 36) Eckpalmetten ist mit den Grab- und Memoriensteinen dieser Zeit vergleichbar. Das Formular weicht allerdings leicht von vergleichbaren Inschriften ab: Auf zwei Essener Platten kommt nach dem Datum erst der Name des Verstorbenen und dann das Prädikat OBIIT, während ansonsten im Allgemeinen nach dem Datum das Prädikat steht, gefolgt vom Namen.91)

Bei der ältesten noch erhaltenen Inschrift des Totengedenkens für eine Äbtissin handelt es sich um eine Kalksteinplatte aus dem Grab der Äbtissin Theophanu (gest. 1058), auf der ein Sterbevermerk mit dem Hinweis auf Theophanus kaiserliche Abstammung eingehauen wurde (Nr. 21). Dagegen handelte es sich bei dem Grab in der Stiftskirche St. Lambertus in Rellinghausen nicht, wie seit dem 17. Jahrhundert vermutet, um das der Essener Äbtissin Mathilde; hier wurde offensichtlich eine andere Frau gleichen Namens bestattet (10.–12. Jahrhundert?, Nr. 42). Zwar wird im Liber ordinarius vom Ende des 14. Jahrhunderts auf die Beleuchtung von Mathildes Grab im Essener Münster hingewiesen, eine Grabinschrift wird jedoch nirgends erwähnt.

Diesem Liber ordinarius ist auch zu entnehmen, wo die verschiedenen Gruppen der Stiftsangehörigen im Bereich der Münsterkirche bestattet wurden. Demnach wurden die Äbtissinnen in der Münsterkirche begraben, die Kanonissen außerhalb der Kirche hinter dem Chor und die Kanoniker im Atrium zwischen der Münster- und der Johanniskirche. Für die Bevölkerung stand der Kirchhof an der Südseite des Münsters zur Verfügung.92) Diese Aufteilung war im 11. Jahrhundert noch nicht gültig, wie die Auffindung des Sarkophags eines Bilo (Nr. 12) im Osten des Chors und die Bestattung der Äbtissin Theophanu (Nr. 21) in der von ihr in Auftrag gegebenen Krypta zeigen.

Aus dem Spätmittelalter sind lediglich die Inschrift eines Epitaphs (Nr. 56) von 1360 und ein Sterbevermerk auf einer Grabplatte vom Ende des 14. Jahrhunderts kopial überliefert (Nr. 60). Erst aus dem 16. Jahrhundert sind mit sieben Katalognummern mehr Inschriften des Totengedenkens aus dem Essener Stift bekannt, von denen sich aber nur die Fragmente einer Grabplatte (Nr. 141) und eines Grabkreuzes (Nr. 140) erhalten haben. Bei den übrigen Inschriftenträgern handelt es sich um ein Wandgemälde im Äbtissinnenbau, das aus Porträts verstorbener Äbtissinnen und kurzen Bildbeischriften mit den Sterbedaten bestand (Nr. 112), und um Epitaphien (Nr. 99, 129). Nur die Gestaltung des 1947 gestohlenen Epitaphs der 1560 verstorbenen Äbtissin Katharina von Tecklenburg ist durch ein Foto bekannt (Nr. 118). Es zeigt eine kunstvoll gravierte Platte, auf der die Äbtissin in Gebetshaltung vor dem Kruzifix zu sehen ist.

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Eine vergleichbare Darstellung zeigt das skulptierte Epitaph aus Baumberger Sandstein für die Äbtissin Elisabeth von Manderscheid-Blankenheim (gest. 1598, Nr. 135), die allerdings nicht in der Münsterkirche, sondern in St. Dionysius in Borbeck bestattet wurde. Die Äbtissin hatte wenige Jahre zuvor ihre Residenz ganz in das in ihrem Auftrag wiedererrichtete Schloss Borbeck verlegt. Sie war nicht die einzige Essener Äbtissin, die nicht in der Münsterkirche bestattet wurde, dies war beispielsweise auch der Fall bei Margareta von Beichlingen (1525–1534, begraben im Stift Vreden, wo sie ebenfalls Äbtissin war) und Margareta Elisabeth von Manderscheid-Gerolstein-Blankenheim (1598–1604), die während eines Aufenthalts in Arnheim starb und dort begraben wurde.93)

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Grabinschriften für Essener Kanonissen und Äbtissinnen überwiegend auf Deutsch verfasst, so auch zwei der drei Inschriften, die an die Essener Äbtissin Elisabeth von Bergh (s’Heerenbergh) erinnern. Ein nur kopial überliefertes Chronostichon (Nr. 148) soll sich an einer Wand in der Nähe ihres Grabes im nördlichen Seitenschiff der Münsterkirche befunden haben. Dort ist heute die kunstvolle Tumbenplatte (Nr. 149) mit sechzehnfacher Ahnenprobe eingelassen. Im Grab selbst befand sich die heute in der Domschatzkammer aufbewahrte Bleiplatte (Nr. 147), in die die Ämter der Äbtissin, Herrschaftsrechte ihrer Familie und Elisabeths Todesdaten graviert wurden.

Die relativ geringe Anzahl an überlieferten Inschriften zum Totengedenken hängt, neben einer fehlenden systematischen Inschriftenüberlieferung insgesamt, auch damit zusammen, dass 1720 die Pflasterung der Münsterkirche erneuert wurde.94) Die dafür entfernten Grabplatten wurden zuerst in den Kreuzgang gebracht, wo bis heute eine Grabplatte aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufgestellt ist, neben der 1885 aufgefundenen Sarkophagplatte für einen Bilo (Nr. 12). Es ist aber davon auszugehen, dass die meisten der im 18. Jahrhundert entfernten Platten irgendwann zerstört wurden.

Das gilt auch für die Grabkreuze und -steine vom sog. Friedhof in der Burg, der südlich an die Münsterkirche und an St. Johann angrenzte. Der Liber ordinarius gibt nur für die Äbtissinnen und die Angehörigen der beiden Kapitel den genauen Begräbnisplatz an, die übrigen Stiftsangehörigen sollen „in cimiterio communi“ bestattet werden, womit dieser Friedhof gemeint war.95) Von hier stammen vermutlich die beiden erhaltenen Grabkreuze (Nr. 140, 150). Eine der Inschriften auf einem Grabkreuz nennt Altenessen als Herkunftsort des Verstorbenen. Da die Begräbnisrechte für alle (katholischen) Stiftsbewohner bis zur Aufhebung des Stifts bei der Münsterkirche lagen,96) ist es nicht verwunderlich, dass ein Grabkreuz für einen Einwohner Altenessens im Umkreis des heutigen Doms gefunden wurde. Der Friedhof und die 1522 errichtete Beinhauskapelle waren Anfang des 19. Jahrhunderts stark verwahrlost, weshalb die Kapelle 1817 auf Abbruch verkauft und der Friedhof schließlich 1834 aufgehoben wurde.97)

4. 1. 2. St. Ludgerus und St. Lucius, Werden

Noch schlechter als für das Stift Essen sieht die Überlieferungslage für das Kloster Werden aus, hier sind nur vier Inschriftenträger mit Inschriften zum Totengedenken erhalten, die Inschriften von sechs Trägern sind abschriftlich überliefert.

Letzteres gilt für die vier Grabgedichte für die ersten Werdener Äbte, die der Familie des Klostergründers Liudger angehörten (Nr. 22, 23, 24, 25). Obwohl Hildegrim I. Bischof von Châlons und der erste Vorsteher der Kirche von Halberstadt war und Gerfrid und Altfrid Bischöfe von Münster, ließen sie sich im zu dieser Zeit als liudgeridische Eigenkirche anzusehenden Kloster Werden bestatten. Die Grabdenkmäler wurden in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts als halbhohe Tumben erneuert und mit einer Verkleidung aus Kalksinter, Marmor oder poliertem Stuck in der sog. Opus sectile-Technik, und umlaufenden Grabinschriften versehen. Die Erneuerung der Grabmäler fand im Auftrag von Abt Adalwig (um 1065–um 1080) statt, der die bereits von einem seiner Vorgänger erweiterte Krypta renovieren und einen Schrein mit den erhobenen Gebeinen des heiligen Liudger im Hochaltar aufstellen ließ. Vermutlich war das Ziel der Schaffung der neuen Grabdenkmäler und der Ausführung neuer Inschriften, durch den Hinweis auf die Verdienste der ersten Klostervorsteher diese als Heilige zu etablieren. Besonders in den Inschriften für Thiadgrim und Altfrid wird der Dualismus zwischen dem Körper als sterblicher Hülle und der Seele, die zu Gott aufsteigt, betont. Dieser [Druckseite XXIII] Gedanke findet ab dem Hochmittelalter verstärkt Eingang in anspruchsvollere Inschriften des Totengedenkens,98) im Essener Inschriftenbestand kommt er in dem Epitaph für die Äbtissin Katharina von der Mark (gest. 1360) (Nr. 56) und der Grabinschrift für den Werdener Abt Anton Grimmolt (gest. 1517) (Nr. 98) vor.

Dieses Grabgedicht für Anton Grimmolt besteht aus 20 elegischen Distichen und befand sich auf einer Kupferplatte, die auf dem Grabstein des Abtes im Hochaltar angebracht war, überliefert ist es als Einblattdruck. Sein Verfasser, der zeitweise als Säkularkleriker in Werden lebende Humanist Johannes Cincinnius, schilderte die Verdienste des Abtes, u. a. bei der Einführung der Bursfelder Reform sowie bei der Konsolidierung der Finanzen und der Instandhaltung der Gebäude im Kloster Werden. Das heute noch in die nördliche Chorwand eingelassene Epitaph für den Abt (Nr. 99) ist das kunstvollste Denkmal des Totengedenkens in Werden. Es zeigt ein überlebensgroßes Abbild des Abtes. Das Formular der Inschrift mit Setzungs- sowie Sterbevermerk und die umlaufende Anbringung mit Vierpässen in den Ecken wurden vorbildlich für die Gestaltung der Grabplatten späterer Werdener Äbte. Erhalten sind die Grabplatten für die Äbte Heinrich Duden (1578–1601) (Nr. 144) und Konrad Kloedt (1601–1614) (Nr. 151). Alle im Bearbeitungszeitraum hergestellten Grabinschriften für Angehörige des Klosters sind auf Latein verfasst.

Aus dem Bearbeitungszeitraum ist aus St. Ludgerus nur eine Grabplatte überliefert, die nicht für einen Werdener Abt, sondern für eine Angehörige des niederen Adels (Nr. 167) hergestellt wurde. Die Platte ist mit zwei Wappen und einem deutschen Bibelzitat ausgestattet. Auch aus der Pfarrkirche St. Lucius sind Grabinschriften des Adels überliefert, aus dem Bearbeitungszeitraum stammt die nur kopial auf uns gekommene Inschrift auf der Grabplatte für Gerhard von Eller zu Oefte (gest. 1649) (Nr. 177), die ebenfalls auf Deutsch verfasst wurde. Von den Werdener Kirchhöfen sind keine Inschriften erhalten oder überliefert.

4. 1. 3. Ev. Kirche am Markt, Kettwig

Ein kleiner, einheitlicher Bestand an vollständig oder fragmentarisch erhaltenen Grabsteinen aus dem 17. Jahrhundert hat sich vom 1811 aufgelösten Friedhof der evangelischen Kirche am Markt in Kettwig erhalten (Nr. 145, 161, 165, 178, 182, 183, 185). Der älteste Grabstein stammt von 1611 und ist mit einem Sterbevermerk auf Latein und einem Bibelzitat auf Deutsch ausgestattet (Nr. 145). Die Inschriften der anderen Grabsteine sind auf Deutsch verfasst und enthalten wie Nr. 145 einen Sterbevermerk und ein Bibelzitat mit Bibelstellenangabe. Alle erhaltenen Grabsteine sind mit Hausmarken versehen und, mit Ausnahme von Nr. 138, mit Blendarkaden gestaltet. Die Kettwiger Grabsteine des 17. Jahrhunderts folgen also mit kleinen Abweichungen einem festen Typus, der sich durch die Gestaltung mit Blendarkaden, Hausmarke und dem Inschriftenformular mit Sterbevermerk und Bibelzitat sowie Bibelstellenangabe auszeichnet.

Trotz der geringen Anzahl an Grabsteinen ist das Totengedenken für eine Familie der Kettwiger Honoratiorenschicht fassbar: Von Angehörigen der Familie Deuß-Benninghoven, die im 17. Jahrhundert einige Kirchmeister stellte und ein Gut an der Ruhrbrücke besaß (vgl. Nr. 174), haben sich zwei Grabsteine mit Grabinschriften für mehrere Personen erhalten (Nr. 145, 161), auf denen zudem das gleiche Bibelzitat verwendet wurde.

Drei Grabsteine und ein Grabkreuz wurden mehrfach verwendet, bei drei dieser Inschriftenträger ist die Zweitverwendung innerhalb einer Familie belegt. Das Grabkreuz (Nr. 140) stammt vom Friedhof auf dem Burgplatz und wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und wohl im 17. Jahrhundert für verstorbene Mitglieder der Familie Niemohlmann aus Altenessen beschriftet. In die Rückseite von Nr. 145 wurde gut 100 Jahre nach der Bestattung des 1611 verstorbenen Johannes Deuß die Grabinschrift für ein Familienmitglied eingehauen. Von einem im Jahr 1625 erstmals beschrifteten Grabstein wurden 1708 Inschriften des 17. Jahrhunderts getilgt, um Platz für die Grabinschriften von zwei Verwandten zu schaffen. Eine der getilgten Inschriften wurde auf demselben Grabstein neu ausgeführt. Ein nur fragmentarisch erhaltener Grabstein aus Kettwig (Nr. 183) ist auf der einen Seite mit einer anhand der Schrift ins 17. Jahrhundert datierten Bibelparaphrase beschriftet, auf der anderen mit zwei Bibelzitaten und einem Sterbevermerk aus dem 18. Jahrhundert.

4. 2. Glocken

Für das Essener Stadtgebiet sind die Inschriften von 23 Glocken bekannt. Von diesen Glocken sind noch 14 erhalten, wenn auch nicht immer in läutefähigem Zustand.

Besonders gut ist die Überlieferungslage bei den Glocken des Essener Doms, da sich im Nachlass von Jodocus Nünning eine Liste erhalten hat, die sowohl die Inschriften als auch die liturgische Funktion der Glocken mitteilt, außerdem die Anzahl der vorhandenen inschriftlosen Glocken.99) Von den dort genannten fünf mit Inschriften versehenen Glocken sind noch zwei im Westturm vorhanden, eine vom Ende des 13. Jahrhunderts (Nr. 47) und eine von 1546 (Nr. 108). Nünning überliefert eine Glockeninschrift (Nr. 187), die zeitlich nicht eingeordnet werden kann. Die von Nünning nicht berücksichtigten Glocken von 1522 (Nr. 101) und 1600 (Nr. 138) hingen während der Abfassungszeit der Liste in einem Türmchen über dem Westturm und dienten als Uhrglocken. Die Glocke von 1522 hängt heute im Dachreiter über der Vierung, die Glocke von 1600, die vor 1940 an die Essener Gemeinde St. Ignatius übergeben worden war, wurde vermutlich während eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Aus dem Geläut der Abteikirche Werden haben sich drei Glocken erhalten, die alle im 16. Jahrhundert gegossen wurden (Nr. 106, 128, 130). Eine der Glocken (Nr. 130) hängt heute in der evangelischen Kirche in Kierspe-Rönsahl (Märkischer Kreis, Nordrhein-Westfalen).

Von den drei mit Inschriften versehenen Glocken der ehemaligen Stiftskirche St. Lambertus in Rellinghausen, die beim Brand des Kirchturms infolge eines Bombentreffers 1944 beschädigt wurden, stehen zwei (Nr. 83, 173) vor der wiedererrichteten Kirche, die Reste der dritten wurden eingeschmolzen (Nr. 84). Die zerstörte Glocke und eine der erhaltenen wurden 1500 gegossen, die zweite erhaltene 1643. Für den Guss dieser Glocke wurde eine 1603 gegossene Sturmglocke, die vermutlich mindestens mit der Jahreszahl gekennzeichnet war, eingeschmolzen. Vom gleichen Gießer wie die nicht erhaltene Rellinghauser Glocke von 1500 wurde wohl die ebenfalls verlorene Glocke aus der Essener Marktkirche (Nr. 85) hergestellt.

Die beiden mit Inschriften versehenen Glocken aus St. Dionysius in Borbeck sind nicht mehr vorhanden. Die 1411 gegossene Glocke (Nr. 68) wurde 1922 umgeschmolzen. Die Glocke von 1646 (Nr. 175) ist 1915 gesprungen und musste 1917 zur Einschmelzung abgegeben werden. Ihre Gestaltung ist durch gute Fotos überliefert.

Jeweils eine mit Inschriften versehene Glocke aus dem Bearbeitungszeitraum befindet sich in der ehemaligen Stiftskirche in Stoppenberg (Nr. 70) und in der evangelischen Kirche am Markt in Kettwig (Nr. 119). Die heute in Privatbesitz befindliche Glocke Nr. 76 stammt aus ‚Haus Oefte’, wo sie möglicherweise in der Kapelle des Rittersitzes hing.

Neben den Glocken aus Stifts- und Pfarrkirchen sind die Inschriften von mindestens zwei Glocken überliefert (neben der Glocke aus ‚Haus Oefte’), die in Kapellen geläutet wurden. Die 1626 für die Rellinghauser Annenkapelle gegossene Glocke befindet sich unzugänglich im Dachreiter dieser Kapelle (Nr. 164). Eine 1615 von einem bislang unbekannten Gießer namens Andreas Springer gegossene Glocke (Nr. 152) gelangte 1806 nach dem Abbruch der Werdener Nikolauskapelle an die katholische Gemeinde in Kettwig. Die Glocke wurde im Ersten Weltkrieg beschlagnahmt und vermutlich eingeschmolzen. Die kleine Glocke von 1632 mit dem Beginn des Ave Maria (Nr. 169), die heute in der evangelischen Kirche in Werden hängt, könnte auch aus einer Kapelle stammen. Ihre Herkunft ist ungeklärt.

Die Ratsglocke von 1483 ist die einzige Glocke im Essener Bestand, die sich aus dem weltlichen Bereich erhalten hat (Nr. 75). Sie hing im Essener Rathaus und gelangte 1873 erst in Privatbesitz und dann in die Sammlung des ‚Historischen Vereins für Stadt und Stift Essen’. Heute wird sie im Ruhr Museum ausgestellt.

Die verschiedenen Funktionen, die Glockeninschriften haben können, spiegeln sich in der Verwendung unterschiedlicher Textsorten wider.100) Dabei können die Inschriften oft mehrere Aufgaben erfüllen.101) Bei zehn Glocken, also bei knapp der Hälfte der überlieferten Essener Glocken aus dem Bearbeitungszeitraum, wird in einer Meisterinschrift der Name des oder der Gießer mitgeteilt (Nr. 76, 116, 117, 119, 128, 130, 138, 152, 173, 175). Kaum geringer ist die Anzahl der Glocken, in deren Inschriften der oder die Auftraggeber des Glockengusses genannt werden, oft zusammen mit [Druckseite XXV] ihrer Amtsbezeichnung (Nr. 75, 106, 108, 119, 128, 130, 173, 175). Die Glocke selbst wird häufig personifiziert, was sich in Glockennamen (Nr. 76, 130, 164) und Glockenreden (Nr. 76, 116, 128, 130, 138, 152, 164, 175, 187) zeigt. Hier ist die Inschrift der 1626 für die Rellinghauser Annenkapelle gegossenen Glocke (Nr. 164) besonders interessant, weil die Glocke sich in ihrer Inschrift selbst mit der heiligen Anna identifiziert, die vom Volk angerufen wird (ANNA VOCOR CVNCTIS ME PLEBS HIC INNVOCAT ANNIS 1626).

Die Wirksamkeit, die dem Glockenklang zugesprochen wird, zeigt sich in den inschriftlich festgehaltenen Anrufungen, die sich im Essener Bestand zweimal an Maria richten (Nr. 84, 85, an das heilige Kreuz: Nr. 83). Auch der Beginn des ‚Ave Maria’ ist zweimal als Glockeninschrift belegt (Nr. 70, 169). Der Klang der Glocke kann aber nicht nur die Gebete der Gläubigen vermitteln (Nr. 117) und zur Ehre Gottes läuten (Nr. 76, 84, 85), sondern auch die Menschen selbst zum Besuch der Messe (Nr. 116) und zur Wachsamkeit zur Verhinderung von Bränden (Nr. 152) auffordern oder ihnen die Vergänglichkeit der Zeit (Nr. 128) ins Gedächtnis rufen. In diesen Fällen ist die Inschrift eine Funktionsbezeichnung.

Die meisten der Glocken, die durch eine Meisterinschrift sicher einem Gießer zugeordnet werden können, wurden von Wilhelm Hachman gegossen (Nr. 116, 117, 119, 128, 130). Je eine Glocke stammt von Herman van Alfter (Nr. 76), Johann Neelman (Nr. 138), dem ansonsten unbekannten Andreas Springer (Nr. 152) und den lothringischen Glockengießern Mamertus und Johannes Formica (Nr. 175) und Johann Paris (Nr. 173). Die Glocke von 1546 (Nr. 108) aus dem Dom kann anhand des Zierfrieses dem Kölner Gießer Derich von Overath zugewiesen werden. Wegen der Gestaltung der Versalien und der Worttrenner wird bei zwei Glocken (Nr. 83, 101) vermutet, dass sie in einer Nachfolgewerkstatt aus dem Umkreis des Dortmunder Gießers Johann Wynenbrock gegossen wurden. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Glocke aus der Marktkirche (Nr. 85) hatte eine gleichlautende Inschrift und die gleiche Gestaltung wie Nr. 84, die wiederum mit der noch vorhandenen Glocke Nr. 83 große Übereinstimmungen aufgewiesen haben soll. Möglicherweise stammten also auch Nr. 84 und Nr. 85 aus dieser Nachfolgewerkstatt.

Vierzehn Glocken sind ausschließlich mit lateinischen Inschriften versehen (Nr. 47, 68, 70, 75, 83, 106, 116, 117, 128, 130, 164, 169, 175, 187). Die älteste Glocke mit einer deutschen Inschrift wurde zwischen 1475 und 1484 gegossen (Nr. 76). Im Vergleich mit den zweisprachigen Glockeninschriften, die in Essen ab 1522 (Nr. 101) und bis ins 17. Jahrhundert überliefert sind, zeigt sich, dass nicht von einer schrittweisen Ablösung der lateinischen Sprache in Glockeninschriften ausgegangen werden kann, sondern dass während eines langen Zeitraums beide Sprachen nebeneinander verwendet wurden. Insgesamt sind nur vier Essener Glockeninschriften im Bearbeitungszeitraum vollständig in Deutsch verfasst (Nr. 76, 85, 119, 152). Bei zweisprachigen Glockeninschriften wird zweimal das Datum mit anno domini eingeleitet, gefolgt von der Jahreszahl in römischen Ziffern (Nr. 84, 101). Dieser Befund wurde bereits für andere Bestände festgestellt.102) Auf den vier anderen zweisprachig beschrifteten Glocken wurde die Meisterinschrift auf Deutsch (Nr. 138) oder auf Latein (Nr. 173) formuliert, zweimal wurden lateinische Bibelzitate mit deutschen Auftraggebernennungen kombiniert (Nr. 108, 173).

4. 3. Bauinschriften

Bauinschriften, zu denen auch Weiheinschriften gezählt werden, enthalten Informationen über bauhistorische Vorgänge an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken und sind am oder im Bauwerk angebracht.103) Die älteste Essener Bauinschrift befindet sich im Dom in der Ostkrypta (Nr. 13). Sie nennt das Bauwerk (die Krypta), die Bauherrin (die Essener Äbtissin Theophanu) und den Tag der von Theophanus Bruder, Erzbischof Hermann von Köln, vorgenommenen Kryptaweihe.

Insgesamt bietet der Essener Inschriftenbestand im Gegensatz zu anderen Beständen im Bearbeitungsgebiet der „Deutschen Inschriften“ relativ wenige Bauinschriften. Dazu zählt die Inschrift im Türsturz der Sakristei des Doms (Nr. 115), die das Baujahr 1554 und die Baumaßnahme, also die Erbauung der Sakristei, nennt. Die nur kopial überlieferte Jahreszahl 1591 datiert einen nachträglich eingezogenen Deckenträger im nicht mehr erhaltenen Äbtissinnenbau. Die in den Glockenstuhl des [Druckseite XXVI] Turms über dem Westbau geschnitzte Jahreszahl 1612 weist auf eine ansonsten nicht belegte Bau- oder Reparaturmaßnahme hin (Nr. 146).

Bei allen vier überlieferten Inschriften aus dem Mitte des 18. Jahrhunderts abgerissenen Kapuzinerkloster handelt es sich um Bauinschriften. Auf der noch im 18. Jahrhundert vorhandenen Grundsteinlegungsplatte (Nr. 154) aus Kupfer war die Auftraggeberin des Kirchenbaus, die Essener Äbtissin Maria Clara von Spaur, Pflaum und Vallier, und mit dem 17. April 1618 das Datum der Grundsteinlegung genannt. Der ebenfalls an der Grundsteinlegung beteiligte Werdener Abt Hugo Preutäus wird anlässlich der Fertigstellung des Ostteils der Kirche und der über dem Chor liegenden Bibliothek inschriftlich erwähnt: Im Chor war eine Tafel (Nr. 155) mit seinem Wappen, einem Stiftervermerk und dem Fertigstellungsdatum angebracht. Der Wortlaut dieser Inschrift wurde auch für eine nicht mehr erhaltene Wappenscheibe (Nr. 156) benutzt, die in ein Fenster der Bibliothek eingefügt war. Dass die Kapuzinerkirche von Osten nach Westen gebaut wurde, damit möglichst schnell Chorraum für die Messe vorhanden war, zeigt die vierte Bauinschrift. Es handelt sich dabei um den Namen der Auftraggeberin Maria Clara von Spaur und die in Mauerankern dargestellte Jahreszahl 1620, die an der Westfassade der Kirche angebracht war (Nr. 158).

Die beiden Wappensteine (Nr. 170, 171), die in die Wand des Pfarrhauses der dem Kloster Werden inkorporierten Gemeinde St. Lucius eingelassen waren, befinden sich seit den 1980er Jahren in der Schatzkammer der Propsteikirche St. Ludgerus. Sie dokumentieren den 1640 vom Pfarrer von St. Lucius, dem Werdener Mönch Heinrich Dücker, veranlassten und vom Werdener Abt Hugo Preutäus unterstützten Bau des Pfarrhauses.

Die Inschrift auf der erhaltenen Hälfte eines Türsturzes, der heute in eine Mauer auf dem Grundstück des Gemeindehauses der evangelischen Gemeinde Werden eingelassen ist (Nr. 179), gibt Auskunft über den Bau der ersten evangelischen Kirche in Werden. Der Türsturz befand sich an dieser Kirche, die Inschrift nennt das Baujahr 1650 und den Werdener Rat als Auftraggeber.

Aus dem weltlichen Bereich stammen fünf Inschriften, die Baumaßnahmen an Adelssitzen sowie Bürger- und Bauernhäusern dokumentieren. Nur abschriftlich überliefert ist die Inschrift auf einem Wappenstein, der über der Tür des Hauses Heck in Werden angebracht war (Nr. 137). Genannt waren der Name des Ehepaares, das dem Rittergeschlecht Heck angehörte, sowie die Jahreszahl 1599, die sich vermutlich auf den Wiederaufbau des 1581 in einem Kupferstich noch als Ruine dargestellten Baus bezieht. Die heute stark verwitterte Bauinschrift, die unter einem vollständig verwitterten Wappen im Giebel des Tores auf Schloss Hugenpoet angebracht ist (Nr. 176), nennt nicht nur die Namen der Bauherren, des Ehepaares von Nesselrode, und das Fertigstellungsdatum, sondern auch den vollständigen Familiennamen der Ehefrau, die Ämter des Ehemannes und die Nutznießer des neuen Schlosses, das Ehepaar selbst nämlich und die Erben.

Die drei Hausinschriften (Nr. 159, 168, 174), von denen sich nur eine original, wenn auch nicht mehr am ursprünglichen Haus, erhalten hat, beinhalten alle einen religiösen Spruch und die Jahreszahl, die vermutlich das Baujahr benennt, Nr. 168 überliefert dazu Namen der Auftraggeber oder Bewohner, Nr. 174 den Hausnamen.

4. 4. Kirchliche Ausstattungsstücke und Geräte

Etwa ein Drittel der Inschriftenträger des Essener Bestands stammt aus dem Bereich der Kirchenausstattung. Die Inschriften befinden sich vor allem auf Objekten aus dem Kirchenschatz: auf den Vasa sacra und auf liturgischen Objekten wie Vortragekreuzen, Buchdeckeln, Reliquienostensorien, Sepulchrumreliquiaren und Paramenten. Die große Anzahl von mit Inschriften ausgestatteten Schatzobjekten verdankt sich dem Umstand, dass der Schatz des Essener Stifts, der heutige Domschatz, vor der Enteignung während der Säkularisation bewahrt werden konnte und anscheinend auch in früherer Zeit wenige Verluste erlitten hat.104) Zur Ausstattung der Essener Kirchen gehören auch Altartafeln, Wand- und Glasmalereien, der Aufbau des Hochgrabs des heiligen Liudger und ein Kalvarienberg.

Meist sind auf kirchlichen Ausstattungsstücken aus dem Essener Bestand Stifterinschriften, Reliquienbezeichnungen und Beischriften bildlicher Darstellungen angebracht. Die weniger häufig überlieferten Textsorten – Anrufung, Altarzugehörigkeitsvermerk (bei Kelchen) sowie Spruch und Gebet – werden im Folgenden wegen ihrer geringen Anzahl nicht gesondert aufgeführt.

4. 4. 1. Stiftungsinschriften

Den größten Anteil an Inschriften auf kirchlichen Ausstattungsstücken machen in Essen die Stiftungsinschriften aus, die auf 26 Inschriftenträgern aus dem Bereich der Kirchenausstattung vorhanden sind. Stiftungsinschriften stehen im Kontext der Memoria, der Vorsorge für das Totengedenken. Durch die „Verewigung“ des Namens blieb der Stifter im Diesseits gegenwärtig. Die Stiftung eines liturgischen Geräts, das mit dem Namen des Stifters versehen war, sicherte diesem zu, Anteil zu haben an den liturgischen Handlungen, für die beispielsweise der gestiftete Kelch oder das gestiftete Vortragekreuz gebraucht wurde.105) Damit ist die Hoffnung verbunden, nach dem Tod bzw. nach dem Jüngsten Gericht Anteil am Ewigen Leben zu erhalten.106)

Der enge Bezug zur Memoriavorsorge kommt z. B. in der Inschrift auf zwei Kalksintersäulen (Nr. 26) aus der Schatzkammer St. Ludgerus in Werden zum Ausdruck. Diese Säulen haben den Schrein mit den Reliquien des heiligen Liudger getragen und wurden von dem Werdener Abt Adalwig gestiftet. In der Inschrift wird seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, durch die Stiftung „Ruhe im Paradies“ zu erlangen. Ohne konkrete Erwartung, aber in Verbindung mit dem Totengedenken, ist die Inschrift auf dem 1501 gestifteten Kelch (Nr. 92) für den Domschatz formuliert, der aus einem einfachen Sterbevermerk besteht.

Eine Besonderheit stellt die reiche Überlieferung der Stiftungsinschriften der ottonischen Äbtissinnen Ida, Mathilde und Theophanu dar. Von Ida ist die Inschriftentafel (Nr. 5) für ein hinter dem Kreuzaltar aufgestelltes Gemmenkreuz, das mit Herrenreliquien gefüllt war, erhalten. Mathilde stiftete wohl einen Schrein (Nr. 9), den großen siebenarmigen Leuchter aus Bronze (Nr. 10) und ein Vortragekreuz (Nr. 8). Gemeinsam mit ihrem Bruder, Herzog Otto von Schwaben und Bayern, ist sie auf dem Stifterbild am Otto-Mathilden-Kreuz (Nr. 6) dargestellt. Von Äbtissin Theophanu sind Stiftungsinschriften auf einem Vortragekreuz (Nr. 18) und auf dem Buchdeckel eines von ihr geschenkten Evangeliars (Nr. 20) erhalten, außerdem schenkte sie dem Stift Rellinghausen ein weiteres mit Stiftungsinschrift versehenes Kreuz (Nr. 19).

Die Stiftungsinschriften des Essener Bestands lassen sich nach formalen Kriterien in vier Gruppen einteilen. Sie können ausschließlich aus dem Stifternamen bestehen, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Wappen und/oder einem Datum (Nr. 59, 139). Häufiger steht der Name als Bildbeischrift in Verbindung mit einer Stifterdarstellung (Nr. 6, 8, 20, 43, 46). Die größte Gruppe stellen die Inschriften dar, in denen der Schenkungsvorgang durch ein Prädikat wie fieri iubere (Nr. 5, 10), fieri facere (Nr. 46, 172) und dare (Nr. 18, 74, 82) beschrieben wird. Ungewöhnlich ist die Wortwahl in der Inschrift auf dem Armreliquiar des heiligen Quintinus (Nr. 81), das von den Testamentsvollstreckern der Essener Pröpstin Margareta von Castell (gest. nach 1491) in Auftrag gegeben wurde. Der Schenkungsvorgang wurde mit der Formulierung, der Arm des heiligen Quintinus sei von den Testamentsvollstreckern geschmückt worden, umschrieben. Auch die Finanzierung einer Reparatur ist als Stiftung anzusehen und schlägt sich deshalb in Stiftungsinschriften nieder (Nr. 92, 94, 142). Die vierte Gruppe bilden Inschriften, in denen der Stiftungsvorgang ausführlicher und teilweise in gebundener Sprache formuliert ist (Nr. 9, 18, 19, 26). Diese qualitätvollen Inschriften befinden oder befanden sich allesamt auf kostbaren Inschriftenträgern. Wie die Stiftervermerke besonders auf den ottonischen Goldschmiedearbeiten aus dem Domschatz zeigen, wurden aber auch weniger komplexe Texte auf außerordentlich kostbaren Inschriftenträgern ausgeführt.

Ebenfalls in die Kategorie Stiftungsinschrift, und manchmal nicht klar davon abzugrenzen, gehören Auftraggeberinschriften. Sie unterscheiden sich von den Stiftungsinschriften dadurch, dass die stiftenden Personen eher als Amtsträger handeln. Eine wichtige Gruppe von Inschriften sind hier die Glocken- und die Bauinschriften.107) Die Inschriften unter dem Fuß der Hostienmonstranz für die Johanniskirche (Nr. 79) nennen die Namen der Pfarrer dieser Kirche und den Namen des bürgerlichen Kirchmeisters. Diese Personen waren in ihrer Funktion als Pfarrer oder Kirchmeister an der Herstellung beteiligt.108) In den Inschriften in der Krypta der Essener Marktkirche wird ausdrücklich der Auftrag, einen Begräbnisplatz in der Krypta einzurichten, genannt (Nr. 160).

Genauere Aussagen über den Kreis der Stifter lassen sich nur für das Stift Essen treffen, da hier die Anzahl an überlieferten Stiftungsinschriften groß genug ist. Es wurde bereits festgestellt, dass im Früh- und Hochmittelalter vor allem die Herrschenden in der Lage waren, durch Stiftungen Vorsorge [Druckseite XXVIII] für ihr Totengedenken und das ihrer Angehörigen zu treffen.109) Dies trifft auch auf das Stift Essen zu. Die mit (Namen als) Stiftervermerk versehenen Objekte (Nr. 5, 6, 9, 10, 18, 19, 20) des 10. und 11. Jahrhunderts wurden von Essener Äbtissinnen gestiftet, beim Otto-Mathilden-Kreuz (Nr. 6) tritt der Bruder der Äbtissin als Stifter hinzu. Dieses Kreuz stellt auch insofern eine Ausnahme dar, weil die beiden Stifter hier vor allem als letzte Vertreter der liudolfingischen Familie präsentiert werden, die von ihrem reichen Erbe die Stiftung des kostbaren Kreuzes finanzierten.

In der Zeit zwischen der Mitte des 11. und dem Ende des 13. Jahrhunderts ist keine Stiftungsinschrift aus dem Stift Essen überliefert, eine Essener Äbtissin hat allerdings in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts einen Kelch für das Kloster Werden gestiftet (Nr. 43). Erst im vierten Viertel des 13. Jahrhunderts tritt dann erstmals eine Essener Kanonisse als Stifterin eines Glasfensters (Nr. 45) in Erscheinung. Der Gedanke der Memoria kommt hier in der inschriftlich ausgeführten Fürbitte zum Ausdruck. Der Kreis der Stifter erweitert sich vor allem ab dem 15. Jahrhundert, es sind nun die Kanonissen (Nr. 81), die Kanoniker (Nr. 82, 94) und die Essener Bürger (Nr. 74, 92), die Objekte zur Kirchenausstattung stiften. Daneben bleiben aber auch die Äbtissinnen als Stifterinnen präsent (Nr. 46, 103). Aus dem 17. Jahrhundert ist nur eine Stiftungsinschrift auf einem Reliquiar bekannt, das von der gegenreformatorisch gesinnten Äbtissin Maria Clara von Spaur während ihres Exils in Köln in Auftrag gegeben wurde (Nr. 172). Der Schwerpunkt ihres Engagements lag im Übrigen bei dem u. a. auf ihre Anregung hin gegründeten Essener Kapuzinerkloster, wie zwei Bauinschriften (Nr. 154, 158) zeigen.

Die Überlieferungssituation in den anderen Essener Kirchen sieht deutlich schlechter aus. Aus dem Kloster Werden ist die bereits erwähnte Stiftungsinschrift an den von Abt Adalwig gestifteten Säulen erhalten (Nr. 26). Bei der getilgten Inschrift (Nr. 38) auf dem heute in Chantilly befindlichen Prachteinband hat es sich vermutlich ebenfalls um einen Stiftervermerk gehandelt, der entfernt worden war, nachdem das Buch in den Kunsthandel gelangte.110) Aus dem Besitz der evangelischen Marktkirche stammt ein Abendmahlsbecher mit Stiftervermerk (Nr. 139), der von einer aus dem Zisterzienserinnenkloster Mariensaal in Saarn (Mülheim/Ruhr) vertriebenen Nonne gestiftet wurde. Von der Ausstattung der Siechenhauskapelle stammen ein Altarretabel (Nr. 166) und ein Kelch (Nr. 157), die von Wilhelm Mittweg (gest. 1656), einem Essener Kanoniker und Vikar der Siechenhauskapelle, gestiftet wurden.

4. 4. 2. Reliquienbezeichnungen

Einen bedeutenden Bestand an kirchlichen Ausstattungsstücken im engeren Sinne stellt die Gruppe von fünfzehn mittelalterlichen und sieben neuzeitlichen Altarsepulchren dar,111) die sich im Essener Domschatz erhalten hat. Acht der mittelalterlichen Bleidöschen und -kästchen sind mit geritzten Reliquienbezeichnungen in karolingischer Minuskel versehen, die Schrift kann in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts datiert werden (Nr. 11, 17, 29, 30, 31, 32, 33, 34). Die Inschriften vermerken das Vorhandensein von mehr als 70 Reliquien verschiedener Heiliger und haben die Funktion von Reliquienauthentiken. Es ist zu vermuten, dass einige der runden Altarsepulchren während der Neuausstattung der Essener Münsterkirche durch Äbtissin Mathilde in die neu errichteten Altäre eingelassen wurden. Die Inschriften können allerdings nur anhand der Schrift nicht so genau datiert werden, dass sie sicher dem Abbatiat der Äbtissin Mathilde oder den Abbatiaten ihrer Nachfolgerinnen zugeordnet werden können.

Einen Anhaltspunkt für die Einordnung des größten Altarsepulchrums mit 46 Reliquien bietet das Datum 1054, das auf der anderen Seite des mit der Reliquienbezeichnung versehenen Deckels in Kapitalis eingeritzt ist (Nr. 17). Die Jahreszahl könnte mit der Vollendung des Chorneubaus und der Weihe des Hochaltars zusammenhängen. Die große Anzahl an Reliquien spricht dafür, dass das Kästchen im Hochaltar eingelassen war. Sicher ist, dass Theophanu die Krypta unter dem Hochaltar erbauen ließ und mit drei Altären ausstattete. Der Reliquienbestand dieser Altäre ist durch drei Inschriftentafeln (Nr. 14, 15, 16), die in die Halbpfeiler hinter den Altären eingelassen sind, überliefert. Die Weihe der Krypta durch Theophanus Bruder, den Kölner Erzbischof Hermann, am 9. September 1051 ist ebenfalls auf einer Inschriftentafel festgehalten (Nr. 13). Für die Neuausstattung weiterer [Druckseite XXIX] Altäre, vielleicht nach dem Abbruch alter Altäre, sprechen die Inschriften zweier Bleibehältnisse, die als Inhalt Reliquien vermerken, deren genaue Herkunft nicht mehr bekannt war (Nr. 30, 32) oder die „im alten Altar gefunden wurden“ (Nr. 29).

Eine der Reliquienbezeichnungen auf einem Altarsepulchrum lässt sich anhand der Schrift und wegen eines in dem Kästchen befindlichen Siegels ans Ende des 13. oder an den Anfang des 14. Jahrhunderts datieren (Nr. 51), ein anderes Reliquienbehältnis aus Blei ist mit einem Altarzugehörigkeitsvermerk ausgestattet, der etwa in die gleiche Zeit einzuordnen ist (Nr. 52). Vielleicht hängt die Beschriftung mit der Errichtung neuer Altäre oder der Neudotierung alter Altäre in dieser Zeit zusammen.

Neben diesen Altarsepulchren haben sich im Essener Domschatz und in der Schatzkammer der Propsteikirche St. Ludgerus in Werden weitere Reliquiare mit Reliquienbezeichnungen erhalten (Nr. 49, 81, 89). Die Inschriften dienen hier vor allem als Inhaltsangabe. Diese Funktion hatte auch die nur kopial überlieferte Inschrift, die sich am Schrein des heiligen Liudger im Kloster Werden befand (Nr. 186).

Die kopial überlieferte Inschrift (Nr. 73), die am Fuße des Kreuzaltars der Münsterkirche angebracht war, zählt in gebundener lateinischer Sprache die Herrenreliquien auf, die in dem von der Äbtissin Ida im dritten Viertel des 10. Jahrhunderts gestifteten Kreuz enthalten waren. Diese Reliquien gerieten anscheinend in Vergessenheit, denn als das Kreuz 1413 restauriert werden musste, wurde in einem Schriftstück der Fund der Herrenreliquien vermerkt. Das Kruzifix wurde 1454 erneut von der Säule herabgenommen, vermutlich wurde aus diesem Anlass die Inschrift angefertigt, um die enthaltenen Reliquien vor erneutem Vergessen zu schützen.

Um eine Art Reliquienbezeichnung handelt es sich bei der angeblichen historischen Nachricht auf der Schwertscheide des Zeremonialschwertes (Nr. 90) und bei der nur kopial überlieferten Inschrift, die sich am sog. Werdener oder Helmstedter Kruzifix (Nr. 109) befand. Die Inschrift, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf der Schwertscheide angebracht wurde, belegt erstmals die Vorstellung, dass es sich bei dem seit dem 10. Jahrhundert verehrten Schwert um das Hinrichtungsschwert der Stiftspatrone Cosmas und Damian handele. Die in deutschen Reimversen verfasste Inschrift an dem 1547 aus dem Kloster Helmstedt nach Werden gebrachten Kruzifix teilt mit, dass dieses Kreuz Karl dem Großen dazu gedient habe, die Sachsen zu missionieren.

4. 4. 3. Bildbeischriften

Auf einigen Objekten der Kirchenausstattung wie z. B. Tafelbildern, Wandmalereien, Glasfenstern, Goldschmiedearbeiten und Paramenten finden sich Beischriften zu bildlichen Darstellungen. Die Bildbeischriften haben unterschiedliche Bedeutungen: Sie können Elemente der Ikonographie sein, zur Identifizierung und Erläuterung der Bilder dienen, den Sinn allegorischer Darstellungen erklären und als exegetische Bildbeischriften Darstellungen von Bibeltexten auslegen.112)

Die bekannteste und am weitesten verbreitete Inschrift, die als Element der Ikonographie zur Darstellung gehört, ist der Kreuztitulus, der eine Aussage aus dem Johannesevangelium darstellt.113) In Essen haben sich zahlreiche Darstellungen mit Kreuztituli erhalten.114) Auch die Verkündigung des Erzengels Gabriel an Maria (Lc 1,18) ist häufig mit einer Bildbeischrift ausgestattet, die die Worte des Erzengels wiedergibt (Nr. 96). Die Bibelstelle wird im ‚Ave Maria’, einem der Grundgebete der katholischen Kirche, aufgegriffen. Der Beginn des ‚Ave Maria’ dient auf einer im 14. Jahrhundert hergestellten Agraffe (Nr. 54), die als Schmuck an der Goldenen Madonna befestigt ist, als Bildbeischrift für eine Marienstatuette. Ein Gebet aus dem Totenoffizium und eine Gewandsauminschrift wurden als bildimmanente Texte auf einem Tafelgemälde (Nr. 142) aus dem Kloster Werden angebracht.

Als Bildbestandteil sind auch Inschriften zu bezeichnen, die die Aussagen der dargestellten Personen wiedergeben, meist auf Schriftbändern (z. B. Nr. 67) oder in der geschwungenen Form von Schriftbändern (Nr. 28, 123, 124). Auf der Abendmahlsdarstellung aus dem Kloster Werden wurde das zugehörige Bibelzitat zur Abendmahlsszene auf eine in die Möblierung des Bildes eingelassene Tafel gemalt (Nr. 122). Ebenfalls bildimmanent ist die Inschrift REX, mit der der Nimbus des Gekreuzigten auf dem Beinkasten aus dem Kloster Werden ausgestattet ist (Nr. 1). Die Inschrift stellt den Bezug zum Christus der Apokalypse her.

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Als Teil der Ikonographie, der gleichzeitig zur Identifikation der Darstellung dient, kann die Namensbeischrift bei dem Apostel Petrus auf dem Buchdeckel des Theophanu-Evangeliars aus der Domschatzkammer bezeichnet werden (Nr. 20). Die Buchstaben des Namens bilden den Bart der Schlüssel, die der Apostel in Händen hält. Bildbeischriften zur Identifizierung von Heiligen oder biblischen Gestalten finden sich mehrfach im Essener Inschriftenbestand (z. B. Nr. 20, 40, 48, 67, 69, 90, 124).

Über bloße Namensbeischriften hinaus gehen Bildbeischriften, die grundlegende Erklärungen zum Bildprogramm geben. Dies ist der Fall bei der Beischrift einer Wandmalerei in St. Ludgerus in Werden (Nr. 3) und bei einer nicht mehr erhaltenen Beischrift an einer ebenfalls verlorenen Statue des heiligen Liudger (Nr. 186). Als Erklärungen des allegorischen Sinns sind die Bildbeischriften Dextera Dei oder Dextera Domini zu verstehen, die die Darstellungen der rechten Hand Gottes begleiten (Nr. 27, 39).

Nur zwei der Bildbeischriften aus dem Essener Inschriftenbestand sind als exegetische Bildbeischriften zu bezeichnen. Die Inschrift auf dem heute in Chantilly aufbewahrten Prachteinband (Nr. 38) aus dem Kloster Werden legt die Darstellung der Kreuzigung aus, indem sie auf den Zusammenhang zwischen der Sünde Adams und der Rückkehr ins Paradies durch den Tod am Kreuz anspielt. Die Inschrift auf dem nicht mehr vorhandenen Kreuz (Nr. 19), das die Essener Äbtissin Theophanu dem Stift Rellinghausen gestiftet hat, bezieht sich auf die Darstellung des Gekreuzigten und seine Bedeutung für die Gläubigen.

Zitationshinweis:

DI 81, Stadt Essen, Einleitung, 4. Inschriften und Inschriftenträger (Sonja Hermann), in: inschriften.net,  urn:nbn:de:0238-di081d007e009.

  1. Vgl. den Katalog bei Nisters-Weisbecker, Grabsteine, S. 263–293. »
  2. Arens, Liber ordinarius, S. 198. »
  3. Seemann, Aebtissinnen, S. 18, 20. »
  4. Müller, Geschichtsschreibung, S. 40. »
  5. Arens, Liber ordinarius, S. 114. »
  6. Gerchow, Bürger, S. 169f. »
  7. Feldens, Friedhof, S. 30, 57. »
  8. Vgl. DI 29 (Worms), S. XC»
  9. Müller, Geschichtsschreibung, S. 42f. »
  10. Zu den verschiedenen Funktionen von Glockeninschriften vgl. Kizik, Funktion, passim. »
  11. Der erste Teil der Glockeninschrift Nr. 83 lautet ich ere god yn mynen schalle und ist damit gleichzeitig eine Glockenrede und die Funktionsbezeichnung für die Glocke. »
  12. Vgl. z. B. DI 64 (Ehem. Landkreis Querfurt), S. XXXV»
  13. E. Hohmann, H. Wentzel, Art. Bauinschriften, in: RDK 2 (1938), Sp. 34–54; R. Funken, Art. Bauinschriften, in: LexMA 1 (1980), Sp. 1631. »
  14. Vgl. Einleitung 2. 1. »
  15. Borgolte, Stiftungen, S. 86f. »
  16. Reudenbach, Leben, S. 523–526. »
  17. Vgl. Einleitung 4. 2. und 4. 3. »
  18. Bei dem dort ebenfalls genannten Mester Wolfgang wird es sich vermutlich um den Goldschmied gehandelt haben. »
  19. Reudenbach, Leben, S. 523. »
  20. Vgl. das ähnliche Vorgehen bei Besitzvermerken im Evangeliar der Essener Äbtissin Svanhild: Kahsnitz, Svanhild, S. 45f. »
  21. Zu Altarsepulchren aus Blei vgl. Braun, Altar 1, S. 640f.; ders., Reliquiare, S. 100; zu Bleitafeln mit Reliquienbezeichnungen vgl. Favreau, Inscriptions sur plomb, S. 56–59. »
  22. Zu epigraphischen Bildbeischriften vgl. Bayer, Essai, passim; Wulf, Bild, passim. »
  23. Io 19,19. »
  24. Vgl. Register 7: Kreuztitulus. »